Landtagswahl im Kreis Bad Tölz-Wolfratshausen:Scharfe Worte und zarte Bande

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft veranstaltet im Kurhaus die erste Podiumsdiskussion mit den Wahlkreis-Kandidaten für die kommende Landtagswahl. Lange herrscht Einmut, doch beim Thema Asyl wird es hitzig.

Von Claudia Koestler

Mittelständische Unternehmer fragen

Die Wahlkreis-Kandidaten für die Landtagswahl stellen sich im Kurhaus Tölz den Fragen der Unternehmer, v.l.: Moderator Stephan Oberacher, Fritz Haugg (FDP), Florian Streibl (FW), Robert Kühn (SPD), Anne Cyron (AfD), Ludwig Hartmann (Grüne) und Martin Bachhuber (CSU).

(Foto: Manfred_Neubauer)

Es hatte über 100 Minuten gedauert, bis der Abend thematisch explodierte: Bei der Frage nach der Asylpolitik gingen am Montagabend bei der ersten Podiumsdiskussion der sechs Stimmkreis-Kandidaten für den Landtag die Meinungen stark auseinander, bis die Kluft in diesem Vorwurf mündete: "Sie sollten sich nicht Umweltpartei nennen, sondern Kriegstreiberpartei", sagte Anne Cyron, Kandidatin der AfD, zu Ludwig Hartmann von Bündnis 90/die Grünen.

Entzündet hatte sich die Diskussion kurz zuvor an der Vermischung von Asylrecht und Einwanderung. Hartmann hatte für eine "klare Anweisung an die Ausländerbehörden" plädiert, dass die Arbeitsaufnahme von Flüchtlingen zu fördern sei, um so unbesetzte Lehrstellen zu füllen, sowie das Stichwort "Fluchtursachen bekämpfen" genannt. Hier aber grätschte Cyron dazwischen: "Die Grünen haben mehrmals für den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr gestimmt, das ist eine der Fluchtursachen." Doch man habe "kein Recht dazu, sich in diese Länder einzumischen". Ein weiteres Beispiel: der Kosovo-Krieg. "In Europa bricht ein brutaler Bürgerkrieg aus und dann soll die europäische Staatengemeinschaft sagen, das interessiert uns nicht? Solch eine Meinung halte ich für wirklich richtig gefährlich", entsetzte sich Hartmann.

Zu der Podiumsdiskussion eingeladen hatte der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW), auf der Bühne saßen Martin Bachhuber (CSU), Florian Streibl (FW), Robert Kühn (SPD), Ludwig Hartmann (Bündnis 90/die Grünen), Fritz Haugg (FDP) sowie Anne Cyron (AfD). Obwohl in dieser Konstellation die Kandidaten noch nicht zusammen aufgetreten waren und somit ein direkter Vergleich möglich war, nutzten nur wenige Zuhörer die Gelegenheit. Nicht einmal 40 Anwesende waren im Saal des Tölzer Kurhauses, darunter auch nur eine Handvoll Unternehmer aus dem Landkreis.

Vor dem Abend hatten mittelständische Unternehmen ihre Fragen einreichen können, auf die die Politiker auf der Bühne antworten sollten. Die Fragen, die der Moderator Stephan Oberacher stellte, kannten die Kandidaten vorab nicht, sodass er auf "echte Antworten, keine Phrasen" hoffte, wie er zuvor erklärt hatte.

Die Fragen hatte Oberacher in sechs Themenfelder gegliedert: Bildung, Ausbildung und Fachkräfte-Nachwuchs, bezahlbarer Wohnraum für Fachkräfte und Familien, Infrastruktur und Diesel-Fahrverbote, Digitalisierung, die Förderung von Unternehmertum und eben die Asylpolitik mit der Frage, ob der berüchtigte Aufruf "wir schaffen das" gescheitert sei oder nicht. Cyron nannte Zahlen, die belegen sollten, "dass wir es nicht schaffen: 90 Prozent der plus minus zwei Millionen Menschen, die seit 2015 ins Land kamen, sind in die Sozialsysteme eingewandert".

Kühn indes fand, "wir haben Platz, und die Unternehmer haben Jobs", während Bachhuber die Liberalität Bayerns betonte. Streibl warnte vor dem "Schlechtreden": Man dürfe die "Demokratie nicht infrage stellen, nur weil irgendein Mullah mit dem Messer rumrennt".

Vor dem Thema Asyl hatten die Podiumsteilnehmer indes nur wenige Unterschiede bemerken lassen. Alle sechs sprachen sich beispielsweise für die weitere Digitalisierung aus, ebenso für den Ausbau der Ganztags-Kinderbetreuung, allerdings ohne eine Verpflichtung für die Eltern. Was bezahlbaren Wohnraum angeht, so teilten die Politiker die Idee von Werkswohnungen, während Cyron das Mietrecht ändern und sowohl "Unternehmern wie Staat einen Tritt" geben wollte. Bachhuber indes schlug "steuerliche Anreize" vor. Die Grunderwerbssteuer zu senken rief allgemeines Kopfschütteln auf dem Podium hervor, ebenso die Einführung einer Datensteuer. Englisch bereits in der Grundschule und mehr Chinesisch, dafür konnte sich auch keiner der Politiker richtig erwärmen, lediglich Hartmann wollte zumindest "das Verständnis für andere Sprachen fördern". Der Handwerksberuf müsse attraktiver werden, darin herrschte Einigkeit über Parteigrenzen hinweg. "Durchlässigkeit ist ein Thema", sagte Haugg, "das Heil liegt nicht nur im Studium", befand Streibl. Und Hartmann lobte die derzeitige Regierung diesbezüglich, was Bachhuber als "erstes Koalitionsangebot" verstanden haben wollte.

Annäherungen gab es also auch. Zu einer Koalitionswunschpartner-Aussage wollte sich zwar am Ende keiner hinreißen lassen. "Jeder kämpft jetzt mal für sich, die Wahrheit liegt dann am 14. Oktober in der Urne", sagte Streibl. Doch unverkennbar war, dass sich Hartmann und Bachhuber auffallend oft die Bälle zuwarfen und über weite Teile die Diskussion dominierten.

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