Süddeutsche Zeitung

Gesundheitspolitik im Landkreis:Landrat sucht Dialog mit Klinik-Personal

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In der Debatte um die Zukunft der Kreisklinik wendet sich Josef Niedermaier nun in einem offenen Brief an die Mitarbeiter - und kündigt ihnen eine Informationsveranstaltung im Spätsommer an

Von Benjamin Engel, Wolfratshausen

Im angekündigten Dialogformat zur Zukunft der Wolfratshauser Kreisklinik setzt Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) mit einem offenen Brief an das Klinik-Personal den ersten Schritt. Darin kündigt er einen Dialog mit den Mitarbeitern und eine Informationsveranstaltung für den Spätsommer an. Zudem bekräftigt der Landrat sein Ziel, am Standort Wolfratshausen eine qualitativ hochwertige stationäre Versorgung sichern zu wollen. Die Bedingung: Der Landkreis müsse sich dies dauerhaft leisten können. Niedermaier wehrt sich indes gegen die Vorwürfe der Wolfratshauser CSU, mit falschen Zahlen zu arbeiten.

Unter den Krankenhaus-Angestellten scheint das Vertrauensverhältnis zum Landrat jedoch teils nachhaltig gestört zu sein. Es sei lobenswert, dass Niedermaier zuerst mit dem Klinik-Personal sprechen wolle, ehe er mit einer breiteren Öffentlichkeit diskutiere, heißt es aus Mitarbeiter-Kreisen. Doch allgemein klingt Enttäuschung durch, was wohl daran auch daran liegt, dass die Vorverhandlungen zur Klinik-Zukunft lange unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden.

Dem Landrat wird in Mitarbeiter-Kreisen zugestanden, mit korrekten Zahlen zu arbeiten. Doch der Bezugszeitraum von 2013 bis heute sei willkürlich gewählt. Seitdem habe die Kreisklinik gGmbH jährlich im Durchschnitt an die eine Million Euro Verlust angehäuft, bis 2012 seit ihrer Gründung aber schwarze Zahlen geschrieben.

Die Debatte um die Zukunft der Kreisklinik sei nicht einfach, aber wichtig und richtig, schreibt Niedermaier. "Ob Sie es mir glauben oder nicht, ich sorge mich um den Gesundheitsstandort Wolfratshausen und kämpfe um seinen Fortbestand", betont er in seinem offenen Brief die Mitarbeiter der Kreisklinik-Gesellschaft. Dazu gehöre auch, die Gesamtsituation zu analysieren und auf Basis der Ergebnisse sowie gesetzten Leitplanken zu handeln. Angesichts der zunehmend schwieriger werdenden strukturellen Rahmenbedingungen gerade für kleinere Krankenhäuser gehe es insbesondere darum, die Voraussetzungen für eine optimale Gesundheitsversorgung im Landkreis zu schaffen.

Die Kreisklinik "mit akut-stationärem Leistungsangebot von hoher Qualität" zu sichern, schließt laut Niedermaier mit ein, sich mit Kooperationspartnern besser abzustimmen - "bei Erhalt der Arbeitsplätze und der Gemeinnützigkeit". Nach massiven öffentlichen Protesten hat der Landrat die Suche nach einem Investor zugunsten des jetzigen Dialogformats vorerst auf Eis gelegt. Bislang hatte nur die Tölzer Asklepios-Klinik Interesse bekundet.

Zur finanziellen Situation der Kreisklinik Wolfratshausen gGmbH legt der Landrat in seinem offenen Brief detaillierte Zahlen für den Zeitraum von 2013 bis einschließlich 2020 vor - diesmal für das Kreispflegeheim und das Krankenhaus, die beide zur gGmbH zählen, separat aufgeschlüsselt. Die Bilanz- und Verlustrechnung weise aber keine getrennten Ergebnisse aus, stellt Niedermaier klar. Von 2013 bis 2020 habe die gGmbH insgesamt 9,86 Millionen Euro Defizit erwirtschaftet. "Eine Summe, die man als rund zehn Millionen Euro bezeichnen kann."

Wer nur die Jahresergebnisse im Krankenhausbetrieb betrachte, komme für denselben Zeitraum auf Verluste von 8,95 Millionen Euro. Selbst wenn die Ergebnisse des Kreispflegeheims ausgeklammert würden (ein Gesamtminus von 917 000 Euro in acht Jahren), bleibe die Tendenz seit 2013 negativ. "Nicht erklärbar ist bei dieser Tendenz die Auffassung, dass sich die Situation der Klinik immer mehr verbessere."

Genau das hatte die Wolfratshauser CSU in einem offenen Brief an den Landrat Mitte Mai konstatiert. Bei seinem Zahlenvergleich mit Aussagen Niedermaiers zur Finanzlage der Kreisklinik war die Ortsverband auf eine Diskrepanz von 650 000 Euro gestoßen. Die hatte der Landrat mit Verweis auf die gemeinsame Veranlagung von Kreispflegeheim und Krankenhaus unter dem Dach der gGmbH erklärt.

Die Defizite im Klinikbetrieb sind von 2,22 Millionen Euro im Jahr 2019 auf knapp 454 000 Euro im Vorjahr zuletzt auffallend gesunken. Die Pandemie-Effekte machten den Geschäftsabschluss von 2020 aber ungeeignet, um allgemeine Tendenzen abzuleiten, so Niedermaier. Im Brief an das Klinikpersonal betont er, den "enormen Gegenwind" ernst zu nehmen und den Dialog suchen zu wollen. Zumindest einige Mitarbeiter hätten sich das viel früher gewünscht. Ein Silberstreif am Horizont mit konkreten Zukunftsoptionen werde vermisst, so heißt es.

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SZ vom 16.06.2021
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