Land besetzt:Arkadien am Walchensee

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Konzeptkünstler Peter Kees besetzt einen Quadratmeter. Deutsche Gesetze sollen dort nicht gelten

Von Benjamin Engel

Deutschland und damit auch der Freistaat sind seit Samstag um einen Quadratmeter kleiner. Da mag sich so mancher verwundert die Augen reiben. Und doch lässt sich das kleine Stückchen Land, um das es geht, am südlichen Ufer des Walchensees finden.

Vier Grenzsteine und vier rote Stangen markieren den Quadratmeter, den Peter Kees besetzt hat. Arkadien, so nennt er das kleine Fleckchen Erde, das nicht mehr zum deutschen Hoheitsgebiet zählen soll. Deutsche Gesetze gelten hier laut Kees auch nicht mehr. "Ich meine das ernst." Er werde an die Bundesregierung und die bayerische Staatsregierung schreiben und warte auf eine Reaktion, sagt er.

Das klingt ziemlich real, ist allerdings ein Projekt des Konzeptkünstlers Kees. Kees spielt mit dem Topos Arkadien. Der durchzieht als Freiheits- und Sehnsuchtsort die europäische Kulturgeschichte. Den Traum vom unbeschwerten, glücklichen Leben in idealer Landschaft und im Einklang mit der Welt, beschrieb unter anderem der römische Dichter Vergil. Anklänge finden sich auch in den sogenannten "Schäferspeilen" der Barockzeit.

Dieses Ideal hat Kees nun am Walchensee konkret verortet. "Mich interessiert, inwieweit die Realität dem Ideal standhält." Er möchte zum Nachdenken anregen. Man sollte sich fragen, was es gesellschaftlich zu verändern gelte.

Kees versteht sein Leben selbst als Suche nach Arkadien. Jeder Mensch mache in seinem Leben bis hin zum Tod Grenzerfahrungen, sagt er. "Darauf versuche ich, künstlerisch zu reagieren." Der Quadratmeter Arkadien am Walchensee stehe für einen Idealzustand, in dem alles in Harmonie funktioniere. Niemand müsse hier Miete zahlen. Eigentum, Geld und eine Polizei gebe es nicht. Immerhin hat Kees mit dem Flöte spielenden Pan bereits ein Staatswappen gefunden. Er stellt Visa aus und gewährt Asyl. "Fremde Staaten haben hier keinen Zugriff."

Ihr "Arkadien" versuchten Künstler teils auch konkret zu verorten. So zog es anfangsi des 20. Jahrhunderts Musiker, Schriftsteller und Künstler an den Monte Verità in Ascona am Lago Maggiore. Auf dem "Wahrheitsberg" gründeten sie eine Künstlerkolonie, um Lebensformen auszuprobieren. Der Maler und Lebensreformer Karl Wilhelm Diefenbach (1851 bis 1913) gründete Ende des 19. Jahrhunderts in Höllriegelskreuth im Isartal die Lebensgemeinschaft "Humanitas".

Kees möchte eine derartige Künstlerkolonie nicht konkret umsetzen. Der Konzeptkünstler lebt in Berlin und im Münchner Umland. Den Walchensee hat er für sein Projekt ganz bewusst ausgewählt. Den See kenne er lange, sagt er. Außerdem sei er für ihn ein arkadischer Ort. Sein Projekt versteht er als Soziale Plastik im Sinne von Joseph Beuys. Einen ersten Quadratmeter Arkadien hat Kees bereits im Juni in Finnland besetzt. Weitere sollen folgen. Nähere Informationen finden sich unter www.embassy-of.arcadia.eu

© SZ vom 07.09.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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