Nur wenige Flüchtlinge aus der Ukraine sind bislang im Landkreis angekommen, angesichts der dramatischen Kriegsentwicklungen bereitet sich das Landratsamt jedoch auf wesentlich mehr vor. Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) lässt deshalb zwei Turnhallen im Landkreis als Unterkünfte herrichten. An die Bevölkerung appelliert er weiterhin, Wohnraum für Geflüchtete bereitzustellen. Prognosen zufolge rechne man mit mindestens 500 Personen in den kommenden zwei Wochen, auch wenn die genauen Zahlen derzeit noch unklar seien, teilte Niedermaier am Montag mit. "Wobei es natürlich auch noch einmal mehr werden könnten."
Mehrere zehntausend Menschen aus der Ukraine sind bereits in Deutschland registriert. Viele Flüchtende kommen über die polnische Grenze nach Berlin. Nach Bayern gelangen die meisten zurzeit über den Grenzübergang Bad Reichenhall im Südosten, um anschließend weiter nach München zu fahren. Die Bezirksregierungen verteilen alle - es sei denn, sie kommen privat unter - auf die Landkreise. Die im Moment vorhandenen dezentralen Unterkünfte in Bad Tölz-Wolfratshausen sind schon fast vollständig belegt. Seit einigen Tagen suchen der Landrat und der Krisenstab der Kreisbehörde daher intensiv nach Unterbringungsmöglichkeiten für aus der Ukraine Geflüchtete. Dafür wurde unter anderem ein Teil der Tölzer Jugendherberge angemietet. Um mehr Wohnraum anzumieten, laufen gerade weitere Gespräche.
Die Einrichtungen werden auch benötigt, um Menschen registrieren zu können, falls dies in der Bundesrepublik noch nicht anderswo erfolgt ist. Das Gesundheitsamt Bad Tölz-Wolfratshausen wird zudem alle Ankommenden per Antigen-Schnelltest auf das Coronavirus testen. Fällt der Nachweis positiv aus, müssen die Infizierten isoliert werden. Auch dafür sind Unterbringungsmöglichkeiten erforderlich. "Ganz gleich, wo die Menschen bei uns unterkommen, sie sollen zumindest etwas Ruhe finden und wieder Kraft schöpfen können, soweit dies unter diesen Umständen überhaupt möglich ist", betont Niedermaier.
Die wenigen Geflüchteten, die bislang im Landkreis eingetroffen sind, kamen laut Pressemitteilung meist privat unter. In den dezentralen Unterkünften des Landkreises hielten sich - Stand Sonntag - sechs Personen aus der Ukraine auf. Doch so wenige werden es kaum bleiben. Landrat Niedermaier appelliert daher insbesondere an die Bevölkerung im Landkreis zu helfen. "Alle, die Wohnraum zur Verfügung stellen können, bitte ich inständig, sich bei uns zu melden." Die Bürgerinnen könnten unter der Mailadresse ukrainehilfe@lra-toelz.de Gästezimmer, Appartements und Wohnungen melden (Informationen unter lra-toelz.de/ukrainehilfe). Das Landratsamt sammelt und prüft die Angebote, meldet sich nach Bedarf bei den Anbietern. "Ganz, ganz herzlichen Dank an alle, die schon eine Bleibe angeboten haben. Bis Montagmorgen waren es 160 Plätze", so der Tölzer Landrat.
Gleichzeitig sollen Turnhallen als Unterkünfte dienen. Solch große Einheiten seien zwar unter den jetzigen Pandemie-Bedingungen nur bedingt geeignete Mittel, räumt Niedermaier an. Doch andererseits sei eine sehr hohe Zahl an Flüchtenden prognostiziert. Derzeit bereitet der Landkreis die städtische Turnhalle am Geretsrieder Schulzentrum in der Adalbert-Stifter-Straße als Unterkunft vor. Für den Schulsport sollen die Kinder und Jugendlichen auf die weiteren Dreifachturnhallen dort ausweichen. "Die betroffenen Vereine bitte ich um Verständnis und um ihre Solidarität", sagt der Landrat. Kommende Woche soll auch die Turnhalle am Tölzer Gabriel-von-Seidl-Gymnasium als Aufnahmezentrum für Flüchtende eingerichtet werden. Das Landratsamt hat darüber die beiden Städte bereits informiert, so Niedermaier.
Unter den Flüchtenden aus der Ukraine sind nach Informationen der Kreisbehörde zu zwei Dritteln Frauen und Kinder. Hinzu kommen auch junge Menschen aus Afrika, die in der Ukraine gelebt haben und integriert waren. Die geflüchteten Ukrainer, beziehungsweise diejenigen mit einem Aufenthaltstitel für dieses Land, haben den Rechtsstatus als Kriegsflüchtlinge, nicht als Asylbewerber. Die Kreisbehörde weist darauf hin, dass die Geflüchteten Ansprüche auf Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz hätten. "Als solche erhalten sie die Möglichkeit, in Deutschland zu leben und zu arbeiten", heißt es.