Konzertkritik:Die Tücken der Abendsonne

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Tomoko Sawallisch spielte in der Seeburg gegen die Sonne an. In der zweiten Programmhälfte konnte sie dann aber ihre ganze Kunst entfalten. (Foto: Harry Wolfsbauer)

Tomoko Sawallisch eröffnet die Holzhauser Musiktage in der neoromantischen Seeburg Allmannshausen mit einem gelungenen Klavierabend

Von Reinhard Szyszka, Münsing

Ein wenig kriminell ist es ja schon, zur Seeburg Allmannshausen zu fahren. Egal, von welcher Seite man kommt: Die letzten Kilometer verlaufen über Straßen, die nur mit Sonderausweis benutzt werden dürfen. Nun hat die Leitung der Holzhauser Musiktage mit den Verantwortlichen vereinbart, dass die Konzertbesucher auf diesen Straßen fahren dürfen. Doch nur, wer seine Karte im Vorverkauf erworben hat, kann sie bei einer Kontrolle auch vorweisen. Wer erst bei der Abendkasse sein Ticket kaufen will, muss hoffen, dass man ihm die Absicht des Konzertbesuchs glaubt.

Doch egal - ungewöhnliche An- und Abfahrten gehören bei den Holzhauser Musiktagen zum Programm, man denke nur an Gut Ried. Und die Seeburg Allmannshausen, die trotz ihres Namens auf Münsinger Gemarkung liegt, ist als Spielstätte ein echter Gewinn. Ein prachtvoller neoromanischer Burgenbau, sozusagen Neuschwanstein im Westentaschenformat, dazu der herrliche Blick über den abendlichen Starnberger See - schöner, romantischer kann man sich einen Konzertort kaum wünschen. Der Nachteil soll freilich auch nicht verschwiegen werden: Einen großen Konzertsaal gibt es in der Seeburg nicht.

So wie im Vorjahr war auch diesmal ein Klavierabend in der Seeburg anberaumt. Beim Betreten des Konzertraums stellte man fest, dass die Veranstalter eine neue Raum- und Sitzordnung gewählt hatten. Im vergangenen Jahr hatte sich die Platzierung des Flügels zwischen zwei Räumen als problematisch erwiesen; jetzt stand das Instrument an der Wand, und davor waren die Stuhlreihen aufgebaut, die sich bis in den Nachbarraum erstreckten. Für die Akustik zweifellos eine deutliche Verbesserung!

Dass auch diese Lösung ihre Tücken hat, merkte man, als die Pianistin Tomoko Sawallisch auftrat: Die Abendsonne blendete die Künstlerin direkt in die Augen. Sie versuchte, das Fenster zu schließen, aber blickdichte Jalousien gibt es dort nicht. Sawallisch versuchte, trotz der Blendung zu spielen, die Augen zu schließen oder nur auf die Tasten zu schauen. Kein Wunder, dass die Musikerin im ersten Konzertteil unter ihren Möglichkeiten blieb und erst nach der Pause zeigen konnte, was wirklich in ihr steckt. Sawallisch begann ihr Programm mit zwei Sonaten von Domenico Scarlatti. Mit hartem, klarem Anschlag setzte sie diese Musik, die so ganz aus dem Klang des Cembalos heraus erfunden ist, auf das Klavier um. Besonders die zweite Sonate verwendet ausgiebig den nach diesem Komponisten benannten Scarlatti-Effekt, also das Übergreifen der einen Hand über die andere.

Der Programmzettel enthielt keinen Hinweis darauf, dass Scarlatti-Sonaten einsätzig sind, und so klatschte das Publikum nach der zweiten Sonate nicht, sondern harrte der Dinge, die da kommen sollten. Daher machte Sawallisch sofort mit dem nächsten Programmpunkt weiter: Beethovens Sonate "Der Sturm". Und siehe da: Beethovens Sturm-Sonate passt erstaunlich gut zu Scarlatti: gleiche Tonart, Scarlatti-Effekte hier wie dort, ähnliche technische Herausforderungen. Doch obwohl die Künstlerin beim ersten Satz ein eher ruhiges Tempo wählte, unterliefen ihr einige falsche Noten. Dem langsamen Satz hätte eine bessere lyrische Durchgestaltung nicht geschadet. Am besten gelang das Finale mit seiner unerbittlich vorwärtsdrängenden Motorik.

Nach der Pause stand die Sonne unter dem Horizont, und Sawallisch konnte ohne Beeinträchtigung spielen. Jetzt merkte man, was für eine hervorragende Pianistin sie ist. Wie beiläufig servierte sie die virtuosen Passagen bei Chopin und Liszt, wunderbar formte sie die Melodien der Chopin-Ballade, bezaubernd gelang ihr der große Bogen bei Debussys "La Lune". Der große Beifall am Ende war mehr als verdient, und die Künstlerin bedankte sich mit zwei bekannten Werken als Zugaben: dem Fantaisie-Impromptu von Chopin und dem dritten Liebestraum von Liszt.

Alles in allem ist die Seeburg ein traumhaft schöner Konzertort, den die Holzhauser Musiktage unbedingt beibehalten sollten. Am optimalen Innenaufbau, der den Musikern und dem Publikum gleichermaßen gerecht wird, wird noch gearbeitet.

© SZ vom 18.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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