Süddeutsche Zeitung

Kultur:Heimspiel mit Stargast

Thomas Stimmel und sein weltberühmter Gesangsprofessor Thomas Quasthoff treten mit der "schönen Magelone" von Johannes Brahms in Icking auf.

Von Felicitas Amler

Es gab allerhand zu entdecken an diesem Sonntagabend bei den "Meistersolisten im Isartal": Was für ein wunderbares Werk "Die schöne Magelone" von Johannes Brahms ist. Wie professionell und amüsant der weltberühmte Sänger Thomas Quasthoff als Rezitator auftritt. Welch weichen, wohltönenden Bassbariton sein Schüler Thomas Stimmel hat. Was für ein Talent Musikkritiker Reinhard Szyszka als Vermittler eines Werks besitzt. Und schließlich - leider - auch dies: Wie schwer es ein junger Sänger hat, rundum zu überzeugen, wenn das Publikum just vor seinem Auftritt einen so Großen wie Dietrich Fischer-Dieskau in derselben Partie gehört hat.

Für den Verein Klangwelt Klassik war das Sonderkonzert ein großartiger Erfolg. Der Saal im Ickinger Gymnasium war ausverkauft, und der Applaus, der am Ende mehrere "Vorhänge" forderte, zeugte von der Begeisterung der meisten Zuhörer. Ungewohnt stark war schon der Andrang beim Vorprogramm. Szyszka gab eine Einführung in Brahms' "verkappte Oper" und staunte selbst, dass immer wieder Stühle in den Klassenraum dazugeholt werden mussten. Kundig und souverän in freier Rede vermittelte Szyszka den biografischen Hintergrund zu Brahms "Magelone". Mit dem theoretischen und praktischen Wissen des Klavierspielers, aber ohne Fachchinesisch legte er musikalische Besonderheiten dar. Und mit Tonbeispielen vom Band - einer frühen Aufnahme mit Fischer-Dieskau und dem Pianisten Jörg Demus - machte er Details des Liederzyklus hörbar. Faszinierend der Vergleich der ersten Takte des Rheingolds von Wagner und der Magelone. Überzeugend die Vorführung, wie das Klavier Textstellen wie "mit bleibehangenen Füßen" oder "schäumende Wellen" untermalt. Und sehr animierend, Liedanfänge wie "Sind es Schmerzen, sind es Freuden" vom anrührenden FiDi zu hören.

Wer Szyszkas Vortrag gelauscht hatte, konnte das anschließende Konzert noch vertiefter wahrnehmen. Thomas Stimmel, Thomas Quasthoff und ihr Klavierpartner Alexander Fleischer erwiesen sich als gut eingespielte Besetzung - kein Wunder, der Sänger ist Schüler Quasthoffs, der Pianist dessen Assistent.

Den nicht mehr singenden Sänger Quasthoff als Rezitator zu hören ist ungemein unterhaltsam. Er gestaltet seinen Text sorgsam, ist auch mimisch ganz bei der Sache - und stellt doch immer wieder ein wenig ironische Distanz her. Das macht die Rezeption der stellenweise etwas abstrusen Handlung (Geliebter erkennt inniglich Geliebte nicht wieder, weil sie ihr langes blondes Haar verborgen hat) leichter. Manchmal gibt er dem Affen auch ordentlich Zucker - so wenn er mit piepsiger Stimme die Magelone spielt, der eine "scharlachne Röte" ins Gesicht steigt.

Ganz dabei ist Quasthoff auch, wenn sein Schüler singt. Mit Wohlgefallen ruht sein Blick auf Stimmel, gleichzeitig wiegt er sich sanft zur Musik, singt offenkundig im Stillen mit. Der inzwischen in Berlin lebende Stimmel, Kulturpreisträger des Landkreises Bad Tölz-Wolfratshausen mit familiärer Verwurzelung in Icking, wird hier am Ort gern gehört und gesehen. Es sei nicht das erste "Heimspiel", sagte Direktor Hans Härtl in der Begrüßung und erinnerte an Stimmels Interpretation von Schuberts "Winterreise" im vergangenen März. Der Sänger mit der präzisen Artikulation ist hörbar "auf dem Weg". Zur Meisterschaft fehlt ihm noch ein wenig Entfaltungsglanz im oberen Stimmregister. Da er bei einem Meister studiert, muss man sich darum wohl kaum sorgen.

Wichtiger als jedes andere Urteil dürfte dem jungen Bassbariton vermutlich das seines international renommierten Professors sein. Thomas Quasthoff sandte, als der Zyklus zu Ende war, einen sehr weichen Blick zu Stimmel und ein fast lautloses "Bravo".

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Quelle:
SZ vom 05.11.2013
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