Ehe Günther Sigl "Rosmarie" anstimmt, blickt er in die Menge und sagt: "Jetzt kommt eine Ballade von . . .", langes Schweigen, dann: ". . . 1980." Das Publikum lacht. "Da waren einige von euch noch gar nicht geboren, wenn ich mich so umschau. Ich bin ja jetzt auch schon im Rentenalter." Er grinst wie ein kleiner Junge und fügt hinzu: "Des tut net weh, aber scheiße is' scho." Ja, die Spider Murphy Gang hat schon ein paar Bühnenjahre hinter sich. Dennoch präsentiert sie sich am Freitagabend auf dem Geretsrieder Kulturherbst im Festzelt an der Jahnstraße selbstsicher, charmant und äußerst sympathisch.
Über die Spider Murphy Gang ist schon so viel geschrieben worden, dass es fast unmöglich ist, sie zu kommentieren, ohne bereits Gesagtes zu wiederholen. Das bringt es mit sich, wenn man schon so lange auf der Bühne steht, dass jeder über 40 bei der Zeile "Skandal im Sperrbezirk" sofort ruft: "Damit bin ich aufgewachsen!" Spannend ist daher weniger die Band als vielmehr ihr Publikum. Immerhin findet das Konzert nicht in der Olympiahalle statt, sondern in einem Zelt in der Kleinstadt Geretsried. Wie viele würden da wohl kommen? Mit wenigen hatte zumindest niemand gerechnet. Aber darüber, dass die Fans sogar aus Berlin anreisten, zeigte sich Veranstalter Günter Wagner dann doch überrascht.
Als Günther Sigl, Barny Murphy und die Gang pünktlich um 20 Uhr die Bühne betreten, ist das Zelt mit 850 Besuchern rappelvoll - und komplett ausverkauft. Keine halbe Stunde braucht die hervorragend eingespielte Band, bis die Gäste vor ihren Bänken und Stühlen stehen und tanzend und klatschend die Tribüne wackeln lassen. Eine Tanzfläche gibt es nicht, was eine Frau im Publikum mit den Worten kommentiert: "Spider Murphy Gang ohne Tanzfläche ist wie a Wiesn ohne Ochsenbraterei." Doch der Veranstalter hatte nur die Wünsche der Spider Murphy Gang erfüllt, warum die Stühle statt einer Tanzfläche wollte, ist unbekannt.
Aber auch ohne Tanzfläche schafft es die Spider Murphy Gang, ihr Publikum bestens zu unterhalten, etwa durch die Geschichten, die Sigl zwischen den Songs erzählt, um den jeweils nächsten einzuleiten. Immer wieder trägt er eine sympathische Portion Selbstvertrauen zur Schau, als er zum Beispiel ein Foto von Chuck Berry an die Leinwand-Banner werfen lässt, die auf der Bühnenrückseite befestigt sind: "Am 18. Oktober 1926 wurde Chuck Berry geboren, dessen Rock 'n' Roll-Songs einige Musiker weltberühmt machen sollten." Sigl zählt an den Fingern ab: "Elvis Presley . . . die Rolling Stones . . . die Spider Murphy Gang . . ." Wie so oft an diesem Abend schüttelt sich das Publikum vor Lachen, aber Sigl ist noch nicht am Ende: "Das waren auch schon alle", sagt er. Und wie um sich zu rechtfertigen, setzt er nach: "Weltberühmt in Bayern - das gilt schon." Danach wird unplugged "Johnny B Good" gespielt. Kaum endet der Song, hat Sigl den nächsten Spaß auf Lager. "Vor Jahrzehnten waren wir ja alle als Hippies unterwegs." Und an der Leinwand erscheint ein Schwarz-Weiß-Foto von einem jungen Sigl mit sehr langen Haaren. "Die Madl haben mich um meine Haarpracht beneidet, die Buam haben mir nachgepfiffen . . ." Sogar eine Kommune habe die Gang gründen wollen, man habe auch schon den Bauernhof gemietet, "irgendwo hinter . . . Geretsried". Und das Publikum schmeißt sich weg.
Der Aufbau des Konzerts ist ganz genau so, wie er auch in der Olympiahalle gewesen wäre: Ihre großen Hits streut die Band zwischen mehr oder weniger bekannte Stücke, das eine aber, auf das alle warten, hebt sie sich für das Finale auf. Bei der Zugabe dann stehen alle noch einmal auf und pfeifen und singen so laut, dass es die ganze Nachbarschaft hört: "Skandal im Sperrbezirk, Skandal um Rosi . . ."