Landgericht München:Rentner fällt auf Millionenbetrug herein

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Schulden statt Millionen: Ein Rentner aus Geretsried fällt auf eine besonders dreiste Betrügerbande herein und verliert sein Vermögen. Einer der Täter steht vor Gericht. Doch der Prozess gegen ihn ist mühsam.

Von Wolfgang Schäl, Geretsried

Die Frage wird wohl auch am Ende des Prozesses unbeantwortet bleiben, was da größer war: die dreiste Raffgier einer von der Türkei aus agierenden Betrügerbande oder die nur schwer nachvollziehbare Arglosigkeit eines Geretsrieder Rentners, der um seine gesamten Ersparnisse geprellt wurde und sogar noch einen hohen Kredit aufnahm. Der Gesamtschaden, der ihm entstanden ist: aberwitzige 291 000 Euro.

Vor dem Münchner Landgericht steht jetzt der 34-jährige Mahmut T., der als Geldabholer fungierte und bei seinem dritten und letzten Versuch, dem 75-Jährigen noch einmal 35 000 Euro abzuknöpfen, geschnappt wurde.

Welche Rolle Mahmut T. in der Betrügerbande genau spielte, ob er wirklich nur Bote war oder selbst zu den Drahtziehern zählt, muss das Gericht in mühsamer Ermittlungsarbeit herausbekommen. Denn das Angebot, gegen einen spürbaren Strafnachlass ein möglichst "werthaltiges", die Hintergründe beleuchtendes Geständnis abzulegen, lehnte der Angeklagte ab - er verweigert die Aussage. Allerdings hatte die Staatsanwaltschaft schon vorab festgestellt, sie könne sich auch im Falle eines pauschalen Geständnisses keine Freiheitsstrafe unter vier Jahren vorstellen.

Begonnen hatte der Betrug am 28. Januar vergangenen Jahres mit einem Anruf aus einem jener Callcenter, die sich auf ältere Menschen spezialisieren. So meldete sich auch bei dem jetzigen Opfer, Klaus M. (Name geändert) aus Gartenberg telefonisch ein Mann, der sich als "Staatsanwalt Dr. Schneider" aus Berlin ausgab, und Klaus M. vorgaukelte, dieser habe bei einer Gewinnziehung der "EuroWin-TR" eine Summe von 2,105 Millionen "abzüglich Steuern und Überführungskosten" in Höhe von 180 000 Euro gewonnen. Bei der Gelegenheit erkundigte sich der Anrufer auch nach den Vermögensverhältnissen und Bankverbindungen, die M. bereitwillig preisgab.

Zahlungen ohne Ende

In der Folgezeit riefen außerdem ein vermeintlicher "Herr Berger" und viele Male ein Mann an, der sich als Mitarbeiter der erfundenen Staatsanwaltschaft vorstellte und vorgab, "Dr. Beam" zu heißen. Er erklärte dem Rentner, im Rahmen eines in der Türkei geführten Ermittlungsverfahrens seien Gewinne aus Straftaten abgeschöpft worden, und daraus leite sich der Gewinnanspruch von Klaus M. ab. Um den Transfer des Geldes aus der Türkei zu ermöglichen, müsse M. in Vorleistung treten. Weil der Rentner einen Anteil von fünf bis zehn Prozent an Steuern und Gebühren für realistisch hielt, ließ er sich auf Zahlungen ohne Ende ein: Von Februar bis August 2013 überwies M. sieben Mal Beträge zwischen 2000 und 6000 Euro, obwohl er nie an einer Lotterie teilgenommen hatte.

Mit diesen Beträgen gaben sich die Betrüger aber nicht zufrieden. Sie schickten zur Wohnung des Opfers den erwähnten "Dr. Klein" sowie den Angeklagten Mahmut T., der sich wiederum als ein "Herr Rodrigues" vorstellte, nach Aussage des Opfers sehr gepflegt wirkte und stark nach Parfüm roch. An den ominösen Herrn Klein übergab Klaus M. 70 000 Euro in bar an der Haustür, an Mahmut T. alias Herr Rodrigues einmal 110 000 Euro und einmal 84 000 Euro, jeweils in bar in einem Briefumschlag und ohne Quittung. Um sich zu legitimieren, hatten die Boten mit Mr. Beam jeweils ein Codewort ausgemacht, das sie dem Geschädigten sagten. Der war damit zufrieden. Für den letzteren Betrag hatte M. einen Kredit in Form einer Hypothek auf sein ererbtes Haus aufnehmen müssen.

Zunehmend wurde es dem Rentner dann aber unheimlich und er schaltete die Kripo ein: Beim letzten Besuch des wohlriechenden Herrn Rodrigues gab es statt der erwarteten 35 000 Euro dann nur noch Handschellen. Der Versuch der Kripo, über Handydaten die Drahtzieher in der Türkei zu ermitteln, blieb bislang erfolglos, sein Geld wird Klaus M. kaum je wiedersehen. Der Rentner hat es nach eigenen Worten schon abgeschrieben. Er gab sich gleichwohl gelassen. Er habe zwar schon "ein ungutes Gefühl" bei der Sache gehabt und sehe ein, dass er da "Bockmist gebaut" habe. Er habe aber bis zuletzt gehofft, "dass ich den Gewinn noch empfange". Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 14.11.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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