Konzerte in der Krise:"Wir müssen uns zeigen!"

Konzerte in der Krise: „Die Leute klatschen, wir verbeugen uns, das alles gehört dazu, wenn man in Würde Musik macht“, sagt die Sopranistin Stephanie Krug, die ihre Tölzer Umgebung seit Wochen mit Konzerten erfreut.

„Die Leute klatschen, wir verbeugen uns, das alles gehört dazu, wenn man in Würde Musik macht“, sagt die Sopranistin Stephanie Krug, die ihre Tölzer Umgebung seit Wochen mit Konzerten erfreut.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Seit sieben Wochen lädt die Tölzer Sopranistin Stephanie Krug jeden Sonntagabend zu "Wintergartenklängen" ein. Ihr geht es um die Freude an der Musik, aber auch um die Würde der Künstler

Von Stephanie Schwaderer

Musik hilft gegen Traurigkeit und Einsamkeit. Mitte März riefen Italiener im Zeichen der strikten Ausgangsbeschränkungen erstmals zu einem landesweiten "Flashmob sonoro" auf. Bilder und Videos der italienischen Balkon-Konzerte gingen noch schneller um die Welt als das Corona-Virus. Seither hat es an vielen Orten Nachahmer gegeben. In Bad Tölz hat sich indes eine besondere kleine Konzertreihe etabliert: "Wintergartenklänge", zu denen die renommierte Tölzer Sopranistin Stephanie Krug jeden Sonntagabend einlädt.

SZ: Frau Krug, wann haben Sie entdeckt, dass sich Ihr Wintergarten als Ersatzbühne eignet?

Stephanie Krug: Das war am 22. März, als es den deutschlandweiten Aufruf gab, Punkt 18 Uhr Beethovens Ode an die Freude aus den Fenstern zu spielen. Eine schöne Idee. Wir wohnen hier in Hügellage, und der Wintergarten geht nach Süden auf das Gaißacher Sträßchen hinaus. Deshalb lag der Gedanke nahe, es dort zu probieren. Wir waren erstaunt, wie gut es klingt. Die Akustik hat gepasst, die Leute haben sich gefreut. Deshalb wollten wir es nicht bei einer einmaligen Aktion belassen.

Wie viele Wintergarten-Konzerte haben Sie seither gegeben?

Sieben, wir musizieren jeden Sonntag etwa eine Viertelstunde lang und immer unter einem anderen Thema. Von Monteverdi bis Kurt Weill war schon alles dabei. Zum Muttertag am vergangenen Sonntag habe ich ein Mozart-Programm zusammengestellt und mir auch eine Inszenierung ausgedacht. Die Ouvertüre zu Figaros Hochzeit kam vom Band, ich habe ganz gute Boxen, die haben wir mal richtig aufgedreht. Und dann sind wir durchs Haus gelaufen und haben wie in einem Versteckspiel der Handlung entsprechend aus verschiedenen Fenstern gespielt. Als Höhepunkt habe ich dann die berühmte Rosen-Arie der Susanna aus dem vierten Akt gesungen, passend zum Muttertag.

Wer außer Ihnen hat mitgewirkt?

Mein Sohn Jonathan an der Bratsche und sein bester Freund Gabriel Wolpert, er spielt Trompete. Sie sind bei jedem Konzert mit einem Vorspiel zur Ode an die Freude dabei. Außerdem meine Schülerin Charlotte Rein. Sie hat schon mehrfach bei Konzerten eine Arie gesungen. Auch das ist mir ein Anliegen: Schülern ein kleines Aufführungsforum zu bieten. Dann haben sie etwas vorzubereiten, das tut allen gut.

Sieben Programme in sieben Wochen, haben Sie keine Angst, dass Ihnen die Ideen ausgehen könnten?

Überhaupt nicht! Ich habe so ein riesiges Repertoire. Unter der Woche kommen mir immer einige Ideen, dann suche ich ein paar Noten heraus. Wir hatten schon West Side Story und ein reines Bach-Programm. Ein bisschen fühle ich mich auch wie Bach, der jeden Sonntag eine Kantate schreiben musste.

Was treibt Sie dazu an?

Musik gehört in die Öffentlichkeit, und zwar live. All diese Streaming-Angebote und Übertragungen aus den Wohnzimmern höre ich mir gar nicht an. Musik braucht den lebendigen Moment, damit sie ihre Kraft entfalten kann. Und mit den gebotenen Abstandsregeln lässt sich das auch in diesen Tagen verwirklichen.

Wen erreichen Sie mit Ihren Konzerten?

Das Angebot richtet sich in erster Linie an die Nachbarschaft. In den Gärten und auf der Straße sind es meist zwischen 25 und 30 Leuten. Wer hinter den Fenstern zuhört, kann ich nicht sagen. Regelmäßig kommen aber auch Spezialisten wie der einstige Kirchenmusikdirektor Friedrich Sauler und Lehrer des Gymnasiums vorbei, Angehörige von Schülern oder auch Mitglieder der Kirchengemeinde - viele haben den Gottesdienst vermisst. Wir beginnen immer mit einer gemeinsamen Ode an die Freude, und jedes zweite Mal singen wir zusammen Lieder, zum Beispiel aus dem evangelischen Gesangbuch. Auch wenn die Bedingungen ohne Orchester oder Klavier natürlich nicht perfekt sind, herrscht immer eine ganz herrliche Stimmung.

Und am Ende gibt es ordentlich Applaus?

Natürlich, die Leute klatschen, wir verbeugen uns, das alles gehört dazu, wenn man in Würde Musik macht. Auch, dass man sich schön anzieht für den Auftritt und zurechtmacht. Was mich immer wieder überrascht: Trotz der Abstandsregeln und der weiten Distanzen stellt sich bei den Konzerten eine Beziehung her, es wird gelacht, der Kontakt ist da. Man bekommt etwas zurück. Manche Leute haben sogar schon Briefe eingeworfen oder eine Flasche Champagner vor die Tür gestellt.

Die Beschränkungen werden gerade nach und nach gelockert. Wie lange wollen Sie Ihre Reihe fortsetzen?

Wir Künstler werden die Lletzten sein, die wieder ihrem Beruf nachgehen können. Im Herbst hätte ich eigentlich viele Opernauftritte gehabt. Ich rechne nicht damit, dass daraus etwas wird. Deshalb werde ich diese Konzerte mit Sicherheit weiterführen und vielleicht auch Künstlerfreunde einbinden. Wir müssen uns zeigen, damit wir in der Corona-Diskussion nicht untergehen!

Nächstes "Wintergartenklang"-Konzert mit traditionellen neapolitanischen Liedern am Sonntag, 17.Mai, 18 Uhr, Gaißacher Straße (etwa auf Höhe Haus Nummer 21)

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