Konzertrezension:Subtile Tongemälde

Bastian Jütte Quartett

Mal brüskierend, mal einfühlsam-zart: Das Quartett um Schlagzeuger und Komponist Bastian Jütte (re.) bot in der Aula der Penzberger Grundschule experimentierfreudigen Jazz mit einer melancholischen Grundnote.

Schlagzeuger und Komponist Bastian Jütte und sein Quartett bieten in Penzberg einen Jazzabend voller Dynamik und Experimentierfreude, aber auch mit einer melancholischer Grundstimmung.

Von Barbara Szymanski

Es gibt scharfe Off-Beats, kunstvoll aufgehängte Töne und kaum fassbare Verknotungen von Themen, die nicht so leicht ins Ohr gehen. Wenn dann noch Anton Bruckners symphonische Ideen mit Jimi Hendrix' Traktieren von Gitarrensaiten in Wettstreit geraten, können eigentlich nur Bastian Jütte und sein gleichnamiges Quartett am Werk sein. Denn der Schlagzeuger entwirft als Komponist ganz neue Klanggemälde für die weite Welt des Jazz. Tupft zarte Farben mit dem Besen auf die Becken oder trägt dick auf mit den Stöcken, lässt es glockenhell klingen oder aber rumpeln und knattern, dass den Zuhörern in der gut besuchten Aula der Grundschule an der Südstraße in Penzberg fast der Atem stockt.

Bei jeder seiner Nummern entsteht ein Musik-Bild, das fast dreidimensional erscheint. Denn daran beteiligen sich noch drei Musiker, die jeder für sich genommen zu den Kreativsten in Sachen jazzige Tongemälde zählen. So wie der Pianist Rainer Böhm, der mit seinem aufmüpfigen Tanz auf den Tasten immer wieder Dialoge oder fast schon Streitgespräche mit den anderen Instrumenten führt. Da klingt es bei der Nummer "Rainer's Metha" fast schon geschwätzig, wenn er alle, wirklich alle Tasten des Flügels anschlägt, und das in einer unglaublichen Geschwindigkeit. Dabei wirkt sein Spiel nicht verhastet, sondern präzise, dynamisch oder einfühlsam, je nach Intuition oder der Notwendigkeit, zum Spiel der anderen etwas beizusteuern oder mal kantig und widerspenstig aufzutrumpfen.

Bemerkenswert sind die Intros der Kompositionen des Drummers. Sie kommen knapp gehalten, fast schon kurzlebig daher und sind immer von einer berührenden Melancholie nachgerade beseelt. Die Spezialisten im Publikum atmen aus, denn sie wissen, was sich meist nach einer dieser subtilen Einleitungen entfaltet: explodierende Offerten an das, was musikalisch noch machbar ist. Was die Instrumente hergeben wie ein kaum wahrnehmbarer Windhauch aus dem Altsaxofon von Florian Trübsbach oder dem Grollen und Wispern des Kontrabasses von Henning Sieverts. Dieser scheint geradezu Spaß zu haben an diesen Einwürfen, die für sich gesehen eigentlich unerhört, wenn nicht schon infantil sind.

Was bleibt, ist eine wehmütige Grundstimmung der Kompositionen, die aber keinesfalls den musikalischen Weltuntergang heraufbeschwören, sondern im Gegenteil das Zeug haben, dass sich diese vitalen und experimentierfreudigen Musiker erden - und das geneigte Publikum mit ihnen. Kaum haben die Zuhörer eine Melodie aufgeschnappt, zerfällt sie auch rasch wieder in tausend Stücke. Rhythmische Akzente gibt es genügend, die aber fliegend wechseln, bei "Five Wigs", aber auch mal im sperrigen 5/4- Takt verbleiben, zumindest eine Weile lang. Und immer wieder diese Herausforderungen, wenn der Klarinettist sich austobt, wenn er Tonleitern in einem kurzen Augenblick überspringt und die Melodie zerfetzt.

Doch es gibt auch diese kunstvollen Pausen, dieses Atemholen, dieses Spannung-Aufbauen und die Entladung danach. Und bei manchen Nummern wie "Nobody's Song" entsteht sogar ein Groove, bei dem sich die Köpfe der Zuhörer wie ferngesteuert hin und her bewegen. Jetzt haben die Vier alle gepackt, jetzt könnte man sich einlullen lassen und die Disco-Kugel einschalten. Funktioniert aber nicht lange. Denn Bastian Jütte hat mit dem Pianisten schon wieder einen Einfall, der wegführt aus der Wohlfühlecke - hinein in kaum fassbare musikalische Zusammenhänge.

Überraschend sind auch die Abschlüsse mancher Stücke, und wie sie nach ausführlicher Korrespondenz, irrwitzigen Taktwechseln und dynamischem Kreisen, fast einem Ringen um und mit Themen abrupt enden: wie mit einer Stimme und einem Ton. Diesen Zeitpunkt erwischen alle Vier. Das wird mit Applaus belohnt, für den sonst kaum Zeit bleibt. Weil das Publikum auf der Hut sein muss, die höchsten Töne des Saxofons noch zu erfassen oder das andauernde Mitgestalten des Schlagzeugers richtig einzuordnen. Dieser bleibt trotz heftiger körperlicher Arbeit an seinen Blechen und Fellen äußerlich cool und agiert oft mit geschlossenen Augen. Denn jedes Bandmitglied weiß, was es wann zu tun hat. Es ist dennoch ein Jazz-Abend, der musikalisch brüskiert mit knalligen Tonfarben, aber durch den stets melancholischen Grundgedanken ein insgesamt versöhnliches Klanggemälde erschafft.

Es gibt viel Applaus und die Aussicht, dass für 2021 wieder Jazz-Tage in Penzberg geplant sind - auch mit Bastian Jütte und seiner Band.

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