Die Geschäftsführer der Asklepios-Klinik Bad Tölz und der Kreisklinik Wolfratshausen sehen die ländliche Gesundheitsversorgung bedroht, sollte die von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach geplante Krankenhausreform realisiert werden. Asklepios-Sprecher Felix Rauschek erklärt, durch ein geplantes System aus Leveln und Leistungsgruppen würde kleineren Kliniken, die insbesondere im ländlichen Bereich bislang eine feste Säule der Versorgung seien, die Existenzgrundlage entzogen. Die Kreisklinik wiederum könnte nach Überzeugung ihres Geschäftsführers Ingo Kühn den Anforderungen an eine sogenannte Level-II-Klinik (Regel- und Schwerpunktversorger) nur nach "massiven Investitionen" genügen.
Diese Kritik basiert auf einer von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) beauftragten Analyse. Demnach müsste sich etwa jede dritte der 400 Kliniken im Freistaat in eine Art medizinisches Versorgungszentrum mit angegliederter Pflegestation verwandeln. Dort würden Patienten ambulant behandelt und gesund gepflegt. Ein regulärer Stationsbetrieb, eine Notaufnahme oder gar eine Geburtsstation wären aber nicht mehr vorgesehen. Lediglich 42 Krankenhäuser in Bayern dürften noch eine umfängliche stationäre Versorgung über mehrere Fachrichtungen anbieten. Staatsregierung, Landkreise, Städte und die Bayerische Krankenhausgesellschaft (BKG) sind sich einig in der Einschätzung, dass die Reform so nicht kommen dürfe.
Rund 28 000 Patientinnen und Patienten sind 2022 in Bad Tölz versorgt worden
Der Tölzer Klinik-Geschäftsführer schreibt über sein Haus, dort seien in den vergangenen Jahren umfangreiche Investitionen vorgenommen worden. Das Leistungsspektrum sei ausgebaut, die Zahl der Mitarbeitenden erhöht worden. Im vergangenen Jahr seien in zwölf Fachabteilungen rund 28 000 Patientinnen und Patienten stationär und ambulant versorgt worden. Aktuell erfülle die Asklepios-Stadtklinik Bad Tölz als einer von nur etwa 15 Prozent der 1731 Krankenhausstandorte in Deutschland die Anforderungskriterien der Stufe 2 (erweiterte Notfallversorgung), so Rauschek, und biete ein umfangreiches Behandlungsspektrum mit zahlreichen Spezialisierungen, die weit über die Grund- und Regelversorgung hinausgingen. "Eine solch erfolgreiche Entwicklung und der Ausbau des Behandlungsspektrums wären für die Klinik unter den Bedingungen der von Herrn Lauterbach nun vorgeschlagenen Reform nicht möglich gewesen", betont der Geschäftsführer.
Die von Lauterbach eingesetzte Kommission hatte Ende vergangenen Jahres einen Vorschlag für eine grundlegende Reform der Krankenhauslandschaft gemacht: Komplizierte Eingriffe sollten künftig nur noch an wenigen großen Häusern vorgenommen werden. In den kleineren Landkrankenhäuser würden dagegen vor allem Notfälle behandelt oder die älter werdende Bevölkerung versorgt. Außerdem sollen die weniger werdenden Fachärzte auf den Stationen der größeren Häuser zusammengezogen werden.
Der Ärztemangel werde verschärft, befürchtet Rauschek
Rauschek erklärt, durch die reformbedingte Aufteilung hätten kleinere Kliniken im ländlichen Raum das Nachsehen. "Kleine Krankenhäuser der Stufe-1 die nur über eine geringe Zahl an Fachabteilungen verfügen, werden in einen Wettlauf um die Einordnung in eine höhere Versorgungsstufe gedrängt, wobei sie sich die Investitionen dafür nicht leisten können und wirtschaftlich in Schieflage geraten." Unzählige Krankenhäuser würden damit an den Rand der Insolvenz getrieben. Gleichzeitig werde der Ärztemangel insbesondere in ländlichen Regionen weiter verschärft.
Dagegen werde das generelle Problem der Unterfinanzierung des deutschen Gesundheitssystems mit der Reform nicht angegangen, so Rauschek. Vielmehr würden die ohnehin knappen Mittel nicht aufgestockt, sondern nur zu Gunsten der großen Häuser und Unikliniken anders verteilt.
"Große Sorgen" macht sich nach eigenem Bekunden auch Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler), obwohl er grundsätzlich einen Reformbedarf im Gesundheitswesen sieht. Die Kreisklinik Wolfratshausen läge nach der jetzt geplanten Reform in der Versorgungsstufe 1 (Grundversorger). "Wenn die Reform so kommt, wie sie im Entwurf formuliert ist, dann muss man sehen, welcher Spielraum tatsächlich noch für Spezialisierungen bleibt", erklärt Niedermaier. "Dabei ist die Klinik zum Beispiel beim Weaning richtig gut." Weaning ist die Entwöhnung eines beatmeten Patienten vom Beatmungsgerät. Aber bislang, so der Landrat weiter, beruhe die gesamte Diskussion auf einem Vorschlag der Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung. "Es liegt noch kein Gesetzentwurf des Bundesgesundheitsministeriums vor. Der muss dann noch parlamentarisch diskutiert und beschlossen werden. Und erfahrungsgemäß wird kaum ein Gesetz so verabschiedet, wie es im ersten Entwurf eingebracht wird."

Ingo Kühn, Geschäftsführer der Kreisklinik Wolfratshausen, sieht in der geplanten Reform ebenfalls eine Bedrohung für die Gesundheitsversorgung vor allem im ländlichen Raum. Regionale Begebenheiten würden vollkommen außer Acht gelassen, erklärt er. Eine Reduzierung des medizinischen Angebots sei zu befürchten. "Aufgrund der massiven Reduzierung und Zentralisierung der stationären Versorgung wird dies erwartungsgemäß auch negative Auswirkung auf die ambulante Versorgung und den Rettungsdienst mit sich ziehen", prognostiziert Kühn. Bereits jetzt seien die Rettungskräfte vor Ort durch lange Verlegungsfahrten gebunden. "Würde das Leistungsspektrum ländlicher Kliniken großflächig nun noch weiter reduziert werden, wird sich die Situation noch zusätzlich verschärfen."
Der Geschäftsführer der Kreisklinik Wolfratshausen spricht von der Umverteilung von Geld für größere Häuser
Wie Rauschek betont Kühn, das deutsche Gesundheitssystem sei seit Jahrzehnten unterfinanziert, das Reformvorhaben ändere daran nichts. "Das vorhandene Geld wird nur zu Gunsten größerer Häuser und Universitätskliniken umverteilt."
Gemäß den Anforderungen für die in der Reform vorgesehene Versorgungsstufe II könne die Kreisklinik Wolfratshausen mit ihrem aktuellen Leistungsangebot gegenwärtig nur als Level-I-Klinik eingestuft werden, so der Geschäftsführer. Für Level II wären "massive Investitionen" erforderlich, um das medizinische Spektrum über die derzeitige Grund- und Regelversorgung hinaus anbieten zu können. Kühn nennt als Beispiele den Aufbau der Fachabteilungen Kardiologie mit Linksherzkatheter und eine zertifizierte Schlaganfalleinheit. "Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreisklinik wären jedoch dazu bereit und hoch motiviert, diesen Schritt mitzugehen, um die Gesundheitsversorgung vor Ort auch weiterhin für alle Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten. Dies gelingt jedoch nur, wenn auch die notwendigen Investitionen gemacht werden können." Das Fazit des Geschäftsführers stimmt sinngemäß mit dem des Landrats überein: "Der aktuelle Reformvorschlag bedarf dringend einer Überarbeitung."

