Es ist idyllisch auf dem Packlhof in Oberherrnhausen. Unterm Nussbaum nimmt der Hausherr Hans Urban Platz. Es sei nicht so, dass er und seine Familie den ganzen Tag dort sitzen würden, sagt der 40-Jährige. Als Bauer habe er gut zu tun. Das scheint ihm indes nicht zu reichen. Urban kandidiert für die Grünen um einen Sitz im Landtag. Er sei schon als Bub politisch interessiert gewesen, erzählt er. Sein Leitspruch lautet: "Tun, was richtig ist." Und zwar täglich, betont Urban.
Unterm Nussbaum sinniert der 40-jährige Öko-Bauer über den Heimatbegriff. "Laptop und Lederhose", wie über Jahre hinweg von der CSU propagiert, hätten für ihn wenig mit Heimat zu tun. "Ich kann doch niemanden vorschreiben, einen Laptop zu haben oder eine Lederhose zu tragen, und wenn er das nicht tut, dann gehört er nicht zu Bayern." Heimat sei für ihn etwas ganz anderes, nämlich Grundrechte zu haben, in einem Rechtsstaat leben zu können. Zu lange habe die CSU über die Ausgrenzung derer, die eben nicht ihrem Heimatbegriff entsprachen, eine Mehrheit für sich beschafft. "Aber dieses Modell zieht nicht mehr", sagt Urban. Nun sei es soweit, dass man auf seine Bürgerrechte aufpassen müsse, denn die AfD reiße den Heimatbegriff an sich.
Hans Urban ist 40 Jahre alt und bewirtschaftet zusammen mit seiner Frau den Packlhof in Oberherrnhausen bei Eurasburg. Bei der Arbeit als Imker findet er Zeit für sich - weil andere die Stiche der Bienen fürchten.
(Foto: Hartmut Pöstges)Aber nicht allein die Tatsache, der AfD Paroli bieten zu wollen, hat Urban dazu bewogen, sich als Direktkandidat aufstellen zu lassen. Sein großes Thema neben der Landwirtschaft ist der Klimaschutz. Wer nach diesem heißen Sommer immer noch nicht begriffen habe, dass der Klimawandel längst angekommen sei, dem sei nicht zu helfen. Beim Individualverkehr, der 50 Prozent des Energieverbrauchs beanspruche, müsse angesetzt werden. "Heutzutage gibt es sogar in kleinen Städten Stau", sagt er mit Verweis auf Wolfratshausen oder Bad Tölz. Aus seiner Sicht könne die logische Konsequenz nur heißen, den öffentlichen Nahverkehr "aus München heraus" umzubauen, also den MVV-Tarif aufs Land auszuweiten und ein Ein-Euro-Ticket einzuführen. Auch Abruftaxis könnten eine Lösung sein, sagt Urban. "Wir brauchen einen öffentlichen Nahverkehr, der bezahlbar und rund um die Uhr verfügbar ist."
Der Flächenverbrauch ist auch ein Thema, das Urban packt. In diesem Bereich müsse vorsichtiger und nachhaltiger agiert werden. Sonst sei der Freistaat irgendwann zubetoniert. Aktiv werden müsse die Politik auch beim Wohnungsbau.
Was die Agrarwende betreffe, so sei jetzt der richtige Zeitpunkt, etwas grundlegend zu ändern. Die Bauern seien unzufrieden, weil sie von ihren Erzeugnissen nicht so leben könnten, wie sie es sich vorstellten. Die Kunden seien unzufrieden, weil sie eine höhere Qualität bei den Produkten vermissten. Das System müsse geändert und die Förderungen umgestellt werden, erklärt der Öko-Bauer. Die Flächenförderung in der Landwirtschaft sei für ihn der komplett falsche Ansatz. Der Bauer müsse dafür finanzielle Leistungen erhalten, weil er Umweltleistungen erbringe, eine ethische Tierhaltung betreibe oder gewisse Anbaukriterien erfülle. Urban geht keinesfalls soweit, dass nur ökologischer Landbau der alleinige Weg sei. Dennoch freue er sich natürlich über jeden Hektar, der nach solchen Standards bewirtschaftet werde. "Aber vorschreiben möchte ich das niemandem. Letztlich geht es in Zukunft um zwei Punkte: die Lebensmittelqualität und die Artenvielfalt."
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Die bayerischen Bauern müssten zudem überlegen, für wen sie in Zukunft produzieren wollen. Urban schwebt vor, dass die Landwirte im Freistaat nicht mehr für den Weltmarkt produzieren. Er bewirtschaftet mit seiner Ehefrau Katharina den Packlhof nach den Kriterien des ökologischen Landbaus. Neben der Pinzgauer-Mutterkuhherde in Erhaltungszucht halten sie Legehennen nach dem Bruderhahnmodell. Das bedeutet, die männlichen Küken werden nicht getötet, sondern gemästet. "Aber der Eierpreis muss die höheren Kosten für die Haltung der Gockel ausgleichen. " Von seinem Vater hat er die hofeigene Bioland-Imkerei geerbt. "Mittlerweile machen mir die Bienen Spaß. Bei ihnen bin ich für mich allein, weil die meisten Angst haben, gestochen zu werden." Blühstreifen auf den Feldern dienen den Insekten als Futterquelle. Wobei Urban darauf verweist, dass das Artensterben zwar gerne an Bienen festgemacht werde, es aber nicht in erster Linie um die Wirtschaftsbiene gehe, sondern um die 900 Arten an Wildbienen.
Sollte er den Sprung in den Landtag schaffen, bleibt das Management des Hofs seiner Frau. Frauen seien eh die tragenden Kräfte in den Betrieben, betont Urban. Für das Bild des starken Mannes, der im Angesicht seines Schweißes mit seinen Händen in der Erde wühlt, hat er nur ein müdes Lächeln übrig.
Seit vier Jahren sitzt Urban für die Grünen im Gemeinderat Eurasburg. Dort habe er sich mittlerweile damit abgefunden, dass er sich Mehrheiten beugen muss. Auf Landesebene soll das anders werden nach der Wahl. Für den Öko-Bauern steht fest, dass ein Wechsel der politischen Machtverhältnisse in der Luft liegt. "Weil es eine Notwendigkeit ist." Es dürfe keine Koalition an den Grünen vorbei geben, betont der 40-Jährige. Eine Zusammenarbeit mit der CSU könne er sich durchaus vorstellen. In dieser Partnerschaft würde um die Zukunft gerungen. Halbherzige Lösungen dürfe es dabei nicht geben.
Ein Video mit Fragen an Hans Urban ist in der Ipad-Version und auf der Online-Seite unter www.sueddeutsche.de/muenchen/wolfratshausen zu sehen.