Konzertkritik:Vom Tag des Zorns ins ewige Leben

Benediktbeurer Konzerte

Die Brass Band ist nach britischem Vorbild wie ein Orchester besetzt - von der Kornette in der Oberstimme bis zur Tuba im Bass.

(Foto: Manfred Neubauer)

Die Brass Band München gastiert mit "Vitae Aeternum" in der Basilika Benediktbeuern mit überwältigenden Klangmassen

Von Sabine Näher, Benediktbeuern

Es ist zunächst schon optisch beeindruckend, wenn knapp 30 Blechbläser mit ihren funkelnden Instrumenten Aufstellung nehmen. Aber wenn sie dann alle gleichzeitig hinein blasen, ist der Effekt schlicht umwerfend. Bei weniger guten Musikern kann dies natürlich auch Fluchtreflexe auslösen. Dafür war am Sonntagnachmittag in der Basilika Benediktbeuern aber kein Grund. Denn die 2007 gegründete Brass Band München unter Leitung von Ekkehard Hauenstein ist ein hervorragendes Ensemble, das schon etliche Preise einheimsen konnte. Obwohl Blasmusik hierzulande wirklich weit verbreitet ist, findet sich eine solche, nach britischem Vorbild besetzte Brass Band, ein quasi sinfonisches Blasorchester, eher selten. Die Kornette haben die Oberstimme, Bariton, Flügelhorn, Horn und Euphonium die Mittellage; Posaune und Tuba besetzen den Bass. Ein gut ausgestattetes Schlagwerk kommt hinzu - schon kann die große Orchesterliteratur dargestellt werden.

Die "Fanfare in Jubilo" des 1966 geborenen Thomas Doss machte in Benediktbeuern die quasi himmelstürmende Eröffnung: Überwältigende Klangmassen, die durch den Kirchenraum wogen und weniger an geistliche, als an opulente Filmmusik denken lassen. Doch Ekkehard Hauenstein, der das Konzert auch moderiert, und zwar weitaus eloquenter und unterhaltsamer, als es mitunter vorkommt, wenn Musiker erklären wollen, was sie da tun, merkt an: "So wie die Sonne ihr Licht auf alle Menschen gleichermaßen verteilt, so kennt auch die Musik keine Grenzen - und erreicht alle." Dafür braucht es dann natürlich schon gewisse Klangentfaltung. Mit "Terra Pacem" von Mario Bürki, Jahrgang 1977, soll "der Wunsch aller Völker nach Frieden" gezeichnet werden. "Das Stück beginnt mit dem Herzschlag der Erde", erläutert der Dirigent. "Schöne, friedvolle Passagen werden immer wieder unterbrochen durch Zerwürfnisse. Ein strahlender Dur-Akkord am Ende verheißt Frieden im ewigen Leben." Und tatsächlich beschwört der Anfang eine sehr eigentümliche Stimmung herauf, vermittelt ein Gefühl, als schwebe man im Weltall umher, in einer großen, dunklen Materie. Einzelne Soli lassen helle Farben aufleuchten. Wie von Hauenstein angekündigt, sind gewaltige klangliche Entwicklungen zu verfolgen. Anton Bruckners Fassung des aus dem 13. Jahrhundert stammenden Dies-Irae-Chorals wird darauf von drei Solisten vorgetragen, sehr feierlich, aber leider ein wenig intonationsgetrübt.

Damit ist der Block eröffnet, der dem "Tag des Zorns" gewidmet ist. Und nun greift die Brass Band nach Verdis Requiem: Furios und absolut überwältigend gestaltet sie das "Dies Irae", wobei am meisten verblüfft, dass man die Chorstimmen kaum vermisst. Der gewohnte Gesamteindruck stellt sich auch so ein. Das liegt daran, dass die Sänger vor dem groß besetzten Orchesterapparat ohnehin hauptsächlich Klang und weniger Text transportieren können. Das Tenorsolo im "Ingemisco" lässt die Stimme dann aber doch vermissen, ebenso ist das Gesangsquartett im "Lacrymosa" nicht vollwertig durch die Bläser zu ersetzen, auch wenn diese Soli allesamt sehr ausdrucksvoll gestaltet sind.

Völlig in ihrem Element ist die Brass Band dann wieder bei Enrique Crespo, Gründer des Ensembles German Brass: Seine "Bruckner-Etüde für das tiefe Blech" erweist sich allerdings als etwas statisches Werk ohne großes Gestaltungspotenzial. Nach den Sternen greifen die Bläser dann in Tumasch Dolfs (1889-1963) "Allas Steilas": Aus einer verhaltenen, abgedunkelten Stimmung entfaltet sich eine wachsende Leuchtkraft, so als stünde man unter dem nächtlichen Himmel, an dem immer mehr Sterne aufgehen.

Den End- wie Höhepunkt sollte nach Hauenstein das titelgebende Werk "Vitae Aeternum" von Paul Lovatt-Cooper, geboren 1976, darstellen. "Ein strahlender Jubel als Vorfreude auf das ewige Leben" werde geboten. Die Klanggewalt, die nun aufgeboten wurde, mag aber nicht jedermanns Vision vom ewigen Leben entsprechen. Schön, dass die mit viel Beifall erklatschte Zugabe, das Traditional "Abide with me", einen besinnlichen Ausklang schuf.

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