Kritik am Sparkurs des Kreisausschusses:Seniorenbeirat von der Politik enttäuscht

Wohnen für Hilfe

Hier funktioniert das Modell "Wohnen für Hilfe" schon: Eine junge Frau reicht ihrer Mitbewohnerin einen Teller mit Essen.

(Foto: Susann Prautsch/dpa )

Waltraud Bauhof bietet "Nachhilfeunterricht in sozialer Kompetenz" an. Ute Reuter zeigt sich erleichtert wegen der Einführung von "Wohnen für Hilfe"

Von Klaus Schieder

Die Beschlüsse, die der Kreisausschuss zum neuen Stellenplan im Landratsamt gefasst hat, stoßen im Seniorenbeirat auf heftige Kritik. Die Mitglieder ärgerten sich in ihrer Sitzung am Donnerstag vor allem darüber, dass die vom Sozialausschuss empfohlene Vollzeitstelle im Bereich Inklusion auf eine halbe Stelle reduziert wurde. Außerdem monierten sie, dass die Kreisräte die Halbtagsstelle für den Behindertenbeauftragten Ralph Seifert, der bisher ehrenamtlich tätig ist, erst einmal hintanstellten. Seniorenbeirätin Waltraud Bauhof schlug vor, sich den Fraktionen im Kreisausschuss anzubieten, "um ihnen mal Nachhilfeunterricht in sozialer Kompetenz in den Dingen zu geben, die in unserem Landkreis passieren".

Ungewöhnlich deutlich äußerte sich auch Christine Bäumler vom Sozialamt des Landratsamtes: Ihr fehle das Verständnis für die politische Arbeit, wenn gewichtige Themen wie die Vollzeitstelle für Inklusion in den Fraktionen des Kreistags offenkundig nicht mehr besprochen würden. Bäumler verwies darauf, dass die Kreisräte im Sozial- und Kulturausschuss diese sozialpädagogische Fachkraft und auch die Halbtagsstelle für den Behindertenbeauftragten aus fachlicher Sicht noch klar gebilligt hatten. Auch im Arbeitskreis Inklusion, dem Mitglieder aller Fraktionen angehören, waren die Gründe dafür bekannt. Im Kreisausschuss, wo es dann allerdings vorwiegend um Kosten ging, wurden beide Stellen ohne große Debatte gekürzt, respektive erst einmal abgelehnt. "Ich war etwas fassungslos, dass dem so ist", sagte Bäumler. "Das finde ich schwierig, weil doch viel Arbeit dahinter steckt."

"Zielgerichtete Ansprache"

Manfred Richard saß als Zuhörer im Kreisausschuss. "Mir war das zu wenig Engagement", resümierte der stellvertretende Vorsitzende des Seniorenbeirats. Waltraud Bauhof regte an, ein Papier mit den grundsätzlichen Aufgaben und Zielen des Seniorenbeirats zu verfassen. Damit sollte man die Fraktionsvorsitzenden anschreiben und sie bitten, zu Sitzungen eingeladen zu werden und zu bestimmten Themen referieren zu dürfen. "Diese zielgerichtete Ansprache - das ist es", sagte Dieter Höflich. Der Seniorenbeirat stimmte dieser Vorgehensweise einmütig zu.

Für das Projekt "Wohnen für Hilfe" hat der Kreisausschuss hingegen eine halbe Stelle bewilligt. Seniorenbeirätin Ute Reuter, die sich zusammen mit Helga Lehner und Ursula Fiechtner für diese Form der Wohngemeinschaft im Landkreis einsetzt, zeigte sich erleichtert. Dies sei eine Herzensangelegenheit, sagte sie. Die halbe Stelle sei "das i-Tüpfelchen auf unsere Arbeit in diesem Jahr". In der Landeshauptstadt München und auch in Garching gibt es "Wohnen für Hilfe" schon seit Jahren.

Die Idee: Ältere Menschen leben nach dem Auszug der Kinder und dem Tod des Ehepartners oft in großen Wohnungen. Sie könnten ein oder zwei Zimmer einem Studenten, einem Azubi oder auch einer alleinerziehenden Mutter zur Verfügung stellen. Diese Mieter helfen den Senioren beim Einkaufen, Putzen, Kochen, Versorgen der Haustiere und ähnlichen Arbeiten. Der Zeitaufwand bemisst sich nach der Größe des Wohnraums: pro Quadratmeter eine Stunde im Monat. Dafür entfällt die Miete, nur Nebenkosten sind zu zahlen. Pflegeleistungen werden nicht erbracht.

Die neue Halbtagsstelle wird mit einer psychologisch geschulten Fachkraft besetzt, die in Vorgesprächen herausfinden soll, ob potenzielle Vermieter und Mieter zusammenpassen. "Ob die Chemie stimmt", wie Reuter sagte. Aber nicht nur dies. Sie soll beide Seiten auch nach dem Einzug beraten und begleiten. Die Stelle soll bei einer Organisation angedockt werden, die sich von Haus aus mit Senioren beschäftigt, wie zum Beispiel der Caritas. Außerdem könne man damit nun den Antrag auf Fördermittel stellen, erklärte Ute Reuter. Denn dafür sei es wichtig, dass die Weiterführung des Angebots gewährleistet werde.

2019 wird der Seniorenbeirats des Landkreises neu gewählt. Der Termin ist am 27. März. Über das Gremium stimmt die Delegiertenversammlung ab, die von fünf Gruppen gebildet wird: den Seniorenbeauftragten der Städte und Gemeinden, den Seniorenclubs und Seniorentreffs, den Heimbeiräten der Senioren- und Pflegeheime, sozialen, kulturellen und betrieblichen Organisationen sowie engagierten Einzelpersonen. Jede davon darf maximal sechs Vertreter für die Versammlung stellen. Im Seniorenbeirat geht allerdings die Befürchtung um, dass die Zahl von 30 Delegierten um einiges unterschritten wird.

In den Seniorenbeirat können sich alle Bürgerinnen und Bürger wählen lassen, die zumindest 60 Jahre alt sind und ihren Hauptwohnsitz im Landkreis haben. Wer Interesse habe, könne in die nächste Sitzung des Gremiums am 7. Februar, 9.30 Uhr, im Tölzer Landratsamt kommen, sagte Christine Bäumler. Für Dieter Höflich sind gerade ältere Menschen gefragt, Verantwortung für die Demokratie zu übernehmen, die sich derzeit in einer "prekären Situation" befinde. So zeige man Jüngeren, "dass Demokratie nicht nur die da oben, sondern wir alle sind.

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