Leben auf dem Land 2.0:"Bestehendes erhalten und neu nutzen"

Leben auf dem Land 2.0: Ludwig Gröbmaier ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Baukultur.

Ludwig Gröbmaier ist Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Baukultur.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Dietramszell beteiligt sich als einzige Kommune im Landkreis am Projekt "Baukulturregion Alpenvorland". Wie das Leben auf dem Land in Zukunft aussehen kann und soll, erläutert Ludwig Gröbmaier im Gespräch

Interview von Petra Schneider, Dietramszell

Wie wollen wir in Zukunft in ländlichen Regionen leben? Dieser Frage widmete sich das von der EU geförderte Leader-Projekt "Baukulturregion Alpenvorland", an dem sich Dietramszell als einzige Kommune im Landkreis beteiligt hat. Mit nachhaltiger Wirkung: Im Juli gab es eine gut besuchte Abschlusspräsentation mit Architekturstudenten der TU Wien, und in der Gemeinde wurde eine "Arbeitsgemeinschaft (Arge) Baukultur" gegründet. Diese hat sich nun ganz konkret bei der Planung für ein neues Wohngebiet im Ortsteil Schönegg eingebracht. Die in der Arge erarbeiteten Verbesserungsvorschläge bekamen im Gemeinderat viel Zustimmung und werden nun in den Bebauungsplan eingearbeitet. Ein Gespräch über das Leben auf dem Land mit dem Arge-Sprecher Ludwig Gröbmaier, Bauprojektleiter bei einer Münchner Hausverwaltung und CSU-Gemeinderat in Dietramszell.

SZ: Herr Gröbmaier, die "Arge Baukultur" hat fünf Monate nach ihrer Gründung bewirkt, dass ein Bebauungsplan geändert wird. Ein ziemlicher Erfolg, oder?

Ludwig Gröbmaier: Ja, das ist natürlich erfreulich. Der Bebauungsplan Schönegg-Nordost wurde bereits mehrfach diskutiert und geändert.

Welche Vorschläge der Arge werden nun berücksichtigt?

Auf dem Teil des Grundstücks, das der Gemeinde gehört, werden aus zwei Doppelhäusern zwei Mehrfamilienhäuser mit vier bis sechs Wohneinheiten. Statt wuchtiger Garagen werden begrünte Carports in den Hang des Areals gebaut. PV-Anlagen auf den Dächern, ein öffentlicher Spielplatz, ein abgesetzter Straßenrandbereich statt eines klassischen Gehwegs, ein zentraler Müllsammelplatz - auch diese Vorschläge wurden vom Gemeinderat gebilligt. Das Thema muss immer sein: Den Flächenverbrauch reduzieren. Es können nicht mehr Leute wohnen, wenn die Zufahrt breiter und die Garagen größer sind. Garagen sind sowieso ein veraltetes Konzept. Man kann die Stellplatzsatzung auch mit begrünten Carports einhalten, die viel weniger Fläche verbrauchen.

Wie viele Mitglieder hat die "Arge Baukultur"?

Insgesamt 20, davon etwa zwölf sehr Aktive. Architekten aus der Gemeinde, Handwerker, interessierte Bürger. Im Rahmen des Leader-Projekts gab es einen regelmäßigen "Baukultur-Stammtisch", aus dem sich dieser feste Kreis entwickelt hat.

... der sich den Bebauungsplan Schönegg vorgenommen hat.

Ja, das war unser "Werkbank-Projekt". Wir wollten uns ganz konkret einbringen. Denn damit sich so ein Arbeitskreis hält und Zuspruch bekommt, ist es wichtig, dass da nicht nur theoretisch diskutiert wird, sondern praktische Vorschläge gemacht werden. Und dass dann im Idealfall ein Wohngebiet tatsächlich so gebaut wird.

Was hat die Arge im neuen Jahr vor?

Wir wollen einen "Ortsspaziergang" zu architektonisch und historisch interessanten Gebäuden anbieten. Auch die Ortsgestaltungssatzung, die nach Jahren endlich verändert und dann aus unerfindlichen Gründen wieder geändert wurde, muss auf die Agenda. Denn das Korsett ist viel zu eng. Mit der Konsequenz, dass wir in zehn Bauausschuss-Sitzungen über 110 Ausnahmen billigen mussten. Das ist alles zu streng und zu wenig differenziert. Man kann nicht einen Jägerstand in Hechenberg und ein Einfamilienhaus in Steingau über die gleiche Satzung regeln.

Steht das Ascholdinger Hallenbad auch auf der Agenda?

Es ist schade, dass die DLRG das Bad nicht weiterbetreibt. Das wäre eine gute Übergangslösung gewesen. Jetzt müssen wir uns schneller Gedanken über eine Nachnutzung machen.

Die Wiener Studenten haben unter anderem ein Kino im alten Hallenbad vorgeschlagen.

Da müsste man schauen, was die Bürger wollen. Ich fände einen Ideenwettbewerb gut. Das könnte auf jeden Fall auch eine Fragestellung für die Arge sein.

Wo sehen Sie zukünftige Herausforderungen für das Leben auf dem Land?

Ich fürchte, dass durch die neue Tierwohlverordnung, die grundsätzlich sinnvoll ist, große Laufställe im Außenbereich gebaut und Hofstellen im Ort aufgegeben werden. Daraus werden dann Wohnungen, weil das für den Eigentümer eine wirtschaftlich interessante Nachnutzung ist. Es ist eine Herausforderung, zu verhindern, dass die Dörfer veröden. Dazu sind gemischte Nutzungen mit Wohnungen und Gewerbe nötig.

Ihre Vision für Dietramszell in drei Worten?

Lebendig, nachhaltig und zeitgemäß. Mehr Mehrfamilien- anstelle von Einfamilienhäusern, denn die schneiden bei der Frage nach dem Flächenverbrauch nicht so gut ab. Bestehendes erhalten, umbauen und neu nutzen. Es kann nicht sein, dass alte Gebäude leer stehen und auf der grünen Wiese Neubausiedlungen entstehen. Das ist nicht nachhaltig.

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