"Literarisches Wirtshaus":Im Abgang nachtragend

Literarisches Wirtshaus

Gerhard Polt grantelt beim Lacherdinger nicht mit der sonst von ihm gewohnten Vehemenz.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Ein ungewohnt verhaltener Gerhard Polt schlürft beim Lacherdinger am "Boschole" und erzählt von der "Entratzifizierung" einer Metzgerei

Von Benjamin Emonts

Der Sandkuchen geht immer - natürlich hebt man sich so ein Schmankerl bis zum Schluss auf. Polt, noch ein kleiner Bub, ist also bei Frau Haberl, der Mutter von seinem Spezl Mane zu Besuch. Die Frau meint es gut mit ihm und reicht ein extra großes Stück ihres berüchtigten Sandkuchens. Polt nimmt einen großen Brocken in den Mund und ist "schwer beschäftigt". Verzweifelt presst er die Lippen zusammen und atmet flach, um nicht den Puderzucker in die Luftröhre zu kriegen. "Und, schmeckts?", fragt Frau Haberl. "Du hast mir ja gar nicht gesagt, dass du so gerne den Sandkuchen magst." Der unausweichliche Hustenanfall lässt den Sand aus seinem Gesicht auf den unechten Perserteppich und das Canapé fallen. Als der kleine Polt bleich von der Toilette zurückkommt, gibt ihm Frau Haberl den restlichen Sandkuchen auch noch mit nach Hause. Er solle ihn dort sofort verzehren, sagt sie. "Sonst wird er noch trocken."

Bei seinem Auftritt im Landgasthof Lacherdinger flutscht der Abgang mit dem Sandkuchen deutlich besser als in der Kindheitsgeschichte Polts. Das Publikum, ganz schadenfroh, lacht sich kaputt über den armen Jungen, dem der etwas trocken geratene Kuchen buchstäblich im Halse stecken bleibt. Die Stimmung in der Wirtsstube ist an diesem Punkt am besten. Zuvor war sie über weite Strecken eher verhalten dafür, dass kein geringerer als der große Gerhard Polt da steht.

Polt ist an diesem Abend die Gelassenheit in Person, von Aufregung ist bei ihm wenig zu spüren. Noch kurz vor seinem Auftritt sitzt der Satiriker völlig entspannt in einem Vorraum und ratscht mit Wirt Robert Riedl. Auf die Bühne schlurft er gemächlich mit dicken Winterstiefeln und Wollpullover. Er gönnt sich einen Rotwein, einen "Boschole", wie er so schön sagt. Der Franzos habe die Gärungsprozesse des Weins ja quasi im Blut, "guillotinistisch". Aber Obacht: Der Boschole sei im Abgang sehr nachtragend.

Weniger Inbrunst

Polt stimmt an diesem Abend, der zur Reihe "Literarisches Wirtshaus" gehört, etwas ruhigere Töne als sonst an. Er grantelt nicht mit der Vehemenz, die man von ihm gewohnt ist. Seine Derbheit hat weniger Inbrunst. Besonders im ersten Teil des Auftritts ist die Stimmung im Publikum dementsprechend verhalten. Wenn seine Begleiter Michael und Matthias Well mit Quetschn, Geige und Drehleier ihre ausgezeichneten musikalischen Zwischeneinlagen beendet haben, ist der Applaus deutlich lauter als nach Polts Geschichten. Ein Besucher sagt in der Pause, "dem Polt fehlt heute irgendwie das Feuer". Ganz Unrecht hat er damit nicht.

Dennoch ist der Abend gelungen: Ein Polt, der nicht in Bestform auftritt, ist eben immer noch gut. Besonders nach der Pause fängt der Kabarettist das Publikum immer mehr ein. Polt erzählt die Geschichte vom Terrier Burli, der die verantwortungsvolle Aufgabe hat, in der Metzgerei eine Ratte zu jagen, sozusagen als "Entratzifizierung". So ein "Ratz" in der Metzgerei werfe schließlich immer Fragen auf. Der Lehrbub bringt das Tier mit einem gezielten Wurf mit dem Wagenheber schließlich zur Strecke und befördert es schnurstracks ins "Haschee". So geht das Gerücht. "Und die sind ja bekanntlich überhaupt nicht totzukriegen."

Später schlüpft er herrlich in die Rolle einer dümmlichen Radiomoderatorin, die ihn selbst, den "Alkohol-Sportler", zum Thema Trinken interviewt und allerlei unsinnige Anglizismen verwendet. Der Hang zum Saufen des bayerischen Spießbürgers ist ja durchaus ein Thema, das bei Polt immer wiederkehrt. Auf die sorgenvollen Fragen der Moderatorin geht der Trinker freilich gar nicht erst ein. Ob der saufende Vater nicht ein Trauma bei ihm ausgelöst habe? Nein, er habe den Traum einer Kindheit gehabt, weil er von der Mass des Vaters immer heimlich den Schaum "geschleckt hat".

Das Publikum lacht. Mindestens genauso amüsiert es sich aber, als Michael Well seine Drehleier vorstellt. Das "Renaissance-Instrument" sei vegan, erklärt er. Die Seiten seien zwar aus Darm, aber immerhin von der Bio-Sau.

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Mit 85 Gästen ist das Literarische Wirtshaus ausverkauft.

(Foto: Hartmut Pöstges)

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