Süddeutsche Zeitung

Kunst in Bernried:Kranklachen in der Pandemie

Retrospektive zum 70. Geburtstag von Peter Gaymann

Von Katja Sebald, Bernried

Eigentlich, so sagt Museumsdirektor Daniel Schreiber zur Begrüßung, hätte es eine riesige Retrospektive zum 70. Geburtstag von Peter Gaymann geben sollen. Dazu war eine Riesenparty geplant. Doch das Virus forderte eine Umplanung, und so habe man nur eine kleine Ausstellung (bis 11. Oktober) mit den "Virus-Visionen" des bekannten Zeichners realisiert. Die Eröffnung sollte eigentlich ohne Eröffnung stattfinden. Aber dann habe man sich gefragt: "Warum eigentlich nicht?"Deshalb versammeln sich am Freitagnachmittag Fans, Freunde, Wegbegleiter und Kollegen wie Rudi Hurzlmeier oder Quint Buchholz auf der Terrasse des Buchheim Museums in Bernried, um dem Jubilar die Ehre zu erweisen - mit Abstand, mit Sekt, ohne Anstoßen.

"Äh, eigentlich", sagt Schreiber, nachdem er zum zweiten Mal sein Glas und das des gut gelaunten Geburtstagskinds zum Klingen gebracht hatte. Eigentlich, so seine Überzeugung, habe gute Chancen, das Wort des Jahres 2020 zu werden.

Auf der Rangliste der aktuellsten Kunstwerke, die je in einem Museum gezeigt wurden, aber dürften die achtzig Blätter, die Gaymann zwischen Mitte März und Pfingsten als Chronologie der Pandemie und als tägliches "Trostpflaster" für Freunde und Bekannte zeichnete, ganz weit oben stehen. Vom Klopapierhamstern, das ausgefallene Osterfest, über Verschwörungstheoretiker und "Bill Gates, das Arschloch von Amazon" bis hin zu einer bezaubernden Bettszene nach den ersten Lockerungen ("Der Söder hat doch gesagt, man darf jetzt wieder zu dritt ...") setzt Gaymann allem Unbill wunderbaren Humor entgegen. Selbst Gerhard Polt beteuert im Vorwort zum zeitgleich erschienenen Büchlein, dass er sich mit Gaymanns Zeichnungen "krank" lacht in seiner Quarantäne, "so lange bis die allgemeine Stirnrunzelei und Ratlosigkeit vorbei ist".

Dass er wirklich Humor hat, beweist Gaymann mit seiner Ankündigung, er werde einen tagesaktuellen Cartoon vor Publikum anfertigen: "Viele, die heute hier sind, glauben ja nicht, dass ich das bin, der das alles zeichnet." Spricht's und schreitet zur Tat: Er zeichnet zwei Vernissagengäste mit Mundschutz, Sonnenbrille und Sektgläsern, der eine vielleicht ein Museumsdirektor, die andere auf jeden Fall ein Huhn im Sommerkleid: "Kennen wir uns nicht von der letzten Vernissage?" - "Kann sein, ich kann mir Gesichter so schlecht merken."

www.buchheimmuseum.de/aktuell/2020/gaymann

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SZ vom 04.07.2020
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