Süddeutsche Zeitung

Handwerk in Bad Tölz-Wolfratshausen:Mit Fleiß ganz an die Spitze

Drei junge Menschen im Landkreis sind kürzlich mit der Auszeichnung "Top-Azubi" der IHK für München und Oberbayern als Beste in ihren Berufen ausgezeichnet worden. Ihre Lebenswege könnten dabei nicht unterschiedlicher sein

Von Julia Graber

Ramona Albrecht, Matthias Bischl und Eray Gezici sind drei von 350 Auszubildenden aus dem Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen, die kürzlich ihre Abschlussprüfung angetreten haben. Die drei Azubis konnten dabei mit Bestnoten abschneiden, als Belohnung gab es für sie die Auszeichnung "Top-Azubi" der IHK. Im Gespräch mit der SZ erzählen sie, wie man einen Beruf findet, bei dem man es ganz nach vorne bringen kann, und wie es nun für sie weitergeht:

Ramona Albrecht

Dass ihr "das Praktische doch mehr liegt als das Theoretische", war eine zentrale Erkenntnis für Ramona Albrecht, die sie während der Fachoberschule (FOS) gewonnen hat. Dies prägte ihre Entscheidung, eine Ausbildung zur Technischen Produktdesignerin zu beginnen, die Albrecht bei Dorst Technologies in Kochel am See absolvierte. "Ich fühle mich geehrt, dass ich diesen Titel tragen darf", sagt Albrecht über die IHK-Auszeichnung. Doch für ihre guten Leistungen musste sie hart arbeiten. Die 22-Jährige machte zunächst die Mittlere Reife und besuchte dabei den gestalterischen Zweig. "Hier hatten wir schon CAD-Zeichnen, worum es in unserem Beruf jetzt oft geht", sagt Albrecht. CAD bedeutet "Computer Aided Design", also computergestütztes Konstruieren. "Danach bin ich noch auf die FOS gegangen, weil ich nach der Realschule nicht genau gewusst habe, was ich jetzt will." Daher entschied sich Albrecht auch für den Wirtschaftszweig, denn "da stehen einem mehr oder weniger noch alle Türen offen". Die FOS beendete sie mit dem Fachabitur. Dass ihr das Praktische mehr zusagte, merkte sie durch den Wechsel zwischen Praktikum und Schule. Daher entschied sie sich gegen ein Studium und für eine Ausbildung. In ihrem Beruf verbringt man viel Zeit mit einem CAD-Programm, in welchem Bauteile in 3-D konstruiert werden. "Daraus erstelle ich dann die 2-D-Zeichnungsableitung zum Bauteil", erklärt Albrecht. Die Aufgaben erhält sie von den Konstrukteuren. Für die Ausbildung sollte man ihr zufolge über ein mathematisches Grundverständnis verfügen und räumliches Denken beherrschen. "Trotzdem ist der Beruf kreativ, da wir auch unsere Ideen mit einbringen können", sagt Albrecht.

Die Ausbildung unter Corona-Bedingungen abzuschließen, war eine Umstellung für sie. Während der Arbeitsalltag weitgehend normal verlief, wurde der Unterricht in der Berufsschule auf Homeschooling umgestellt. "Dies klappte aber ganz gut, denn zuhause war man ungestörter", sagt Albrecht.

Für die Zukunft hat die 22-Jährige große Pläne, denn sie will an die Technikerschule in München. Wenn sie diese abgeschlossen hat, dann ist sie selbst Konstrukteurin. Jungen Leuten, die sich noch unschlüssig über die berufliche Zukunft sind, gibt Albrecht folgenden Ratschlag mit: "Man muss etwas finden, was einem Spaß macht, dann ist es deutlich leichter, früh aufzustehen. Sonst wird die Arbeit zur Qual."

Matthias Bischl

Von 2009 bis 2011 gewann Matthias Bischl jährlich den City-Biathlon von Garmisch-Patenkirchen, zusammen mit Magdalena Neuner. Nach der Saison 2017/2018 gab der junge Athlet jedoch seinen Rücktritt bekannt und entschloss sich zu einer Ausbildung zum Technischen Produktdesigner bei Dorst Technologies in Kochel am See. "Vor diesem Wechsel hatte ich viel Respekt", sagt Bischl, denn für die Ausbildung hieß es nun auch Zeit am Schreibtisch zu verbringen. Aber "der Wechsel war viel besser, als ich gedacht habe, und es macht mir richtig Spaß." Geprägt von seinem sportlichen Ehrgeiz schaffte er es erneut bestens abzuschneiden, denn er folgt dem Motto: "Wenn ich was mache, dann mache ich es gescheit." Über die Ehrung zum Top-Azubi freut sich Bischl sehr, denn "eine Auszeichnung ist immer was Guats". Auch die Prüfungsvorbereitung war für ihn "ganz gut machbar". Bischl absolvierte die Mittlere Reife, danach widmete er sich dem Spitzensport. "Das ist aber nur bis zu einem gewissen Alter machbar", erklärt der 33-Jährige. "Danach war klar, dass ich einen Beruf machen möchte. Auf der Realschule war ich im Mathezweig, da hatte ich technisches Zeichnen, was mich damals schon interessierte", sagt er. Seinen Arbeitsalltag findet Bischl abwechslungsreich, denn die Arbeitsaufgaben seien breit gefasst.

Da Bischl von Februar 2022 an auf die Technikerschule in München geht, für die ein Jahr Berufserfahrung nötig ist, verkürzte er seine Ausbildung um ein Jahr. Daher traf ihn die Corona-Situation in der Ausbildung glücklicherweise nur gering. "Den Fachkräftemangel bekommt man überall mit", sagt Bischl. "Aber ich komm' aus dem ländlichen Raum, und da wollen sich die jungen Leute noch zum Zimmerer, Schreiner oder Maurer ausbilden lassen." Allen Schulabsolventen legt der 33-Jährige ans Herz: "Von Anfang an Gas geben, damit die Lücken im Lebenslauf nicht zu groß werden. Denn dann hat man auch bessere Chancen im Berufsleben."

Eray Gezici

"Das Endergebnis überraschte mich dann doch", sagte der 20-jährige Eray Gezici, als er von der IHK zum "Top-Azubi" ausgezeichnet wurde. Die Ausbildung absolvierte Gezici bei Sitec Aerospace in Bad Tölz. Hier ließ er sich zur Fachkraft für Metalltechnik in der Fachrichtung Montagetechnik ausbilden. Da er viel mit seinem Ausbilder übte, war ihm bewusst, dass er die Ausbildung gut abschließen würde; dennoch: "Die Auszeichnung war eine schöne Überraschung", sagte Gezici. Auch der 20-Jährige bezeichnet sich nicht als "Naturtalent", sondern schließt seinen guten Abschluss auf das viele Üben und spricht an dieser Stelle ein großes Lob an seinen Ausbilder aus.

Seine Schulzeit beendete Gezici mit dem Realschulabschluss. Eigenen Angaben zufolge wollte er seit jeher in diesen Berufsbereich. Bereits in seiner Kindheit bemerkte Gezici sein Interesse am Montieren, beispielsweise beim Möbelaufbauen mit seinem Vater. Im Internet sah er die Anzeige zur Ausbildung und bewarb sich kurzerhand. Auch die Nähe von Wohnort und Arbeitsstelle war ausschlaggebend für diese Entscheidung. Gezici fängt morgens zwischen 6 und 8 Uhr an. Dann schaut er, welche Aufträge anstehen. Die Firma stellt Flugzeugteile her und im Moment arbeitet Gezici an Flugzeugdämpfern in der Abteilung Hydraulik. Diese werden für große Unternehmen hergestellt. Für die Ausbildung findet Gezici Mathe besonders wichtig. Das Fach Bauelement war ebenso relevant, denn hier lernt man das Zeichnungslesen. Das Lesen und Verstehen der Zeichnungen ist elementar für die Arbeit als Fachkraft für Metalltechnik mit der Fachrichtung Montage. Da die Herstellung von Flugzeugteilen nach strikten Vorgaben läuft, ist hier kein Platz für die eigene Kreativität. "Denn sonst besteht Lebensgefahr" für die Passagiere", sagt Gezici mit einem Augenzwinkern. Gezici findet seinen Beruf eher von Männern dominiert. Dies rühre aber auch daher, dass die Teile recht schwer sind. Ein fertiges Hauptfahrwerk wiegt zwischen 30 bis 32 Kilo. Dieses besteht aus drei Einzelteilen: Rahmen, Schwinge und Viskosedämpfer.

Aktuell will Gezici "erst einmal arbeiten und Geld verdienen". Vor dem Ausbildungsbeginn absolvierte Gezici ein Praktikum. "Dadurch habe ich gesehen, dass es das richtige für mich ist. Hier sieht man wirklich, was im Beruf gemacht wird." Alle unschlüssigen Menschen können sich daher nach einem Praktikum besser entscheiden, findet Gezici. Diese Erfahrung möchte er anderen gerne mitgeben.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5496871
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 29.12.2021
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.