Krippenschau in Seeshaupt:Spaziergang nach Bethlehem

In den örtlichen Geschäften sind 30 Krippen aus der Sammlung des Geistlichen Theodor Glaser ausgestellt. Die Exponate stammen aus aller Welt und präsentieren sich überraschend kitschfrei

Von Michael Berzl, Seeshaupt

Melonen werden hier verkauft, ein Bäcker und ein Metzger haben einen Stand, es gibt Wurst und Käse, auch ein Weinhändler ist dabei. Und davor sind Josef und Maria mit dem Jesuskind. Auch so kann eine Weihnachtskrippe aussehen. Ein Künstler aus Neapel hat diese Marktstraßenszenerie kreiert. Zu sehen ist sie nun in Seeshaupt im Rahmen einer Ausstellung in einer Reihe von Läden und Büros; es ist eines von fast 30 Exponaten.

Zum fünften Mal gibt es nun diese Ausstellung, die von Renate und Bero von Fraunberg in Zusammenarbeit mit der Bürgerstiftung organisiert wird und noch bis zum Dreikönigstag am 6. Januar läuft. Die Krippen stammen aus dem Fundus von Theodor Glaser aus München, dem ehemaligen stellvertretenden Landesbischof der evangelischen Kirche in Bayern, der vor einer Woche im Alter von 88 Jahren gestorben ist.

In der Krippensammlung sind Figuren aus der ganzen Welt vertreten, aus Oberammergau und Südtirol, aus Spanien und Korsika, aus Polen, Mexiko, Obervolta, und dem ehemaligen Jugoslawien, aus Peru und aus Marktredwitz, um nur ein paar Beispiele zu nennen. In einer Krippe aus Nordamerika sind die Angehörigen der Heiligen Familie als Indianer dargestellt. "Welt. Weit. Weihnachten", lautet passend zum polyglotten Personal das Motto. Die Exponate in verschiedenen Stilrichtungen bestehen aus den unterschiedlichsten Materialien wie Ebenholz, Ton, Metall oder Porzellan, Stoff oder Terrakotta. Sie sind oft schlicht, selten kitschig.

Wer in diesen Adventstagen durch Seeshaupt läuft, kann sich auf eine Entdeckungsreise begeben. "Es gibt Menschen, die sich das ganz gezielt anschauen. Man kann das gut mit einem Spaziergang verbinden", erzählt Inka Freytag, die im mittlerweile coronabedingt geschlossenen Modegeschäft von Ulrike Teterycz arbeitet. Dort steht im Schaufenster ein "Schutzmantel-Josef" aus dem Grödnertal, wie es auf der Beschreibung heißt.

Der Spaziergang durch Seeshaupt mit Ausstellungsbesichtigung kann auch zu einer Art Suchspiel werden, denn die Darstellungen der Heiligen Familie in Bethlehem sind manchmal gar nicht auf den ersten Blick in den Auslagen und Schaufenstern zu entdecken. Die Figuren sind nicht groß, oft nur eine Handbreit hoch. Die kleinen Grüppchen oder einzelnen Skulpturen sind ohne weiteres Beiwerk aufgestellt, keine Zweiglein, keine Kerzen, keine Christbaumkugeln. So geraten sie nicht in die Nähe von Weihnachtskitsch, sondern wirken eher wie kleine Kunstwerke. Damit sie gut zur Geltung kommen, hat die Bürgerstiftung von den Oberland-Werkstätten in Gaißach weiß gestrichene Holzkisten mit Beleuchtung anfertigen lassen. Manche davon sind nur so groß wie ein Schuhkarton. Zu jedem Ausstellungsstück gehört eine kurze Beschreibung mit Angaben über Herkunft und Material.

So finden sich diese Ensembles nun in ganz unterschiedlicher Umgebung, vor allem in der Ortsmitte aber auch bis hinaus zu Flurweg und St.-Heinricher-Straße. In einem Laden an der Penzberger Straße etwa, stehen hohe Damen-Lederstiefel auf blauen Podesten, direkt daneben, etwas niedriger eine bunte Sechsergruppe aus Dänemark. Beim Steuerberater ein Stück weiter dreht in einem Schaufenster eine Modelleisenbahn vor Alpenkulisse ihre Runden, im nächsten Fenster ist eine Ton-Krippe aus Böhmen zu entdecken. Der örtliche Elektroinstallateur nutzt eine seiner Auslagen, um ein paar Schalter-Steckdosen-Kombinationen zu präsentieren, hinter dem Fenster daneben ist eine Porzellankrippe aus Kalabrien zu entdecken.

"Das ist eine nette Sache. Schön, dass das schon eine Art Tradition wird", findet Christian Höck, der in seinem Sachverständigenbüro Ebenholz-Schnitzereien aus Tansania zeigt. Die Marktszene aus Neapel, eines der größeren Exponate, steht im Weinladen von Andreas Tränkl an der Hauptstraße. "Das passt einfach gut dazu", findet er. Seine Spezialität sind Weine in kleiner Stückzahl von Winzern in Italien, die er meist persönlich kennt.

In allen möglichen Läden stehen die Krippen, auch in einer Bankfiliale, in der Apotheke oder im Café. Beim Makler ist die Szenerie in Bethlehem vor 2020 Jahren aus Olivenholz geschnitzt; mit Stall, Palme, Ochs und Esel, Heiliger Familie und Abgesandten aus dem Morgenland. Im nächsten Schaufenster dann Herbergssuche der anderen Art: Ein Haus in Un- terzeismering wird für knapp 1,4 Millionen Euro angeboten, eines in Berg für 1,8 Millionen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: