Konzertkritik:Lohnende Marotte

Konzertkritik: Lange Bögen: Das Bartholdy-Quintett mit Ulf Schneider, Anke Dill (beide Violine), Gustav Rinibius (Violoncelleo), sowie Barbara Westphal und Volker Jacobsen (beide Viola, von links) überzeugt in der Loisachhalle.

Lange Bögen: Das Bartholdy-Quintett mit Ulf Schneider, Anke Dill (beide Violine), Gustav Rinibius (Violoncelleo), sowie Barbara Westphal und Volker Jacobsen (beide Viola, von links) überzeugt in der Loisachhalle.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das Bartholdy-Quintett spielt Zemlinsky, Mozart und Mendelssohn in der Loisachhalle

Von Reinhard Szyszka, Wolfratshausen

"Was ziehst du mich, sehnend verlangender Sinn?" Dieses Zitat aus einem Schubert-Lied hat Felix Mendelssohn Bartholdy notengetreu in das Finale seines zweiten Streichquintetts eingebaut. Am Samstag war dieses Werk in der Loisachhalle zu hören, interpretiert passenderweise vom Bartholdy-Quintett. Außerdem auf dem Programm: Zemlinsky und Mozart. Die Halle war zu etwa zwei Dritteln gefüllt. Das Überangebot an Kammermusik in der Region ist mittlerweile so groß, dass auch der Konzertverein Isartal mit dem Problem kämpft, bei Kammerkonzerten den Saal nicht voll zu bekommen. Und das, obwohl die Spieler des vereinseigenen Orchesters bei solchen Konzerten ja "frei" haben und im Publikum sitzen könnten.

Das Bartholdy-Quintett ist kein ganz junges Ensemble mehr, das zu jedem Meisterwerk die himmelstürmende, so noch nie dagewesene Interpretation finden müsste. Demgegenüber können es sich die Bartholdys leisten, die Musik einfach fließen, für sich selbst sprechen zu lassen. Und gerade das tut den Werken gut. Noch eine Besonderheit: bei den gedoppelten Stimmen dieses Ensembles - also bei Violine und Viola - gibt es kein festes Eins und Zwei, sondern es wird getauscht. Nach der Pause saßen die, die zuvor an den zweiten Pulten gesessen hatten, an den ersten, und umgekehrt. Die Aufstellung vor der Pause brachte die strahlenderen, brillanteren Klänge, während nach der Pause die kammermusikalische Ausgewogenheit besser gewahrt blieb. Beides hat seine Vor- und Nachteile.

Die Bartholdys begannen ihr Programm mit den zwei Sätzen für Streichquintett von Alexander Zemlinsky, dem zeitweiligen Kompositionslehrer von Arnold Schönberg. Mit romantischer Leidenschaft gingen die Musiker das Werk an, fast orchestral im ersten und tänzerisch bis schwelgerisch im zweiten Satz. Von der Aussage des Komponisten, Tonart sei kein absoluter Wert mehr, ist hier noch nichts zu spüren: alles ist völlig tonal und schlüssig. Die Musiker meisterten das spätromantische Fragment mit Bravour.

Dann folgte das mit Abstand bekannteste Werk des Abends: das g-Moll-Quintett von Mozart. Hier hatte fast jeder im Publikum seine Lieblings-Einspielung im Ohr, gegen die die Bartholdys bestehen mussten. Sie taten es, indem sie Mozarts Vortragsanweisung auf das penibelste befolgten. Selbst die Bindebögen, die meist nur als ein allgemeines Legato verstanden werden, erklangen diesmal konsequent auf einen Bogenstrich. Meistens jedenfalls: Bei sehr langen Bögen kam es doch in Ausnahmefällen vor, dass ein Strichwechsel eingeschmuggelt wurde. Das sei den Künstlern verziehen, sorgten doch die langen Bögen für überraschende Effekte. Ein Beispiel: Chromatische Tonleitern auf einen Strich klingen lauernd, finster bedrohlich. Die Musiker lieferten eine packende, mitreißende Interpretation des berühmten Quintetts. Besonders gut gelang ihnen im Finale der Übergang zum Dur: Das befreite Aufatmen, das "endlich!" kam überzeugend daher.

Nach der Pause nun Mendelssohn, und da überraschte es doch, dass die Musiker ausgerechnet für dieses brillante Werk, das dem Violinvirtuosen Ferdinand David gewidmet ist, die kammermusikalisch ausgewogene Aufstellung wählten. So klang das Quintett ungewohnt brav und bieder, was aber auch kein Nachteil zu sein braucht. Die Bartholdys meisterten das energisch Vorwärtsdrängende im Kopfsatz ebenso wie das Lastende, Hoffnungslose im langsamen Satz. Und im Finale mit dem eingangs erwähnten Schubert-Zitat waren sie vollends in ihrem Element, ist doch Mendelssohn ihr Namenspatron und geistiger Übervater, auch wenn er schon lange tot ist.

Danach großer, berechtigter Applaus und Bravo-Rufe. Die Künstler zierten sich zunächst etwas und ließen sich mehrfach auf die Bühne rufen, ehe sie sich zu einer Zugabe bereit erklärten. Mit dieser kehrten sie zu Mozart zurück und spielten das Menuett aus dessen Es-Dur-Quintett. Und wieder hörte man die langen Bogenstriche. Eine Marotte der Bartholdys? Vielleicht, aber eine lohnende und interessante allemal.

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