Kurzkritik:Schmerzvoll und schwerelos

Kelzmer-Musik und literarische Intermezzi in Penzberg

Von Sabine Näher, Penzberg

In den USA wurde sie in den 1970er-Jahren populär, in Westeuropa etwa zwei Jahrzehnte später: Klezmer, die aus dem 15. Jahrhundert stammende jüdische Volksmusik. Hierzulande hat insbesondere der Klarinettist Giora Feidman für ihre Verbreitung gesorgt, weshalb sein Instrument untrennbar mit der Klang-Vorstellung von Klezmer verbunden ist. Auch bei den Ländlichen Konzerten Penzberg stand eine singende, juchzende, klagende oder trauernde Klarinette im Mittelpunkt - oder vielmehr eine ganze Klarinettenfamilie, denn Reinhard Hausner hatte gleich mehrere Instrumente im Gepäck, deren unterschiedliche Größe und damit Ton-Tiefe alle Gefühlsfacetten zum Ausdruck bringen konnte. Ebenbürtige Partner waren Pia Janner-Horn an der fast ebenso wandlungsfähigen Violine sowie Wolfgang Hierl und Erich Kogler an Gitarre und Kontrabass, die Klarinette und Geige ein beschwingtes Fundament zu Füßen legten, was immer wieder zum Tanzboden wurde.

Schließlich war die Klezmer-Musik ursprünglich zur Ausgestaltung von Hochzeiten und anderen Festen entstanden, was ihre starke Emotionalität erklärt. "KlezMotion" ist daher eine sehr passende Bezeichnung für das Ensemble, das jedoch nicht nur auf Musik setzte, sondern "literarische Intermezzi" integrierte, die Petra Papke ausgestaltete. Und zwar sehr vergnüglich: Die Texte der 1907 im österreichisch-ungarischen Galizien, heute Polen, geborenen Mascha Kaléko, Tochter jüdischer Eltern, die im Berlin der 1920-er Jahre zur künstlerischen Avantgarde um Joachim Ringelnatz gehörte, las sie mit nüchterner Sachlichkeit, in der Schalk oder Ironie umso heller aufblitzten, Heinrich Heines "Belsazar" wurde zur gruseligen Theaterszene, Kurt Tucholskys "Ehekrach" beinahe schon zur Comedy.

Die Musik - die hervorragenden Arrangements für das Ensemble hat Reinhard Hausner geschrieben - nahm die Stimmung der Texte trefflich auf. Wie in einer Nummer schwerelose, schwebend-schillernde Seifenblasen-Klänge mit tiefster Bewegung, die dem schmerzlichen Kontrabass-Solo anvertraut war, wechseln können und dann bis zur heitersten Ausgelassenheit der juchzenden Klarinette aufsteigen, das war packend und mitreißend. Das begeisterte Publikum in der übervollen Martin-Luther-Kirche erklatschte sich mehrere Zugaben.

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