Landkreis:Notstand in der Kurzzeitpflege

Weil es kaum Plätze gibt, können pflegende Angehörige ihre Lieben nur schwer unterbringen und sich eine Auszeit nehmen. In Bad Tölz entstehen nun 18 Plätze an der Schützenstraße - allerdings in der Tagespflege.

Von David Costanzo und Alexandra Vecchiato

Waschen, füttern, vorlesen, 365 Tage im Jahr, 24 Stunden am Tag: Viele Frauen und Männer pflegen ihre Lieben rund um die Uhr. Pause? Mal ins Café gehen? Urlaub machen? Selbst krank werden? Wer soll sich denn dann kümmern? Die Seniorenberaterin des Landkreises, Christiane Bäumler, kennt solche aufopferungsvollen Angehörigen, die sich kaum eine Auszeit nehmen können. "Sie geraten unter Dauerstress - und das ist auch nicht gesund." Ingrid Krafft-Otto, die einen ambulanten Pflegedienst in Lenggries betreibt, formuliert es noch drastischer: "Die Angehörigen sind oft am Ende."

Entlastung gibt es kaum. Die Kurzzeitpflege könnte Angehörigen ein oder zwei Wochen Auszeit verschaffen, wenn sie selbst einmal ins Krankenhaus müssen oder gern in Urlaub fahren wollen. Doch im Landkreis gibt es zu wenig Plätze in diesem Bereich, sagt Seniorenberaterin Bäumler. Und die Lage spitzt sich weiter zu.

In der Tagespflege wiederum können Pflegebedürftige zumindest einen Tag betreut werden, während sich die Angehörigen ein paar Stunden um sich selbst kümmern. Auch in diesem Bereich fehlten besonders im Südlandkreis nach wie vor Angebote, sagt die Seniorenberaterin. Doch zumindest bei der Tagespflege zeichnet sich eine Verbesserung ab: In Bad Tölz entstehen im kommenden Jahr bis zu 18 Plätze im Neubau an der Schützenstraße, meldet die Stadt.

Pflege

Das ewige Streitthema: Wie ernst nehmen die Betreiber von Heimen ihre Aufgabe - dass sie es nicht mit Rollstühlen, sondern mit Menschen zu tun haben?

(Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Nach mehr als fünf Jahren der Planung haben die Pflegedienst-Betreiberinnen Ingrid Krafft-Otto und Birgit Gahler-Schäffler den Pachtvertrag beim Bauherrn Hörmann unterschrieben. Die Arbeiten laufen wegen des nicht sehr winterlichen Wetters weiter, das Erdgeschoss steht schon. Ende 2017 soll die Einrichtung auf 250 Quadratmetern öffnen - mit Empfangsbereich, Aufenthalts- und Essensräumen und Küche. Montags bis freitags von 7.30 Uhr bis 16.30 Uhr will die Station Betroffene in Obhut nehmen. "Dann können die Angehörigen auch einmal einen Tag in Ruhe für sich verbringen", sagt Krafft-Otto. Ausspannen, Kraft tanken, endlich Freunde treffen - oder selbst zum Arzt gehen. Schließlich seien pflegende Ehepartner oft schon im höheren Alter.

In der Tagespflege, die neben dem Mehrgenerationenhaus entsteht, soll es nicht wie im Krankenhaus aussehen. Stattdessen wird es Terrassen und Sitzgruppen für die Besucher geben. Der Tag beginnt mit dem Frühstück, Mittagessen darf ausgewählt werden, nachmittags gibt es Kaffee und Kuchen. Jeder Betroffene mit Pflegestufe dürfe von der Kasse aus ein gewisses Budget an Tagespflege in Anspruch nehmen. Im kommenden Jahr seien neue Tarife geplant, sagt Krafft-Otto, darum könne sie noch nicht sagen, ob es eine eigene Zuzahlung geben und wie hoch sie ausfallen werde. Einzelne Angebote gab es zuletzt nur in Benediktbeuern, Geretsried und Wolfratshausen, heißt es im Landratsamt.

Landkreis: So soll der Neubau an der Tölzer Schützenstraße aussehen: Im Erdgeschoss kommt auf 250 Quadratmetern eine Station zur Tagespflege unter.

So soll der Neubau an der Tölzer Schützenstraße aussehen: Im Erdgeschoss kommt auf 250 Quadratmetern eine Station zur Tagespflege unter.

(Foto: Hörmann Hausbau/oh)

Die neue Tagespflege ist aber nicht mit der Kurzzeitpflege zu verwechseln, die pflegende Angehörige mehrere Tage entlasten würde. Hier klafft derzeit eine Lücke: 169 vollstationäre Pflegeplätze sind im Landkreis zuletzt weggefallen - unter anderem, weil das Heim Riedhof in Egling schließen musste, das Schlehdorfer Haus erst neu gebaut wird und in der Pflegeeinrichtung "Zum Jaud" in Bad Heilbrunn weniger Plätze als im Vorgänger "Alpenhof" zur Verfügung stehen. Doch der Bedarf an diesen Plätzen ist nach wie vor vorhanden, stellte zuletzt auch der Sozialausschuss des Kreistags fest. Standen im Seniorenpolitischen Gesamtkonzept des Landkreises im Jahr 2012 noch 1121 Pflegeplätze, sind es laut Sachgebietsleiterin im Landratsamt Bäumler derzeit nur 952.

Unter diesen finden sich auch jene 34 Plätze der Kurzzeitpflege, denn diese sind nur "eingestreut", wie es in der Fachsprache heißt. Will heißen: Die etwas mehr als ein Dutzend Heime können sie auch an Langzeitbewohner vergeben, und das tun sie auch. Denn der Verwaltungsaufwand ist unabhängig vom Aufenthalt gleich umfassend - Aufnahmeverfahren, Vertrag, Pflegebedarf, Unterlagen. "Wir wissen, dass viele Plätze langfristig vergeben sind", sagt Christiane Bäumler. Plätze, die wirklich nur zur Kurzzeitpflege bereitstehen, gibt es ganze sieben im gesamten Landkreis.

Die Konsequenz: Angehörige müssen ihre Auszeit neben der aufopferungsvollen Pflege monatelang im Voraus planen. Auch die Seniorenberaterin Bäumler kann ihnen nur empfehlen, den gesamten Landkreis abzuklappern und sämtliche Heime weit darüber hinaus. Wenn sie nicht fündig würden, müssten Angehörige improvisieren - mit häufigeren Besuchen des ambulanten Pflegedienstes oder der Tagespflege. Manchmal komme auch das Schicksal auf makabere Weise zu Hilfe: Wenn ein Pflegebedürftiger im Heim sterbe, könne es sein, dass ein Kurzzeitpflegeplatz auch einmal ganz kurzfristig frei werde.

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