Süddeutsche Zeitung

Kultur in Penzberg:"Ich habe schon musikalische Abenteuerlust in mir"

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Günther Pfannkuch holt seit 30 Jahren ambitionierte Laien zusammen mit Profis auf die Bühne

Interview von Stephanie Schwaderer

Seit 30 Jahren überraschen die Ländlichen Konzerte Penzberg ihr Publikum mit einem außergewöhnlichen Programm. Auf Kammerkonzerte folgen Volksmusikabende oder große Oratorien, dann wieder gibt es Jazz, einen Liederabend oder eine Uraufführung. Auf der Bühne stehen meist Profis zusammen mit ambitionierten Laien - und am Pult seit 30 Jahren Günther Pfannkuch.

SZ: Herr Pfannkuch, vor 30 Jahren haben Sie die Konzertreihe mit Egbert Greven und Johannes Meyer ins Leben gerufen und sie Vier Ländliche Konzerte genannt. Nun sind es 300 geworden. Was ist passiert?

Günther Pfannkuch: Chor und Orchester, mit denen wir schon damals musiziert haben, also das Vokalensemble und das Kammerorchester der Musikschule Penzberg, waren zunächst noch sehr jung. Über die Jahre sind wir musikalisch, aber auch philosophisch gereift und gewachsen. Wir hatten nicht unbedingt ein Konzept oder einen Schlachtplan, sondern haben uns immer auf die aktuelle kulturelle und politische Realität hier am Ort bezogen und uns gefragt: Was ist möglich? Was geht?

Und dann ging eine ganze Menge.

Das hat sich entwickelt. Natürlich konnte ich mit dem jungen Vokalensemble 1991 noch kein Weihnachtsoratorium aufführen, das waren ja junge, unerfahrene Sänger, die gerne Spirituals und einfache Madrigale sangen. Bald kamen Erwachsene dazu, die gehört hatten, dass es Spaß macht, bei uns zu singen oder im Orchester zu spielen. Die Routinierteren haben die Jüngeren mitgenommen. Von Anfang an gab es da einen starken musikalischen und intellektuellen Austausch. Auch mit meiner Konzertmeisterin Pia Janner-Horn, die von Anfang an dabei ist, habe ich die Möglichkeiten des Orchesters ausgelotet. Was kann ein ambitionierter Laien-Streicher überhaupt spielen?

Sie haben das Verdi-Requiem mit 160 Leuten auf die Bühne gebracht und Andrew Lloyd Webbers Rockoper Jesus Christ Superstar. Gehen Sie gerne an Grenzen?

Das klingt ein bisschen dramatisch, aber ja, es geht in die Richtung. Natürlich muss man die Leute mitnehmen. Wenn jemand einen langen Arbeitstag hinter sich hat, kann ich ihn bei der Probe am Abend nicht mit allzu hoch gesteckten Zielen ständig überfordern. Aber ich habe schon eine gewisse musikalische Abenteuerlust in mir. Und ich habe die Energie, so etwas dann auch durchzuziehen. Man muss versuchen, Leute mit ins Boot zu nehmen, dann wächst man miteinander. Mit Holger Jung zum Beispiel hatte ich immer wieder einen sehr engen Austausch. Er war maßgeblich bei der Einstudierung von Jesus Christ Superstar beteiligt und hat an mehreren Projekten als Korrepetitor mitgewirkt.

Bei vielen Ländlichen Konzerten stehen Laien mit Profis auf der Bühne. Was bedeutet das für die Vorbereitung?

Alle sind schon sehr gefordert. Wer mitwirken will, muss ambitioniert sein. Wir arbeiten intensiv auf ein gehobenes Niveau mit Ausstrahlung hin. Bei den Proben geht es zwar heiter und bisweilen auch lustig zu, aber es wird vor allem sehr konzentriert geprobt. Am Montag hatten wir Orchesterprobe für Haydns Jahreszeiten, da wurde zwei Stunden ohne Pause detailreich gespielt.

Was kommt beim Penzberger Publikum besonders gut an?

Das Penzberger Publikum gibt es nicht. Vergangenes Jahr wollten wir das Thema Natur programmatisch durch das ganze Jahr ziehen und unter anderem auch mit Schulen zusammenarbeiten. Die Kinder sollten Bilder malen und Gedichte schreiben. Besonders begabte Musikschüler hätten den Karneval der Tiere aufgeführt. Auf diese Weise hätten wir ein sehr vielfältiges Publikum erreicht. Dann hat uns leider Corona einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir versuchen, ein breites Spektrum anzusprechen, was aber nicht heißt, dass wir nicht auch Ausgefallenes anbieten und auch Uraufführungen wagen.

Das spiegelt sich auch im Jubiläumsprogramm. Nach einem Klavier- und Liederabend, einer Jazz-Nacht und einer Lesung geht es am Samstag mit der Heuwinklband weiter. Mischen Sie da auch mit?

Nein, überhaupt nicht. Das Konzert ist ein Überbleibsel aus dem Programm vom vergangenen Jahr. Die Heuwinklband hat ein Oratorium geschrieben, in dem es um die Schöpfung und die Umweltzerstörung geht. Es wäre sehr schade gewesen, wenn dieses Konzert nicht zustande gekommen wäre.

Höhepunkt des Jahres soll das Haydn-Konzert am 12. Dezember werden. Wie viele Mitwirkende haben Sie für die Jahreszeiten eingeplant?

Wir sind diesmal wegen Corona etwas reduziert. Im Chor sind es um die 60 Leute, sonst waren es über 80. Das Orchester ist mit 40 Leuten voll besetzt. Ich bin optimistisch, dass es klappen wird, aber eine gewisse Spannung ist da. Auch hinsichtlich der Frage, wie die Kirche sich als Gastgeber verhalten wird, ob da noch neue Vorschriften kommen. Wir sind ja auf ein Wechselspiel angewiesen. Die Kirche muss kulturell offen sein, flexibel und interessiert. Und die Pfarrei muss einen gewissen Kampfgeist haben, sich ihrer Rolle als Kulturträger bewusst sein, solche Konzerte unterstützen zu wollen. Das Volk jedenfalls ist da und bereit.

Wenn Sie in die Zukunft schauen: Welche Projekte würden Sie noch reizen?

Mich reizt alles Qualitätvolle und Lebendige.

Es ist nicht so, dass ich noch etwas Größeres oder Wilderes machen müsste. Es gibt so viel tolle Musik, Alte Musik, vielleicht eine Sinfonie von Edward Elgar oder mal wieder eine Uraufführung. Die Welt der Kultur ist endlos. Und die Leute hier sind neugierig und machen mit. Das ist ein Zustand, von dem ich hoffe, dass er überhaupt nie endet.

Infos und Karten unter www.musikfreunde-penzberg.de

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Quelle:
SZ vom 14.10.2021
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