Leben auf dem Land:Wenn das Dorf vor Kriminalität schützt

Leben auf dem Land: Ländliches Idyll: In Schäftlarn verzeichnet die zuständige Grünwalder Polizei kaum Straftaten.

Ländliches Idyll: In Schäftlarn verzeichnet die zuständige Grünwalder Polizei kaum Straftaten.

(Foto: Hartmut Pöstges)

In Schäftlarn verzeichnet die Polizei außerordentlich wenig Straftaten in diesem Jahr, Einbrüche gab es bislang keinen einzigen. Das hängt vor allem mit der Struktur der Kommune zusammen.

Von Marie Hesslinger

Ein Fahrzeugdelikt, drei Sexualstraftaten, drei Rauschgiftdelikte, drei Fahrraddiebstähle, sechs schwere Diebstähle, acht Sachbeschädigungen, zehn Trickbetrüge und dreizehn Körperverletzungen. Was sich in einem Satz viel anhört, ist tatsächlich im Verhältnis ziemlich wenig: die Liste der Straftaten, die in den ersten neun Monaten des Jahres 2021 in der 6 000-Einwohner-Gemeinde Schäftlarn passiert sind. Bei Nachbargemeinden sieht es kaum anders aus. Dorfstrukturen, so das Credo der Polizisten, scheinen vor Kriminalität zu schützen. Bloß Trickbetrüger halten sie nicht auf.

"Eigentlich brauche ich gar nicht kommen, weil bei Ihnen passiert nichts", hat Andreas Forster, Leiter der Grünwalder Polizei jüngst bei Schäftlarns Bürgerversammlung gescherzt. Denn: So schlimm die Straftaten für die Betroffenen sein mögen, insgesamt ist die Kriminalitätsrate in Schäftlarn ziemlich niedrig. "Häufigkeitszahl" nennt die Polizei die Anzahl an Straftaten, die pro 1 000 Einwohner innerhalb eines Jahres geschehen. In Schäftlarn liegt diese bei rund 17 Prozent. Zum Vergleich: Im Landkreis München liegt sie bei knapp 33 Prozent, in Bayern bei 43 Prozent, und in München bei rund 58 Prozent. Eine niedrigere Häufigkeitszahl als Schäftlarn hat im Landkreis München nur die 3 000-Einwohner-Gemeinde Straßlach mit 16 Prozent.

"Vielleicht hängt es mit der dörflichen Struktur zusammen", spekuliert Jörg Greiner, stellvertretender Dienststellenleiter der Grünwalder Polizei. "Man kennt sich, man gibt aufeinander Acht." Wem etwas Ungewöhnliches in der Nachbarschaft auffalle, der sehe nach, ob alles beim Rechten sei. "Die Bewohner kennen sich untereinander, sie sind in Vereinen organisiert." Je größer die Gemeinde und je größer ihre Nähe zur Landeshauptstadt, desto höher in der Regel die Kriminalität.

Dennoch ist nicht "nichts" passiert in Schäftlarn. In den ersten neun Monaten des Jahres wurden 13 Körperverletzungen registriert. Anders als in München, wo es zu Zeiten geöffneter Clubs und Bars zu nächtlichen Auseinandersetzungen auf offener Straße komme, handele es sich dabei auf dem Land vorwiegend um Fälle häuslicher Gewalt. "Paare schaffen es nicht, sich zu trennen, und dann geht es wieder los", sagte Dienststellenleiter Forster. Auch komme es mitunter zu Nachbarschaftsstreitigkeiten,so sein Stellvertreter Greiner. Zwei der drei Sexualstraftaten auf Schäftlarner Gebiet waren Fälle von Exhibitionismus in der vorbeifahrenden S-Bahn, ein weiterer Fall war die Verbreitung kinderpornografischen Materials.

Zehnmal kam es in Schäftlarn außerdem zu Trickbetrug: Häufig melden sich vermeintliche Polizisten bei Betroffenen und fordern diese auf, ihnen Geld und Wertgegenstände zu übergeben, weil Kriminelle angeblich einen Einbruch bei den Betroffenen planten. Opfer solcher Maschen seien meist ältere Leute, "weil die Täter von der Obrigkeitshörigkeit und von der Gutgläubigkeit der Älteren ausgehen", so Greiner. Wo sich das abspiele, sei dabei gleich: "Die Täter nehmen keine Rücksicht auf den Ort." Vielmehr säßen sie weit entfernt in Callcentern und riefen jene Menschen an, die aufgrund ihres Vornamens oder Geburtsdatums als Opfer infrage kämen.

Zunehmend häufig rufen ältere Menschen die Polizei neuerdings auch im Straßenverkehr: Immer mehr fahren E-Bikes, um Berge leichter hochzukommen. "Entsprechend Gas geben die auch beim Runterfahren", sagte Forster. Oft verlören sie dabei jedoch die Kontrolle über ihr Zweirad. 28 Menschen verletzten sich 2021 im Straßenverkehr, 13-mal waren Radfahrer beteiligt. Räder wurden in Schäftlarn dabei nicht nur gefahren, sondern auch gestohlen: Bei drei von sechs schweren Diebstählen handelte es sich um den Klau von angeketteten Fahrräder. Außerdem gestohlen wurde ein Wohnwagen. Zweimal wurde vergeblich versucht, Türen einzubrechen. Zu tatsächlichen Einbrüchen kam es in Schäftlarn hingegen im ablaufenden Jahr kein einziges Mal. Greiner führt das unter anderem auch auf die Arbeit der bayerischen Polizei zurück.

Täglich fährt die Polizei im Landkreis München rund um die Uhr Streife. "Und die Aufklärungsquote von Verbrechen in Bayern ist recht gut, weil die bayerische Polizei viele erfahrene Ermittler und viele technische Innovationen hat", so Greiner. Hinzu kommt: Vor ein paar Jahren wurde das Strafmaß für Einbrüche in Bayern erhöht. Ein Einbruch gilt nun als Verbrechen und kann somit mit mindestens einem Jahr Freiheitsentzug bestraft werden. Das zeige Wirkung, sagte Greiner.

Dass es in diesem Jahr zu besonders wenigen Einbrüchen kam, hat vermutlich auch mit Corona zu tun: Die Menschen waren zu Hause. Das zumindest vermutet Christina Loy von der Polizei in Wolfratshausen. In ihrem Einsatzgebiet sieht die Lage ähnlich ruhig aus wie im Landkreis München. Null Einbrüche gab es zum Beispiel auch in Schäftlarns Nachbargemeinde Icking. "Es ist wunderbar", sagt die stellvertretende Dienststellenleiterin. "Wir leben im Dienstbereich wirklich noch im gelobten Land."

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