Kult-Comic aus Tölzer Feder:"Lurchi ist so ähnlich wie Asterix"

Lesezeit: 4 min

Von Arnold Zimprich und Stephanie Schwaderer

Im Jahr 1937 erblickte ein Feuersalamander das Licht der Welt, dessen Aufgabe es zunächst war, Kinder beim Schuhekauf ruhig zu halten: Lurchi. Bis heute dient die kultige Comicfigur dem Schuhhersteller Salamander als Werbeträger und erfreut sich auch unter vielen Erwachsenen großer Beliebtheit. Über sein Aussehen und Leben entscheidet künftig der 43-jährige Illustrator, Comic-Zeichner und Karikaturist Jan Reiser, der in Bad Tölz aufgewachsen ist.

SZ: Herr Reiser, was ist denn dieser Lurchi für ein Typ?

Jan Reiser: Schon eher der zupackende, heldenmäßige, der Problemlöser der Gruppe. Charakterlich ist er ähnlich wie Asterix und fungiert auch wie eine blanke Folie: Als Betrachter kann man sich mit ihm identifizieren und ihn mit eigenen Erfahrungen auffüllen. Die anderen Figuren sind klarer gezeichnet - zumindest in meiner Vorstellung.

Wer gehört noch alles zur Gruppe?

Es sind sieben Charaktere. Lurchis bester Freund ist Hopps, ein Frosch, eher so der Draufgänger und Lebemann. Der Igelmann ist der Erfinder, ein Daniel Düsentrieb. Der Unkerich ist eine konservative Figur. Lange Zeit hatte er eine Uniform an und verkörperte die Polizei von Molchhausen. Mein Vorgänger, Dietwald Doblies, hat ihn schon etwas modifiziert und die Polizeimütze in eine Kapitänsmütze verwandelt. Jetzt wirkt er auf mich eher wie ein alter Seemann. Dann gibt es noch den ängstlichen Mäusepiep, den Zwerg Pipping und die Fee Emily, die Doblies erfunden hat.

Sie haben sich mit allen schon ein bisschen angefreundet?

Ich muss eine Beziehung zu ihnen aufbauen, weil von den Figuren ja abhängt, wie die Geschichten laufen.

Die schreiben Sie auch selber?

Ja, die Abenteuer denke ich mir auch aus. Zudem gibt es in jedem Heft eine Seite mit Rätseln und Wissenswertem, für die ich auch noch zuständig bin. Pro Jahr sollen zwei solcher Hefte erscheinen, das erste zur Frühjahrskollektion.

Haben Sie so etwas schon einmal gemacht?

Ja, mein erstes Comic-Album habe ich schon 2006 herausgebracht. Von 2009 bis 2016 habe ich die SZ für Kinder illustriert. Insgesamt 28 Hefte zu den Themen Natur, Kunst, Natur&Umwelt für Kinder zwischen acht und 16 Jahren. Das war eine superkollegiale Zusammenarbeit und hat mir gezeigt, dass Comics für Kinder mein Ding sind. Die Plots haben wir meist gemeinsam im Team entwickelt. Dann bin ich dran gegangen, die Geschichten zu dramatisieren, sie in Einzelbilder aufzuteilen und Dialoge zu schreiben. Comic-Zeichen ist wie Regieführen.

Wie kamen Sie zum Schuhhersteller Salamander?

Die Firma ist auf mich zugekommen, nachdem Doblies heuer im Mai gestorben ist.

Konnten Sie sich noch an Lurchi erinnern?

Ich hatte noch zwei alte Hefte aus meiner Kindheit. Dietwald Doblies hat 1996 für Salamander zu zeichnen begonnen, also in einer Zeit, als ich schon weit aus dem Salamanderschuhalter heraus war. Ich war überrascht, wie sehr er Lurchi schon modernisiert hat. Zuvor war es ein sehr bilderbuchmäßiger Stil. Doblies ging deutlich mehr ins Comichafte. Daran kann ich gut anknüpfen.

Was wird sich in Molchhausen verändern?

Das wird sich zeigen. Es fließt ja unwillkürlich etwas vom Zeichnercharakter in die Figuren ein. Doblies hat andere Farben verwendet, auch meine Hintergründe werden ganz anders aussehen.

Auch an der Frauenstärke im Team ließe sich noch arbeiten.

Das ist der Plan! Der Fee Emily möchte ich schon gerne mehr Agenda geben. Vielleicht wird auch eine zweite weibliche Figur ins Spiel kommen. Früher hat man offenbar gedacht, dass Comics hauptsächlich von Jungs gelesen werden.

Sie sind in Bad Tölz und Umgebung aufgewachsen. Wo bekamen Sie in den 80er und frühen 90er Jahren Comics her - das war in Tölz wohl gar nicht so einfach?

Johanna Zantl hatte in ihrer Buchhandlung Winzerer immer gute Comics da. Zudem waren unsere Nachbarn Amerikaner, bei ihnen konnte ich mir immer welche ausleihen.

Sie leben mittlerweile in München. Was verbindet Sie noch mit dem Landkreis?

Mein Vater, Hans Reiser, zeichnet ja seit Jahrzehnten den Winzerer für den Tölzer Kurier. Ab und zu springe ich für ihn ein, was man der Karikatur dann auch anmerkt.

War Ihre Karriere durch den Vater vorgezeichnet?

Für mich war immer klar, dass ich Zeichner werden möchte, es war ein Hineinwachsen in den Beruf. Mein Vater hat mir früh gezeigt, dass Zeichnen ein ganz normaler Beruf sein kann. Bei uns waren immer Buntstifte im Haus, ich habe meine Umwelt mit der Zeit mit Zeichneraugen gesehen. Auch für die Schülerzeitung Antineuralgikum des Gabriel-von-Seidl-Gymnasiums habe ich schon gezeichnet.

Wie ging es nach der Schule weiter?

Während meines Kommunikationsdesign-Studiums an der FH München hatte ich mit Stephan Baumann einen Zeichenlehrer, der mich gleich mit zu Verlagen geschleppt hat. Er hat das Potenzial in mir gesehen. Wir waren nur 35 Leute in der Klasse, davon wiederum nur drei oder vier, die sich auf Illustration spezialisiert haben. Da blieb man den Kommilitonen in Erinnerung, die nach dem Studium in Werbeagenturen angefangen haben. Wenn also von irgendwoher eine Anfrage kam, wurde die sehr schnell an uns weitergeleitet. Damals habe ich gelernt, dass man liefern muss, wenn die Gelegenheit kommt - die Vorbehaltlosigkeit von früher wünsche ich mir heute manchmal zurück. Ich bin Generalist und kann mich gut auf die Bedürfnisse von Kunden einstellen.

Haben Sie Vorbilder?

Andre Franquin, Bill Watterson, Régis Loisel, Juanjo Guarnido, John Howe - da gibt es einige. Wichtig waren für mich immer Comics, was mich auch von meinem Vater abgrenzt. Comics waren für ihn zwar immer Thema, er ist aber eher ein Karikaturist. Mein Vater malt Bilder, die für sich stehen. Ich habe schon immer eher in Bildfolgen gedacht.

Welchen Rat würden Sie einem jungen Zeichentalent mit auf den Weg geben?

Wenn man Scheuklappen aufhat und sagt, das ist der einzige Weg, dann wird auch was draus. Als junger Mensch sollte man sich nicht verunsichern lassen. Ich bin da aber vielleicht der falsche Ansprechpartner, da ich sehr gefördert wurde. Ich hatte keine Eltern, die gesagt haben: Du lernst jetzt amoi was Gescheits! Bei mir hat sich ausgezahlt, dass ich vielseitig bin und zuverlässig. Außerdem: Man lernt nie aus!

Sollte jemand noch auf der Suche nach einem Weihnachtsgeschenk sein: Haben Sie einen Reiser'schen Geschenktipp?

"Jasper Wulff - Der coolste Wolf der Stadt", das ist bei dtv junior erschienen, dann "De Gschicht vom Brandner Kaspar" und "In rauer Nacht" aus der Edition buntehunde sowie "Der kleine Lord", erschienen bei Knesebeck. Auf den kleinen Lord bin ich total stolz, der geht ein bisschen weg vom Comic, eher in Richtung historisches Zeichnen.

Infos unter https://www.janreiser.de

© SZ vom 23.12.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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