Konzertkritik:Eleganz, Tanz und Trauer

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Intensiv und voller Esprit: Ilona Then-Bergh, Michael Schäfer und Wen-Sinn Yang (v.li.) in der Loisachhalle. (Foto: Hartmut Pöstges)

Mit Haydn, Mendelssohn und Tschaikowsky zeigen Münchner Hochschulprofessoren die Tiefe der Kammermusik für Klaviertrio

Von Paul SChäufele, Wolfratshausen

Ein sorgloser Rausschmeißer; ein verhaltener Tanz, der sich in einen Choral verwandelt; ein Trauermarsch. Die Finali der in der Loisachhalle aufgeführten Klaviertrios von Haydn, Mendelssohn Bartholdy und Tschaikowsky könnten unterschiedlicher nicht sein. So nebeneinander gestellt, wirken sie beinahe wie Stufen einer musikalischen Entwicklung. Die Interpretation von Ilona Then-Bergh, Wen-Sinn Yang und Michael Schäfer trägt dazu bei. Die drei Professoren der Münchner Musikhochschule zeigen ihren Blick auf die drei Standardwerke des Repertoires, mit wachsendem Esprit und steigender Intensität.

Das C-Dur-Trio Nummer 43 von Joseph Haydn wirkt da noch als willkommenes Einspiel-Stück. Man findet sich zusammen. Das klingt im Kopfsatz elegant, nur selten streift man das Etüdenhafte, Mechanische. Im Mittelteil, der Durchführung, werden auch grüblerische Töne angeschlagen. Doch in den ungewöhnlichen, chromatisch eingetrübten Episoden fehlt das Gefühl fürs Unheimliche, dabei gehört dieses Trio - der professionellen Pianistin Therese Jansen-Bartolozzi gewidmet - eben nicht mehr zu den freundlichen Hausmusik-Stückchen der Gattung. Mehr Ausdruck bietet das Trio im langsamen Satz, der nach einem fein strukturierten Anfangsteil mit einer dramatischen Moll-Passage überrascht. Die drei Musiker spielen die herben dynamischen Wechsel zupackend, aber nie ungestüm. In seinem geistreichen Plauderton wirkt das Finale dann wie die Ensembleszene einer Opera buffa. Über der sprudelnden Klavierbegleitung entwickeln sich witzige Dialoge zwischen den Instrumenten, die hier nun ganz natürlich aufeinander reagieren.

So eingespielt erscheint das zweite Mendelssohn-Trio vom ersten Takt an atmosphärisch dicht, die düstere Einleitung als Motto des Werkes: unruhig und in erwartungsvoller Spannung. Eingelöst wird diese Spannung in den konzertartig virtuosen Begleitfiguren des Klaviers, auf die Ilona Then-Bergh mit kernigem Geigenton und Wen-Sinn Yang mit warmer Cello-Kantilene reagieren. Mit flexibler Tempo-Gestaltung unterstreicht das Trio seinen Ausdruckswillen. In diesem Satz mit seinen pochenden Akkorden und plötzlichen Ausbrüchen ist nichts vorhersehbar. Ruhe kehrt erst im "Lied ohne Worte" des zweiten Satzes ein. Wo in diesem Trio sonst häufig das Klavier dominant wirkt, haben bei dieser Wiegenlied-Weise Geige und Cello Gelegenheit, im Duett zu singen. In den weit ausschwingenden Phrasen passen sich Then-Berghs und Yangs Ton perfekt einander an. Mit sensibel getupften Akkorden fügt sich Schäfer ins Klangbild ein.

Diese Homogenität sucht man im Scherzo, einem jener mendelssohnschen Elfentänze, vergeblich. Auf die präzis artikulierten, gleichsam mit Fingerspitzen angefassten Pianissimo-Passagen folgen robuste Akzente und vollgriffige Akkorde - dynamische Wechselbäder. Mit dem selben Schwung geht das Trio das tänzerische Finale an. Auch der Schlüsselmoment, das Auftreten des von Mendelssohn selbst komponierten Chorals, bekommt keinen musikalischen Heiligenschein, sondern wird geradeaus gespielt, was die Wirkung nur steigert und vor allem klar macht: Dass eine furiose Coda das Werk in optimistischem Dur beschließt, liegt vor allem an jener kraftvollen Choralmelodie.

Von Optimismus ist in Tschaikowskys einzigem Klaviertrio wenig zu spüren. "À la mémoire d'un grand artiste" ist es überschrieben, zum Gedächtnis eines großen Künstlers - ein klingendes Grabmal für Nikolai Rubinstein, Tschaikowskys Freund und Mentor. In elegischem Ton beginnen nacheinander Klavier, Cello und Geige, eine Maschine, die sich langsam in Gang setzt. Für diese klangliche Weite, die den ganzen Satz bestimmen soll, ist zu einem guten Teil Wen-Sinn Yang verantwortlich, dessen offener, wandelbarer Ton hier strukturierend wirkt. Das ist absolut nötig, denn Tschaikowskys Trio ist - ein offenes Geheimnisse der Kammermusik - mit einer durchschnittlichen Aufführungsdauer von 45 Minuten viel zu lang. Es sind einfach zu viele Noten drin, vor allem der Klavierpart ist damit etwas überlastet. Und während Michael Schäfer damit beschäftigt ist, möglichst viele davon abzuarbeiten, ist es der Phrasierungsintelligenz von Ilona Then-Bergh und Wen-Sinn Yang zu verdanken, dass das Publikum gespannt zuhört. Das gilt insbesondere für das Finale, einen Variationensatz über eine liedhafte Melodie. Das Trio gestaltet sie als Charakterstücke, ein cis-Moll-Lamento neben spieldosenhaftem Klavier-Geklingel, ein schwungvoller Walzer in Tschaikowskys bestem Ballett-Stil, eine ausgelassene Mazurka. Aber es hilft alles nichts, nach karnevalesker Fröhlichkeit kehrt das anfängliche a-Moll zurück und hinterlässt nichts als die Trümmer einer Marcia funebre.

Mit Gefühl für die Stillage (und die Längen) dieses Werks musiziert, ist der Eindruck erschütternd. Nach einem Moment der Stille großer Applaus. Doch mit dieser Tragik wollte das Trio die Hörer nicht nach Hause gehen lassen. Ein bittersüßes Schmachtstück von Joel Engel hat beruhigend gewirkt.

© SZ vom 21.10.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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