Konzertkritik:Makellos wie eh und je

Konzertkritik: Dem Jugendorchester der Musikschule Wolfratshausen gelangen besonders die barocken Werke gut.

Dem Jugendorchester der Musikschule Wolfratshausen gelangen besonders die barocken Werke gut.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Der Wolfratshauser Kinderchor unter Yoshihisa Kinoshita konzertiert in Waldram zusammen mit dem Jugendorchester der Musikschule

Von Reinhard Szyszka, Wolfratshausen

Hat denn das Konzert schon angefangen? Die zahlreich erschienenen Zuhörer werden von Chorklängen begrüßt, als sie am Donnerstagabend die Kirche Sankt Josef der Arbeiter in Waldram betreten. Aber keine Sorge: Das ist noch nicht das Konzert; der Kinderchor singt sich nur ein und wiederholt die ersten Takte der heikelsten Nummern des Programms. Dass dieses Einsingen coram publico stattfindet, liegt wohl an den begrenzt zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten, denn auch das Jugendorchester der Wolfratshauser Musikschule hat seinen Auftritt bei diesem Konzert und will sich zuvor einspielen.

Das Jugendorchester - ausschließlich Streicher - bestritt die erste Hälfte des Programms. Eine erfreulich große Anzahl von Kindern und Jugendlichen aller Altersstufen lernt an der Musikschule ein Streichinstrument, und so war es eine beeindruckend große Schar junger Nachwuchsgeiger, -bratscher und -cellisten, die da auf die Bühne drängte. Zu Beginn spielten alle gemeinsam zwei Sätze einer Streichersonate von Johann Christoph Pepusch und präsentierten einen erstaunlich homogenen Klang. Bei den nachfolgenden Nummern ließen sich die Altersgruppen getrennt hören, während diejenigen, die gerade pausierten, von der Bühne abtraten. So gab es ein ständiges Kommen und Gehen zwischen den Stücken, und die Lehrer Josef Vorbuchner und Sigrid von Kracht, die sich die Leitung teilten, hatten alle Hände voll zu tun, die Stühle und Pulte immer wieder umzugruppieren.

Es wurde deutlich, dass Vorbuchner und von Kracht mit ihren Streichern ein ähnliches Konzept verfolgen, wie es Yoshihisa Kinoshita seit Jahrzehnten mit seinen Sängern praktiziert, nämlich, die jungen Musiker ohne Zwang sich entwickeln zu lassen. Die Programmzusammenstellung erlaubte einen faszinierenden Vergleich der Leistungsstufen, von den ganz Kleinen über die mittleren Jahrgänge bis zu den Großen.

Besonders gut gelangen den jungen Streichern die barocken Werke: neben Pepusch waren Georg Philipp Telemann sowie der Italiener Carlo Ricciotti vertreten. Aber auch die "Scenes Roumaines" des französischen Komponisten Charles Henry Joubert, der selbst Streicher ist, beeindruckten mit ihrem Nebeneinander von Neobarock und Moderne.

Dann traten die Streicher ab, und der Kinderchor nahm zunächst unter der Orgelempore Aufstellung. Einige wenige Sänger stimmten oben einen alpenländischen Jodler an, die Sänger unten griffen diesen auf, und ruhig und diszipliniert begab sich der Chor nach vorn zur Bühne, dabei ständig weitersingend und weiterjodelnd. Ein eindrucksvoller Auftritt.

Wie Chorleiter Kinoshita erläuterte, bereitet sich der Chor gerade auf ein Festival in Belgien vor; daher waren einige Stücke des Programms nach Kinoshitas Worten "noch nicht fertig". Dieses Unfertige, noch nicht bis zur letzten Konzertreife Geprobte trat freilich nur bei ganz wenigen Stücken zutage, und die meisten Kinder- und Jugendchöre wären heilfroh, könnten sie jemals einen solchen Probenstandard erreichen wie das "noch nicht Fertige" bei Kinoshita.

Der Kinderchor zeigte seine gewohnten Qualitäten: makellose Intonation, runder Chorklang, klare Textbehandlung, überlegene Gestaltung. Die Kinder und Jugendlichen sangen das gesamte Programm auswendig und ließen sich nicht die kleinsten Unsicherheiten in Musik oder Text anmerken. Eine beeindruckende Gedächtnisleistung, denn auch wenn die Werke fast alle aus neuerer Zeit stammten - eine Motette des britischen Renaissance-Komponisten William Byrd bildete die Ausnahme -, so deckten sie doch ein gewaltiges stilistisches Spektrum ab, von Schlagern bis zu rhythmisch und harmonisch komplexen Stücken.

Und nicht nur als Sänger mussten sich die jungen Künstler bewähren, sondern bei manchen Werken auch als Tänzer oder Body-Percussionisten. Es fällt schwer, einzelne Höhepunkte herauszugreifen; das "Ave Maria" von Siegfried Strohbach aber muss erwähnt werden, weil dieses anspruchsvolle Stück nicht dem Tutti-Chor, sondern fünf Solistinnen im Quintett anvertraut war und meisterlich gelang.

Natürlich blieb bei dieser Leistung der begeisterte Schlussapplaus nicht aus. Kinoshita bat zum Abschluss auch die Streicher nochmals auf die Bühne und gestaltete eine Zugabe, bei der auch das Publikum sowie die Streicher mitsingen durften. Ein sicherer Erfolgsgarant und ein vergnüglicher Abschluss eines beeindruckenden Konzerts.

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