Süddeutsche Zeitung

Kunstwoche in Lenggries:Der Geist scheint durch

Die Künstlervereinigung setzt sich mit dem Thema "Transparenz" auseinander. Das international gefragte Duo Detlef Hartung und Georg Trenz gestaltet einen Licht-Text-Raum

Von Felicitas Amler

Man kann Fotos dieser Kunstwerke sehen, ja, auf einem bekannten Video-Kanal im Internet sogar bewegte Bilder davon anschauen. Und doch ahnt man, dass diese Kunst ihre wahre Wirkung nur entfaltet, wenn sie den Betrachter umfängt. Im Lenggrieser Pfarrheim geschieht dies in Kürze: Das Künstler-Duo Detlef Hartung und Georg Trenz gestaltet den großzügigen Eingangsbereich des Anwesens an der Geiersteinstraße über zwei Etagen als Licht-Text-Raum. Was die beiden dazu vorab beschreiben, scheint ein grandioses optisches Erlebnis zu versprechen. Aber auch eine reizvolle Herausforderung für den Geist. Und ganz sicher eine starke Antwort auf das gesetzte Thema dieser Ausstellung: "Transparenz". Unter diesem Titel zeigt die Künstlervereinigung Lenggries (KVL) von Freitag, 13. September, an ihre Jahresschau.

Frankfurt, Köln, Jerusalem, Johannesburg, Adelaide, Halifax - und nun also Lenggries: Detlef Hartung und Georg Trenz sind international gefragte Künstler. Spektakulär war ihre Lichtinstallation auf der Südfassade des Kölner Doms zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs nach 100 Jahren - ausgezeichnet mit dem Deutschen Lichtdesignpreis. Aber auch im kleineren Rahmen machen die beiden von sich reden: In Eichenau im Landkreis Fürstenfeldbruck, wo Trenz lebt, haben sie ein Konzept für Licht-Projektionen statt der üblichen Silvesterballerei vorgelegt. In jedem Fall setzen sich die beiden Künstler, die seit gut zwanzig Jahren zusammenarbeiten, immer mit dem Ort auseinander, an dem sie wirken.

Ein Palimpsest

In Lenggries seien beide bereits mehrmals gewesen, berichten die KVL-Sprecher Heidi Gohde und Günter Unbescheid. Die Künstlervereinigung bespielt dort jedes Jahr das ganze Haus, das der Präsentation von Kunst verschiedene räumliche Möglichkeiten bietet: das verwinkelte Erdgeschoss, aus dem es über eine offene Treppe in den ersten Stock geht, wo ein Saal mit Bühne auf der einen und Galerie auf der anderen Seite zur Gestaltung einlädt. Hartung und Trenz haben sich das offene Foyer ausgesucht. Das dort hängende, ziemlich dominante Doppel- oder Patriarchenkreuz wird Teil der Inszenierung.

Das Künstler-Duo hat sich den aus der Antike stammenden Begriff "Palimpsest" vorgenommen, ursprünglich das Abschaben und Waschen einer Manuskriptseite aus Pergament oder Papyrus, die dann neu beschrieben werden konnte. Unter "Palimpsestieren" versteht man heutzutage das Überschreiben und Wiederbeschreiben. Dazu haben die beiden einen Text des britischen Schriftstellers und Journalisten Thomas De Quincey (1785-1859) gewählt, der über das Palimpsestieren des menschlichen Geistes reflektiert, darin die Zeile: "Immerwährende Schichten von Ideen, Bildern, Gefühlen sind auf deinen Geist gefallen so sanft wie das Licht"; und doch, so der Autor, sei kein einziger Gedanke ausgelöscht. Eben dies wollen die Künstler mit ihrer Projektion zeigen: "Das Gelöschte, Ausradierte ist noch immer da, scheint noch immer durch, bestimmt noch immer, wie das Darüberliegende gelesen wird."

Den Kontakt zu Hartung und Trenz verdanken die Lenggrieser einer anderen Gast-Künstlerin: Marina Herrmann, hierzulande bekannt durch die Installation "From Dawn till Dusk", welche sie im Dachgeschoss des Penzberger Campendonk-Museums aus meterlangen Fotostreifen und bemalten Farbbahnen geschaffen hat. Sie ist die Ehefrau von Detlef Hartung. In Lenggries gehört Marina Herrmann der Mittelpunkt des Saals. Ihre Foto- und Farbbahnen-Installation wird gewissermaßen das Herzstück der Schau.

Außer diesen dreien sind diesmal unter den Gästen die Steinmetzin und Bildhauerin Antonia Leitner aus Reichersbeuern, die im Außenbereich rund ums Pfarrheim ausstellt, und Gabriela Nepo-Stieldorf aus Innsbruck, die schon mit ihrem Material - Plexiglas - dem Thema Transparenz entspricht. Von ihr werden einzelne Arbeiten auch im Ort Lenggries zu sehen sein: gläserne Figuren, die an Fahnenstangen und in Bäumen klettern.

Wie immer in der KVL-Jahresschau präsentieren sich auch die Mitglieder selbst: Jürgen Dreistein, Ursula-Maren Fitz, Sophie Frey, Heidi Gohde, Ecki Kober, Veronika Partenhauser, Gabriele Pöhlmann, Paul Schwarzenberger, Klas Stöver und Günter Unbescheid. "Wir sind ganz euphorisch", sagt Unbescheid über die Planung der Ausstellung mit den diesmal so besonders renommierten Gästen. Das sei schon "eine große Nummer", meint er. Allerdings seien auch besondere Anstrengungen erforderlich gewesen, um die Finanzierung zu gewährleisten. Zum Gesamtbudget von 15 000 Euro, das alle Ausgaben von der Saalmiete über die Honorare bis zu Grafik und Katalog umfasst, tragen wieder viele Unterstützer bei, die öffentliche Hand ebenso wie Kreditinstitute und Unternehmen.

Die Kunstwoche habe längst auch einen guten überregionalen Ruf, das erfahren die Organisatoren, wenn sie sich um Gast-Künstler bemühen. So habe die Kölnerin Marina Herrmann ohne Umschweife zugesagt, berichten Gohde und Unbescheid, weil ihr die Lenggrieser Schau ein Begriff gewesen sei. Das Thema "Transparenz" mit seinem gesellschaftlichen und politischen Tiefgang soll das Niveau weiter festigen. "Und natürlich träumen wir davon, dieses Level weiter halten zu können", sagt Unbescheid.

Kunstwoche Lenggries: Vernissage am Freitag, 13. September, 19 Uhr, Geiersteinstraße 7; geöffnet Montag bis Freitag 14 bis 19 Uhr, Samstag/Sonntag 10 bis 19 Uhr; bis 20. September. www.kv-lenggries.de

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Quelle:
SZ vom 26.08.2019
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