Landkreis:Polizei entkräftet Gerüchte über Flüchtlinge

Notfallplan Asyl, Flüchtlinge Asylbewerber

Bis zum nächsten Jahr könnte sich die Zahl der Flüchtlinge im Landkreis auf 2000 verdoppeln. Viele Städte und Gemeinden planen neue Unterkünfte

(Foto: M. Neubauer)

Von den 2124 Tatverdächtigen des vergangenen Jahres waren 78 Asylbewerber. Die meisten haben sich untereinander geprügelt - etwa, weil sich einer beim Essen vorgedrängelt hat.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Josef Niedermaier (FW) brachte die Sicherheitslage im Landkreis auf eine leicht missverständliche Formel. "Wir haben eine erfreuliche Verbrechenslage", sagte der Landrat bei der Vorstellung der Polizeibilanz für das vergangene Jahr im Tölzer Landratsamt. Mit lediglich 3324 Straftaten pro 100 000 Einwohner hat Bad Tölz-Wolfratshausen die niedrigste Kriminalitätsrate unter allen neun Landkreisen und der Stadt Rosenheim, für die das Polizeipräsidium Oberbayern Süd zuständig ist. Im Schnitt lag sie dort bei 4150 Delikten. "In unserem Zuständigkeitsbereich ist das der sicherste Landkreis", sagte Robert Kopp, Leiter des Polizeipräsidiums. Daran ändert auch die Aufnahme von Asylsuchenden nichts. Lediglich 78 der insgesamt 2124 Tatverdächtigen seien Zuwanderer gewesen, sagte Kopp.

Entschieden trat der Polizeipräsident üblen Gerüchten entgegen, die in sozialen Medien wie Facebook oder Twitter über Flüchtlinge gestreut werden. Da sei die Rede von Massenvergewaltigungen oder davon, dass die Polizei wegen der vielen Ladendiebstähle durch Asylsuchende schon gar nichts mehr unternehme. "Das sind irre Dinge, die hier verbreitet werden", sagte Kopp und kündigte an, dass sein Präsidium solch falschen Behauptungen in den sozialen Medien entgegentreten werde. Sie sind für ihn auch ein Grund für die Diskrepanz zwischen objektiver und gefühlter Sicherheit in der Bevölkerung. Vor allem seit den Ereignissen der Silvesternacht in Köln verzeichnet das Polizeipräsidium seinen Worten zufolge vermehrt Anträge auf den kleinen Waffenschein, beispielsweise für Tränengasspray.

Einen Grund für diese Besorgnis liefert die Statistik der Polizei nicht. Die Delikte, die von Asylbewerbern oder Flüchtlingen begangen wurden, spielten sich meist in den Gemeinschaftsunterkünften oder untereinander auf der Straße ab. 45 der 78 Tatverdächtigen wurden handgreiflich und begingen Körperverletzung. Etwa dann, wenn jemand zu laut Radio hörte, sich in der Warteschlange beim Essen vordrängelte oder Widerstand gegen die Polizisten leistete. Drei der 23 Sexualdelikte im Kreis gingen auf das Konto von Zuwanderern. 2015 kam es zu zwei Vergewaltigungen, in einem Fall an einer 18-Jährigen auf der "Mexican Night" in Sachsenkam, in dem die Polizei gegen einen Straubinger ermittelt. Der zweite Fall geschah in einer Asylunterkunft in Wolfratshausen.

Voriges Jahr mussten die Gesetzeshüter im gesamten Gebiet des Polizeipräsidiums insgesamt 1701 Mal zu Unterkünften für Flüchtlinge fahren, im Jahr zuvor waren es 678 Einsätze gewesen. Das liegt am starken Anstieg der Flüchtlingszahlen. Zwischen Icking und Lenggries blieb es mit 116 Einsätzen auffallend ruhig. Es sei oftmals aufsehenerregend, wenn drei, vier Polizeiautos zu den Unterkünften fahren, sagte Jürgen Thalmeier, Pressesprecher des Polizeipräsidiums. In Wirklichkeit gehe es dort dann aber meist um Kleinigkeiten.

Die im Vergleich mit anderen Landkreisen niedrige Zahl an Einsätzen erklärte Michael Foerst mit der Arbeit der Security, die aus dem Kreishaushalt bezahlt wird. "Wir sind froh, dass professionelle Sicherheitsdienste tätig sind, die bei sich anbahnenden Konflikten die Luft rausnehmen können, was sie gut machen", sagte der Sozialamtsleiter im Landratsamt. Dem stimmte Kopp zu: Würden Konflikte verbal entschärft, "müssen wir uns nicht mit den Folgen beschäftigen".

In absoluten Zahlen verzeichnete die Polizei 4119 Straftaten im Landkreis und damit den zweitniedrigsten Wert seit 2005. In der Straßenkriminalität wie Sachbeschädigung, Autoaufbruch oder Körperverletzung im öffentlichen Raum gab es 739 Fälle, 552 weniger als noch 2007. In der Gewaltkriminalität zählte die Polizei 102 Straftaten, 59 weniger als 2009. Die Aufklärungsquote lag hier bei 88 Prozent. Deutlich zurückgegangen sind Delikte, die von Jugendlichen im Alter bis zu 21 Jahren begangen wurden. Ihr Anteil an den Verdächtigen verringerte sich um zwölf auf 20 Prozent. Niedermaier und Kopp führten dies auf die Alkohol-Prävention zurück. Sein Eindruck sei, dass das Komasaufen unter jungen Leuten "nicht mehr so populär ist, zumindest sieht man es nicht mehr so", sagte der Präsidiumschef.

Mehr Unfälle, weniger Tote

Die Zahl der Verkehrsunfälle ist im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen im vergangenen Jahr um 5,8 Prozent gegenüber 2014 gestiegen. Dies teilte Robert Kopp, Leiter des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, beim Sicherheitsgespräch im Tölzer Landratsamt mit. Insgesamt krachte es 3428 Mal auf den Straßen zwischen Icking und der Jachenau. Den Anstieg erklärte Kopp mit den zunehmenden Kfz-Zulassungen und dem Anstieg der gefahrenen Kilometer. Bei den Unfällen starben im Vorjahr vier Menschen, allesamt waren Autofahrer. 2014 waren es noch elf Verkehrstote gewesen. Die Zahl der Verletzten blieb mit 724 exakt gleich. Dies sei beide Male der niedrigste, respektive mit der niedrigste Wert seit zehn Jahren, sagte Kopp.

130 Verkehrsteilnehmer wurden bei Unfällen durch zu hohe Geschwindigkeit verletzt, dies sind 22 weniger als im Jahr zuvor. Dagegen stieg die Zahl der Verletzten durch alkoholbedingte Unfälle um elf auf 62 an. Alles in allem seien dies "akzeptable Zahlen", sagte der Leiter des Polizeipräsidiums. sci

Rückläufig ist auch die Zahl der in den letzten fünf Jahren stark angestiegenen Wohnungseinbrüche im Landkreis, die von 64 auf 45 erstmals wieder sank. In zwei Dritteln der Fälle suchten sich die Einbrecher ein Objekt in Wolfratshausen, Geretsried oder Bad Tölz aus. "Wir haben den Trend gestoppt", sagte Kopp. Im Polizeipräsidium führt man dies auf die verstärkte Aufklärungsarbeit und häufigere Streifenfahrten zurück. Entwarnung mochte Kopp aber nicht geben: "Wir bleiben am Ball."

Mit Großveranstaltungen wie der Tölzer Leonhardifahrt oder dem Faschingszug Reichersbeuern mit gut 33 000 Besuchern hatte die Polizei keinerlei Probleme. Kopp lobte die gute Vorbereitung der Einsätze mit dem Landratsamt und den Veranstaltern. Dem schloss sich Niedermaier an: Der Verein "Reichersbeurer Faschingszug" habe sich perfekt verhalten und auch unangenehme Auflagen umgesetzt.

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