Landratswahl in Tölz-Wolfratshausen:Heiligs Blechle

Landratswahl in Tölz-Wolfratshausen: Will 2020 Landrätin werden: Neu-Tölzerin Filiz Cetin bei einem Besuch in Wolfratshausen.

Will 2020 Landrätin werden: Neu-Tölzerin Filiz Cetin bei einem Besuch in Wolfratshausen.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Filiz Cetin spricht Schwäbisch und wohnt auch erst seit einem Jahr in der Region. Trotzdem traut die SPD der 43-Jährigen zu, dass sie nächstes Jahr Landrätin wird. Ein Gespräch über Überraschungen in der Kommunalpolitik - und über ihre persönliche Wahlkampfstrategie

Von Florian Zick

Bis zum Termin sind es noch ein paar Minuten, aber Filiz Cetin ist schon da - typisch schwäbisch eben. Und genauso schwäbisch wie ihre Pünktlichkeit ist auch ihre Sprachfärbung. In breitem Göppinger Dialekt erzählt die 43-Jährige, dass sie beim Warten vor der Flößerei kurz getestet habe, ob man sie in Wolfratshausen schon erkennt. Die geborene Schwäbin wohnt schließlich erst seit einem Jahr im Landkreis, will aber schon kommendes Frühjahr für die SPD das Landratsamt in Tölz erobern. Ein hoher Bekanntheitsgrad wäre da sicher hilfreich.

SZ: Frau Cetin, Sie nutzen Ihren Urlaub gerade, um ein bisschen durch den Landkreis zu tingeln?

Filiz Cetin: Ja, ich war zum Beispiel schon bei der Baugenossenschaft in Geretsried und bei der Städtischen Wohnungsbaugesellschaft in Wolfratshausen. Ich habe mit vielen Verbänden und Organisationen, aber auch mit Einzelpersonen Termine ausgemacht. Wenn ich schon mal Urlaub habe, möchte ich das für die Politik nutzen. Während der Arbeit ist das nämlich leider kaum möglich.

Und was sagen die Leute, wo drückt die der Schuh?

Meine Zuhörmeile hat ja gerade erst begonnen. Aber dass es an bezahlbaren Wohnungen fehlt, ist ein offenes Geheimnis.

Haben Sie denn, als Sie hierher gezogen sind, so einfach eine Wohnung gefunden?

Ich habe wirklich Glück gehabt. Als ich hier den Immobilienmakler angerufen habe, hat der mir zwar gesagt: Vergessen Sie's, Sie werden hier nichts bekommen. Und ich habe dann auch tatsächlich schon gedacht, okay, es hilft nix, ich muss mit meinem Sohn die erste Zeit in eine Pension gehen. Aber dann habe ich mir kurz vor Schluss doch noch aus drei Wohnungen was raussuchen können. Ich bin glücklicherweise aber auch nicht auf eine Sozialwohnung angewiesen. Wenn man keinen festen Job hat oder vielleicht nur einen befristeten, dann steht einem der Markt da nicht so offen.

Kommen schon Leute aktiv auf Sie zu und sagen: Mensch, Frau Cetin, ich hätte da ein Problem?

Ja, aber eher in Bad Tölz. Da wohne ich, da bin ich auch öfter unterwegs. Da ist mein Bekanntheitsgrad aktuell ein bisschen höher. Da sprechen mich die Leute auch tatsächlich an, setzen sich zu mir hin und sagen: Mensch, Sie sind doch die Landratskandidatin! Ich finde das richtig schön, dass die Leute das machen.

Filiz Cetin Aufstellungsversammlung

Cetin bei der offiziellen Aufstellungsversammlung Mitte Juli im Tölzer Binderbräu.

(Foto: Manfred_Neubauer)

Was erzählen die Leute dann so?

Die erzählen mir dann was von Tölz oder was aus ihrem Leben. Die wollen jetzt weniger was von mir erfahren, die sprechen eher von sich. Aber das ist prima. Darum geht es mir ja auch: Ich möchte hören, was die Leute bewegt.

Und wie haben die Leute bisher auf Ihren schwäbischen Dialekt reagiert?

Super! Schwäbisch finden die echt klasse. Fast jeder hat auch einen Bekannten oder Verwandten, der mal im Schwoabaländle gearbeitet, dort studiert oder einen anderen Bezug zu Schwaben hat. Ich habe noch keinen getroffen, der da nicht irgendwas erzählen hätte können.

Aber die beiden vorhin draußen vor der Wirtschaft haben Sie nicht erkannt?

Die haben mich nicht erkannt. Die haben mir aber versprochen, das nächste Mal, wenn Sie mich sehen, dann winken Sie mir - so, wie es mir in Tölz mittlerweile schon manchmal passiert.

Dass sie das Kreuzchen bei Ihnen machen werden, haben die beiden aber nicht versprochen?

Versprochen haben sie es nicht, aber der eine hat gesagt: Wenn mein Vater wüsste, dass ich Ihnen so wohlgesonnen bin, uiuiui, der würde sich im Grabe umdrehen.

Wie viel Tölzerin steckt denn mittlerweile in Ihnen? Sie sind ja ein wilder Mix: türkische Eltern, geboren in Schwaben, in Niederbayern gearbeitet - jetzt in Tölz.

"Wilder Mix" finde ich gut - das macht es mir auch leichter. Der Landkreis Tölz-Wolfratshausen ist ja auch ein wildes Gemisch: Wir haben hier viel ländlichen Raum, aber auch größere Städte, dazu viele - ich kann's kaum aussprechen - Zuagroaste. Ich bin deshalb ein Angebot für alle, nicht nur für die Ureinwohner. In mir kann sich jeder ein bisschen wiederfinden.

Dass Ihre beiden Vorgänger auf dem Posten des SPD-Landratskandidaten nicht sonderlich reüssiert haben, ist Ihnen aber bewusst?

Das wir jetzt nicht super abgeschnitten haben, das weiß ich, ja.

Gabriele Skiba hat 2014 für die SPD nur gut sieben Prozent geholt.

Klar, das ist steigerungsfähig. Ich möchte mich jetzt aber auch nicht an früheren Ergebnissen festhalten. Ich möchte den Blick nach vorne richten. Es soll vorwärts gehen, nicht rückwärts.

Da muss man die SPD jetzt aber noch ordentlich aufmöbeln.

Ich glaube nicht, dass man da nur die SPD aufmöbeln muss. Ich möchte ja Landrätin für alle werden, nicht nur für die SPD-Mitglieder. Da gilt es für mich, die Bevölkerung zu mobilisieren. Ich wünsche mir, dass möglichst viele Leute an der Kommunalwahl teilnehmen, nicht nur die Genossen und SPD-Anhänger.

Auf jeden Fall gehen Sie aber als krasse Außenseiterin ins Rennen.

Man weiß es nicht. Vor allem in der Kommunalpolitik ist alles offen, das haben mir auch vergangene Ergebnisse gezeigt. Ich habe zuletzt ja im Landkreis Landshut gelebt. Und in Landshut, da ist der Oberbürgermeister von der FDP. Da war davor 60 Jahre lang die CSU dran. Es ist also nicht so, dass man sagen könnte: nie und nimmer nicht - das geht in der Kommunalpolitik nicht.

In Landshut haben Sie auch selbst ein bisschen Geschichte geschrieben - als erste Kreisrätin dort mit Migrationshintergrund.

Ja, das hat uns alle ziemlich stolz gemacht - mich, meinen Sohn, aber auch den gesamten Landkreis. Es hat zwar lange gedauert, bis es so weit gekommen ist, aber wir haben es geschafft. Und wer weiß, die Bevölkerung hat es in der Hand, dass wir auch in Bad Tölz-Wolfratshausen gemeinsam Geschichte schreiben. Der Landkreis hier ist ja eher traditionell geprägt. Wir können hier Tradition mit Moderne aber verbinden. Und dazu gehört auch, dass man eine Landratskandidatin unterstützt, die Filiz Cetin heißt und die Schwäbisch schwätzt.

Eines Ihrer großen Themen soll der Verkehr sein. Haben Sie sich da schon einen Überblick verschafft?

Ich bin gerade dabei, unter dem Hashtag #filizhoertzu im Internet Erfahrungen einzusammeln, die den ÖPNV betreffen. Aber es wäre nicht seriös, wenn ich mich jetzt hinstellen und sagen würde, ich hätte die Patentlösung. Unterm Strich haben zwar alle Landkreise ähnliche Probleme. Aus Landshut bringe ich da also schon auch Wissen mit. Dennoch ist es nötig, sich die Verhältnisse hier in ihren Nuancen und Schattierungen noch etwas genauer anzuschauen. Nur Schwarz-Weiß, das sind die Probleme - das geht nicht. Ich möchte mir, bevor ich konkret etwas sage, da erst einmal den tatsächlichen Bedarf anschauen.

Sie nutzen Ihren Urlaub also auch, um mal mit dem Bus durch den Landkreis zu gondeln?

Das werde ich diese Woche tatsächlich tun. Wir sind gerade dabei, eine Landkreis-Tour zusammenzustellen. Da werde ich auch mit dem Zug und dem Bus unterwegs sein. Die Wohnungsnot habe ich ja selbst gespürt. Und wenn ich Dinge lesen muss, wie etwa, dass jemand im Auto übernachten muss, weil er sich hier keine Wohnung leisten kann - da ist schon etwas im Argen. Aber auch beim Verkehr: Unser Landkreis kann da mehr. Und dieses Mehr würde ich gerne durch eigene Recherchen herausfinden.

Haben Sie sich von Ihren Gegenkandidaten für das Amt schon ein Bild machen können? Von Josef Niedermaier, von Anton Demmel?

Ich bin ein Mensch, der gerne bei sich ist, jemand, der sich gerne ganz auf seine Aufgaben fokussiert. Insofern war es bisher schwierig, sich mit anderen Personen zu beschäftigen. Ich habe die beiden deshalb tatsächlich auch noch nicht kennengelernt. Aber ich hoffe, dass wir einen sehr erwachsenen Wahlkampf führen werden. Ich halte nichts von diesem aufeinander Losgehen. Ich habe Respekt davor, was bisher hier geleistet worden ist, da haben Leute was bewegt.

Aber muss man in so einem Wahlkampf nicht auch mal den Finger in die Wunde legen?

Natürlich. So lange die Kritik sachlicher Natur ist, ist das ja auch vollkommen okay.

Wie kam es eigentlich zu Ihrer Kandidatur? Ist das die SPD auf Sie zugegangen, Sie auf die SPD?

Zuerst ist die SPD auf mich zugegangen - und dann bin ich auf die SPD zugegangen. Als ich hier angekommen bin, hat mich der Tölzer Ortsverband gleich angeschrieben. Da war ich recht neu, da musste ich mich erst orientieren - es ging einfach nicht. Nach einem halben Jahr habe ich aber gemerkt, okay, ich habe in meinem Beruf alles im Griff, ich weiß jetzt auch, wo in Tölz der Lidl und der Edeka sind, jetzt habe ich Zeit, auch politisch wieder da anzuknüpfen, wo ich in Landshut aufgehört habe. Und zufällig wurde da gerade noch jemand für die Landratskandidatur gesucht.

Wird man Sie im Wahlkampf denn auch mal im Dirndl erleben? Politiker zeigen sich ja gerne mal in Tracht.

Das haben wir jüngst erst besprochen. Ein klassisches Dirndl werde ich nicht anziehen. Ich habe zwar schon einmal eines anprobiert, aber darin habe ich mich nicht wohlgefühlt, da war ich nicht ich. Deswegen wird es mich vielleicht mal in Dirndlbluse geben, aber nicht im Dirndlkleid. Ich komme mir da etwas verkleidet vor - leider.

Und Skifahren waren Sie auch noch nicht.

Nie. Ich habe ja türkische Eltern. Und für die ist Schnee vor allem eines: nass und kalt. Wir waren in meiner Kindheit viel Schlittenfahren. Aber Skifahren? Gar nicht.

Macht es denn aus Ihrer Sicht einen Unterschied, ob ein Mann oder eine Frau im Chefsessel des Landratsamtes sitzt?

Das glaube ich nicht. Aber ich möchte auf jeden Fall, dass mehr als nur 20 Prozent Frauen im Kreistag sitzen. Diese Gremien müssen die Bevölkerung widerspiegeln - vom Alter, vom Geschlecht, von allem her. Ich finde es traurig, dass wir die Kommunalpolitik immer noch zum größten Teil den Männern überlassen. Ich möchte deshalb dazu aufrufen: Liebe Frauen, lasst euch aufstellen. Frauen meinen immer, man müsste da alles wissen, man müsste sich mit einem Flächennutzungsplan auskennen, man müsste einen Bauleitplan lesen können. Aber nein, das braucht es alles gar nicht. Man lernt das - und zwar sehr schnell. Deshalb: keine Angst, keine Scheu. Wir Frauen sind auch sehr leistungsfähig. Ich selbst zum Beispiel bin jetzt seit 13 Jahre alleinerziehend. Ich weiß, wie es ist, streng wirtschaften zu müssen.

Ihr Sohn ist jetzt 16 Jahre alt. Interessiert er sich denn auch schon für Kommunalpolitik?

Oh ja, früher hat er mich sogar erpresst: Wenn ich die Spülmaschine ausräumen muss, dann werde ich irgendwann mal zur CSU gehen, Mama. Aber er steht hinter mir und dem, was ich tue. Auch, wenn ich dann mal nicht so viel Zeit für ihn habe. Aber er ist das ja auch mittlerweile gewohnt, ich bin ja jetzt schon zehn Jahre in der Politik.

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