Konzertabend in Wolfratshausen:Eine Frage des Sounds

Konzertabend in Wolfratshausen: Unentdeckte Schätze des Repertoires für Blechbläser-Quintette boten "In Medias Brass" dem begeisterten Publikum in der Loisachhalle.

Unentdeckte Schätze des Repertoires für Blechbläser-Quintette boten "In Medias Brass" dem begeisterten Publikum in der Loisachhalle.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Das ungarische Blechbläser-Quintett "In Medias Brass" begeistert in der Loisachhalle

Von Paul Schäufele, Wolfratshausen

Spätestens mit dem pianistisch-kompositorischen Universalgenie Franz Liszt wurde Ungarn zum musikalischen Global Player. Seitdem hat das Land immer wieder Ausnahmetalente hervorgebracht. Als solche dürfen auch die fünf Blechbläser gelten, die als In Medias Brass Hörerinnen und Hörer zwischen Südkorea und Oberbayern erfreuen. Auf Einladung des Konzertvereins Isartal präsentierten sie in der Wolfratshauser Loisachhalle ein Programm zwischen Renaissance und George Gershwin, mal melancholisch, mal feurig, immer unterhaltsam.

Den Anfang macht mit Andrea Falconieri ein Italiener, der schon vor 350 Jahren das Zeitliche gesegnet hat, dessen Musik aber immer noch lebendig ist, wenn man sie so rasant und gewitzt aufführt. Mit seiner Ciaccona erinnert das Quintett daran, dass der Tanz, den viele mit getragenen Klängen assoziieren - man denkt an Bachs berühmte d-Moll-Chaconne - eigentlich ein wilder, wirbelnder Tanz war. Barocker Glanz mit virtuos ausgeführten, unwirklich schnellen Ton-Wiederholungen als Auftakt. Nicht weniger glänzt der deutsche Barock, vertreten durch Georg Philipp Telemann. Eigentlich ist seine Trio-Sonate für eine etwas weniger metallische Besetzung gedacht (zum Beispiel Geige, Flöte, Cembalo). Doch gerade durch das Arrangement wird hörbar, dass Stücke durch andere Besetzung durchaus gewinnen können. In Medias Brass schafft es, auch mit zwei Trompeten, Posaune, Horn und Tuba eine intim-kammermusikalische Atmosphäre zu erzeugen und Telemanns oft unterschätzte Musik als das zu zeigen, was sie ist: ideenreiche Barock-Unterhaltung zwischen würdigem Schreittanz und quirligem Finale. Besondere Aufmerksamkeit erregt dabei Tamás Pálfalvi. Der Trompeter ist eines der musikalischen Aushängeschilder seines Landes und mit seinen knapp 30 Jahren bereits im Kollegium der Franz-Liszt-Musikakademie Budapest. Das verwundert nicht, sein Ton ist bei aller Strahlkraft warm und gesanglich, die Artikulation durchgehend knusprig.

Das ändert nichts daran, dass man sich mit Arrangements auch vertun kann. Natürlich ist das Repertoire für Blechbläser-Quintette überschaubar, man muss also auf Fremdes zurückgreifen. Aber Gabriel Faurés Pavane - gern genutzte Filmmusik, wenn es um schwermütige, vom Schicksal beladene Figuren geht - wirkt mit der Besetzung leicht überfrachtet. Die ätherisch schwebende Melodie wird normalerweise von einer Querflöte gehaucht, eine Trompete hat dem in puncto klanglicher Schwerelosigkeit wenig entgegenzusetzen. Es ist nun mal eine Frage des Sounds. Deshalb klappt alles andere des von da an aus dem zwanzigsten Jahrhundert stammenden Programms perfekt. Zumal ein besonderer Reiz darin liegt, sich von In Medias Brass mit unentdeckten Schätzen des Repertoires vertraut machen zu lassen.

So etwa mit dem zügellosen Balkan-Tanz Kopanitsa aus der Feder von Csaba Tüzkö. Planvolles Chaos entfalten die fünf Musiker da, hoch konzentriert dem seltenen Elf-Achtel-Takt folgend, bei dem zu allem Überfluss auch noch die traditionelle ungarische Tonleiter angejazzt wird. "Mit Aushilfsmusikern schaffen wir das nicht", sagt Tubist József Bazsinka in seiner Einführung. Man glaubt es ihm gerne. Um das komplexe Stück so überzeugend aufführen zu können, braucht es wohl die inzwischen mehr als zehn Jahre gemeinsamen Musizierens.

Dasselbe dürfte auch für eine andere Perle der Musik für Blechbläser-Quintette gelten. Das Finale des 1998 entstandenen dritten Quintetts von László Dubrovay trägt den poetischen Namen "Boszorkánygalopp". Um herauszufinden, dass das Hexengalopp bedeutet, müsste man nicht mal ein Übersetzungsprogramm bemühen. Phantasievoll hat Dubrovay hier neue Spieltechniken eingesetzt, um das kreischende Gelächter der Nachtkreaturen umzusetzen - ein fantasievolles Spiel mit dem Klang, mit Witz aufgeführt.

Nachdem bereits bei Tüzkös wildem Balkan-Stück Jazz-Harmonien anklangen, ist es nur naheliegend, dass auch dieses Programm bedient wird. Es ist, wie gesagt, eine Frage des Sounds, und die fünf Musiker haben eben einen so raumfüllenden, weichen Klang, dass man schon mehr als einmal an Big-Band-Standards denken muss. Man wird nicht enttäuscht: Nach Stücken aus Enrique Crespos "Suite Americana", die einen musikalischen Brückenschlag zwischen Nord- und Südamerika versucht, sorgen eine schmachtende Ballade von George Gershwin und Paul A. Nagles Jazz-Phantasie "Jive for five" für Freude. Ebenso Astor Piazzollas unverwüstlicher "Libertango", der schon mit fünf Triangeln besetzt sein müsste, um keinen Eindruck zu schinden.

Wie könnte es da anders sein? Mit Bravo-Rufen und kräftigem Füßestampfen wird eine Zugabe provoziert. Und auch das könnte nicht anders sein: Mit den schnellen Takten aus dem Csárdás des Neapolitaners Vittorio Monti wird dem Publikum noch einmal eingeheizt, ehe das unwirklich schöne Abendlied von Zoltán Kodály einen würdigen Abschluss für ein gelungenes Konzert bietet.

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