Landwirtschaft heute:Aufgegeben

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Setzt künftig auf Ferienwohnungen und Pensionsgäste statt auf die klassische Landwirtschaft mit Milchviehhaltung: Peter Sewald aus Berg. (Foto: Franz Xaver Fuchs)

Der letzte Milchbauer im Berger Ortsteil Allmannshausen stellt seinen Betrieb ein, weil die Landwirtschaft für ihn unrentabel geworden ist. "Ich sehe keine andere Möglichkeit", sagt Peter Sewald

Von Peter Haacke, Berg

Der Kuhstall ist leer, die Rinder sind weg: Peter Sewald aus Berg hat es sich wahrlich nicht leicht gemacht mit der Entscheidung, seinen Betrieb demnächst aufzugeben. Nun verwandelt der letzte Milchbauer von Allmannshausen seinen Kuhstall in einen Pensionsbetrieb mit Gästezimmern, weil sich die Landwirtschaft einfach nicht mehr rentiert.

In den vergangenen Wochen hat sich auf dem Bauernhof in der Valentinstraße einiges verändert. Zwar zeugen Traktoren, allerlei landwirtschaftliches Gerät und ein Misthaufen noch immer vom eigentlichen Zweck des "Schwoaga", dem seit dem 18. Jahrhundert in Familienbesitz befindlichen Schwaigerhof, den Sewald 2002 als Vollerwerbslandwirt von seinem Vater übernommen hatte. Vor der Milchkammer mit dem großen Edelstahlbehälter und der Anlage stehen ein paar Gummistiefel; Goliath, der treue Hund, bewacht den Hof. Sewald aber, seit Jahren daran gewöhnt in aller Herrgottsfrüh aufzustehen, um die Tiere zu versorgen, wirkt relativ entspannt. "Es geht nicht anders", sagt der 51-Jährige, "ich sehe keine andere Möglichkeit".

Sewald ist kein Einzelfall. Für Betreiber kleinerer Bauernhöfe lohne sich das Geschäft immer weniger, sagt er. Viel Arbeit, wenig Ertrag. In den vergangenen sechs Jahren haben im Freistaat fast 10 000 Milchbauern aufgegeben, Ende 2016 gab es in Bayern nur noch knapp 32 000 Betriebe - allerdings bei nahezu konstanter Zahl an Tieren. Sewald, ehrenamtlicher Gemeinderat für die unabhängige Gruppierung "Einigkeit" (EUW), sitzt in kurzen Hosen und barfuß auf der Terrasse vor seinem Haus. Er glaubt, dass das Bauernhofsterben weitergeht. Die Gründe dafür sind vielfältig, entscheidend aber ist: Unterm Strich rechnet sich die Sache einfach nicht. Und das habe auch nichts mit der Agrarpolitik der EU zu tun.

Im Frühjahr 2018 tagte der Familienrat: Gemeinsam mit Ehefrau Kerstin und den beiden Söhne beschloss er, die Kühe wegzugeben. Mitte Juli wurden 25 Tiere zum Schlachthof gebracht, die zehn letzten Kälber kommen Ende September vom Hof. Und dann? Zwölf Ferienzimmer möchte Sewald in den einstigen Kuhstall bauen, zum Jahresende soll es losgehen. Und dort, wo derzeit noch die Kälber stehen, sollen Garage und Werkstatt entstehen.

Der Gemeinderat hat Sewalds Antrag auf Um- und Ausbau des Kuhstalls vergangene Woche ohne Wenn und Aber genehmigt. Bürgermeister Rupert Monn, selbst Landwirt, aber auch das übrige Gremium zeigten Verständnis für Sewald, der nach eigenen Angaben keinen Gewinn erzielen kann mit seinem Betrieb. Da wäre zum einen der Milchpreis: 80 Cent pro Liter wären kostendeckend, ausgezahlt bekam er zuletzt 39 Cent. Sein Gerätepark ist überaltert: Keiner der fünf Traktoren hat weniger als 20 Jahre auf dem Buckel, die Milchanlage wurde für 10 000 Euro erneuert. "Wir haben die letzten Jahre nur noch draufgezahlt", sagt der 51-Jährige. "Aber ich möchte den Hof nicht mit Schulden übergeben."

Sewald spricht offen über das Problem, das viele kleinere Betriebe belastet: Die Angst, das Ganze auf längere Sicht nicht mehr zu finanzieren zu können und ein Wust von Vorschriften, der es perspektivisch unmöglich macht, rentabel zu wirtschaften. Da ist etwa das demnächst erwartete Verbot der Anbindehaltung für Rinder. Sewalds Stall ist zu klein für einen Laufstall. "Wir hätten anbauen müssen", sagt er, "aber das geht innerhalb der Ortschaft nicht". Bestenfalls Richtung Bismarckturm hätte es Platz gegeben. Doch das Amt für Landwirtschaft erteilt Privilegierungen nur für Laufställe mit etwa 75 bis 100 Kühen. Und dafür wiederum reichen Sewalds Betriebsflächen nicht: 15 Hektar gehören ihm, 15 Hektar hat er gepachtet. Davon ganz abgesehen aber scheut er vor allem die Kosten: Grob kalkuliert rund eine Million Euro hätte die Erweiterung gekostet, der bürokratische Aufwand wäre enorm gewesen. Und auch die Güllegrube ist lediglich für 25 Kühe ausgelegt. Sewald weiß: "Ein ungeheurer Rattenschwanz, der da gekommen wäre."

Sewald ist nicht der einzige im Gemeindegebiet, der den Milchviehbetrieb voraussichtlich aufgeben wird und damit die oft romantisch verklärte Idylle im Dorf, aber auch die Struktur der Berger Landwirtschaft verändert. Knapp 15 Betriebe gibt es in den Ortsteilen derzeit noch, bis zum Jahr 2030, glaubt Sewald, wird es im gesamten Gemeindegebiet bestenfalls noch zwei oder drei Betriebe mit Milchkühen geben. Der Trend geht eher zu Pferdehaltung für Menschen, die sich dieses Hobby leisten können. Immerhin: Sewald rechnet damit, das Heu von den eigenen Wiesen an die Pferdepensionen abgeben zu können - zumindest solange der Reittrend anhält. Eine Existenz als Biobauer ist keine Option für ihn: "Ich bin keiner, der so lebt."

Die Reaktionen auf seine Entscheidung waren zwiespältig. Die meisten Leute aus dem Dorf fanden es schade, dass er aufgibt. Andere bedauern, dass die Kinder aus der Stadt künftig keine Kühe mehr zu sehen bekommen. "Die Allmannshauser stehen hinter mir", sagt Sewald - und dann wird der sonst so freundliche Landwirt richtig ernst: "Die Bevölkerung steht nicht mehr hinter dem Landwirt."

Ein grundsätzliches Problem. Sewald hat einen allgemeinen Paradigmenwechsel erkannt: Galt der Bauer früher als Garant für Nahrungserzeugung, so machen heute Stichworte wie Flächenfraß, Überdüngung, Artenschutz und Insektensterben die Runde. Sewald fühlt sich und seine Zunft missverstanden: "Der Bauer ist der Buhmann", sagt er. Gelegentlich regen sich im Dorf irgendwelche Leute über das Vieh auf, wenn etwa Kuhfladen auf der Straße sind oder die Tiere muhen. Auch zwei anonyme Anzeigen gab es schon, wegen angeblich illegaler Müllentsorgung und Zwischenlagerung. Den Vorwurf konnte Sewald schnell entkräften.

Mittlerweile weiß er aber auch die angenehmen Seiten seiner Entscheidung zu genießen: Früher stand er täglich um 4.15 Uhr auf - auch an Sonn- und Feiertagen, oder wenn er krank war. In den letzten 20 Jahren hatte er viermal Urlaub, jeweils vier Tage: Es ist schwer, in der Landwirtschaft Aushilfen zu bekommen. Jetzt ist es für ihn deutlich entspannter. Er kann auch mal ausschlafen, ein "Gewinn an Lebensqualität". Voraussichtlich nächstes Jahr wird er sich in eine neue Rolle hineinfinden müssen: Nach dem Umbau wird er sich als Pensionsvater um seine Gäste kümmern.

© SZ vom 23.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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