Konzert und Austellung im Hollerhaus:Klingende Steine, singende Bilder

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Musikprofessor Klaus Fessmann entlockt dem Granit Musik und lässt sich davon wiederum zu bildnerischen Kunstwerken inspirieren

Von Susanne Hauck, Icking

Der Maestro sitzt vor etwas, das aussieht wie ein schwarzes Dinosaurier-Ei. Krempelt die Ärmel seines weißen Hemds auf. So wie andere Musiker für den ersten Ton den Bogen an die Geige setzen, benetzt er die Handflächen mit Wasser und legt sie auf den polierten Granit. Er fährt mit den nassen Händen darüber, streichelt, wischt und reibt. Der stumme Stein beginnt zu schwingen. Wie Klaus Fessmann dem schweren Klotz sphärenhafte Töne entlockt, ist kaum zu glauben. Er lässt sie von piano bis forte anschwellen, von zerbrechlich-zart bis kraftvoll-vibrierend. Will man die melodischen Klänge beschreiben, fällt einem dazu am ehesten eine Windharfe ein. Nach einer Weile kommt der Sound von Jazzer Klaus Doldinger dazu, der neben ihm steht - voilà, Klangstein meets Saxofon. "Wir durften bei einer Weltpremiere dabei sein", ist Hollerhaus-Chefin Lia Schneider-Stöckl von dem ungewöhnlichen Spektakel zur Eröffnung der Ausstellung "Klang der Bilder - Seeing Sounds" begeistert, und die rund 50 Zuhörer, die sich eng um die Bühne versammeln, ganz offensichtlich auch. Manche haben die Augen geschlossen und wiegen sanft den Körper, um sich völlig diesen elementaren Töne hingeben zu können.

Für Schneider-Stöckl ist er einer der vielseitigsten Künstler, der je im Irschenhauser Hollerhaus zu Gast war. Fessmann, wohnhaft in Iffeldorf, ist Pianist, Klangkünstler, Musik-Grafiker und Professor am renommierten Mozarteum in Salzburg. Er gilt als Deutschlands bekanntester Klangstein-Musiker; hat vor 30 Jahren die bei uns nahezu unbekannten, aber Jahrtausende alten asiatischen Instrumente entdeckt und spielen gelernt. In Granitblöcke lässt er Lamellen sägen, damit Luft durch die Steine geht. Sogar Kompositionen hat er für sie geschrieben und eine Klangstein-Therapie entwickelt.

Heilende Wirkung

Die heilende Wirkung bescheinigt Neurowissenschaftler Christian Trumpp, der an diesem Abend die Laudation hält und Fessmann vor Jahren bei einer Tagung in Stuttgart kennenlernte. "Ich kam gestresst aus einer anstrengenden Sitzung und hörte ihn auf den Steinen spielen", erzählt Trumpp. "Es war verrückt, es brachte mich zum Klingen, es ging mir unter die Haut, ich wurde sofort ruhig."

Doch bei der Ausstellung im Hollerhaus geht es vor allem um die Bilder Fessmanns. Hören und Sehen gehören für ihn zusammen. Aus der Beschäftigung mit der Musik entstehen bildnerische Kunstwerke. Wie sieht der Klang der Musik aus, ist die Frage, um die Fessmann kreist. So komponiert er Bilder, ähnlich einer Partitur, die Melodie, Rhythmus und Harmonie enthalten. Er beschriftet verschiedene Materialien wie Papier, Spiegel, Plexiglas oder dünn geschliffenen Stein in mehreren Schichten, wie bei einer musikalischen Komposition. Manchmal begännen bei ihm "die Sinne zu toben", berichtet Fessmann von seinen kreativen Eruptionen. Dann ist er ganz in seinem Element. "Ich stehe um sechs Uhr auf, räume das Atelier aus und fange an zu malen."

Beim Publikum kommen die Werke unterschiedlich an. Während die Miniaturen mit ihren vielschichtigen Montagen aus verrätselten und verschachtelten Zeichen, Bildern und Buchstaben viel Beachtung erfahren, ebenso wie die Grafiken und Drucke, bleibt der eine oder andere ein wenig kopfschüttelnd vor einem übergroßen, meterlangen Papierbild stehen, wo nicht viel mehr als goldene Schnörkel zu sehen sind. Damit können viele nichts anfangen. Die Herangehensweise des Querdenkers Fessmanns aber regt zu vielen Diskussionen an. Und zum Nachdenken: "Man muss sich darin vertiefen", sagt die russische Kunstmalerin Ljubov Belych, die aus Ebenhausen gekommen ist. "Es ist mal etwas ganz anderes."

Ausstellung "Klang der Bilder - Seeing Sounds", Hollerhaus, bis 7. April; Öffnungszeiten: Samstag und Sonntag 14 bis 18 Uhr sowie nach Vereinbarung 08178/4408, Neufahrner Weg 3, Icking-Irschenhausen

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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