Süddeutsche Zeitung

Konzert:Mit Pauken und Trompeten

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Günther Pfannkuch und sein "Vocalensemble Penzberg" bringen zum 30-jährigen Bestehen einen glanzvollen "Messias" auf die Bühne. Am Ende ist das Publikum begeistert - und der Chor jubelt

Von Sabine Näher, Penzberg

Zwei Werke der Barockzeit gehören 300 Jahre nach ihrer Entstehung zur adventlichen Orientierung des modernen Menschen wie Plätzchenbacken und Tannenbaum schmücken: Bachs Weihnachtsoratorium und Händels "Messias". Letzteren hat Günther Pfannkuch zum Jubiläum seines Vocalensembles ausgewählt, das zwar nicht auf 300, aber immerhin auf 30 Jahre zurückschauen kann. Und, um dieses Fazit gleich vorweg zu nehmen, im Konzert in der ausverkauften Stadtpfarrkirche Christkönig zeigte sich der Chor am Sonntag in bester Verfassung.

Mit Engagement, Tatkraft und sichtlicher Freude sind die Sänger bei der Sache. Das spricht natürlich auch für den Ensemblegründer und -leiter, der mit weichen, eleganten, immer offen einladenden Dirigiergesten seine Schar zu motivieren weiß. Dass er nicht nur mit Sängern, sondern auch mit Instrumentalisten umgehen kann, beweist schon die den ersten Teil des "Messias" eröffnende Sinfonia: Ausdrucksvoll musiziert das ebenfalls von Pfannkuch gegründete Sinfonieorchester im Pfaffenwinkel und entfaltet die leuchtende Strahlkraft, die ein solches weihnachtliches Werk braucht.

Als erster Solist präsentiert sich der Tenor Nikolaus Pfannkuch, der Sohn des Dirigenten. Mit schönem Timbre und Gestaltungskraft geht er sein Accompagnato an, eingebettet in einen weichen Orchesterklang. Erst in der vierten Nummer darf der Chor loslegen: Das Orchester gibt ein herrlich schwingendes Tempo vor; strahlend preisen die Sänger "die Herrlichkeit Gottes, des Herrn". Da der "Messias" in Händels zweiter Lebenshälfte und damit in England entstand, ist dessen Originalsprache Englisch. Pfannkuch hat sich dennoch entschieden, den deutschen Text singen zu lassen. "Mir geht es immer in erster Linie darum, dass die Sänger genau wissen, wovon sie singen. Und der deutsche Text kann einfach besser mitempfunden werden", erklärt er.

Das scheint aufzugehen, denn an den Gesichtern der Sänger ist abzulesen, ob sie tatsächlich Text gestalten. Das gilt auch für die Solisten. Altistin Theresa Holzhauser ist dafür ein Paradebeispiel: Sie hat die sängerische Präsenz und Ausstrahlung, die den Zuhörer unweigerlich in den Bann ziehen. Dass sie eine ausgesprochen wohlklingende, dunkel timbrierte Stimme besitzt, ist auch kein Nachteil. Der aus Schweden stammende Bass Eric Ander verfügt ebenfalls über schönes Stimmmaterial, klingt aber ein wenig rau und kann nicht ganz das Volumen liefern, das Bravour-Arien wie "Sie schallt, die Posaun'" erfordern. Mit der strahlenden Trompete mitzuhalten ist schwer.

Den für diese Literatur bestens geeigneten "Engelssopran" bringt Judith Spiesser mit ihrer hohen, leichten, beweglichen Stimme. So setzen die Arien in der fast zweieinhalbstündigen Aufführung viele Glanzpunkte: Von "Ich weiß, dass mein Erlöser lebet" (Sopran) über "Du zerschlägst sie" (Tenor) bis zu "Er ward verschmähet" (Alt), welches mit kurzen unbegleiteten Passagen besondere Herausforderungen an die Sängerin stellt, die Holzhauser mit Bravour meistert. Sehr gelungen auch der Effekt des Wechsels von Alt zu Sopran in der Arie "Er weidet seine Herde", bei dem durch die höhere Lage eine Intensivierung der Aussage erfolgt. Hervorzuheben auch das Duett Alt/Tenor "O Tod, wo ist dein Stachel", das, nur mit Continuo begleitet, besondere Expressivität braucht.

Der Chor hat seinen stärksten Auftritt in der Mitte des zweiten Teils: Hier folgen gleich drei Chornummern aufeinander, die völlig verschiedene Charaktere erfordern. Aufgewühlt, in sehr raschem Tempo, kommt "Wahrlich, er trug unsere Qual"; zur Ruhe kommend, aber mit nachhallender Erregung folgt "Durch seine Wunden sind wir geheilt" und in "Der Herde gleich" zeigt der Chor die Zerstreuung der umher irrenden Schafe, während das Orchester deren Durcheinanderwuseln anschaulich malt. Der Höhepunkt des "Messias", auf den sich Chorsänger wie Publikum immer gleichermaßen freuen, ist das "Halleluja!", das in Penzberg strahlend den zweiten Teil beschließt, mitsamt den sprichwörtlichen Pauken und Trompeten.

Den Schlusschor am Ende des dritten und letzten Teils geht Händel dagegen verhalten an: "Würdig ist das Lamm, das da starb" braucht Ruhe und innere Kraft, die der Chor immer noch aufbringen kann. Und für das abschließende Amen, eine große Fuge, die ihre Tücken hat, braucht es mehr als letzte Kraftreserven: Hier muss nochmals alles gegeben werden.

Ein besonderes Kompliment sei den Männerstimmen vergönnt: Sie machen nur etwa ein Viertel der Sängerschar aus, halten klanglich mit der erdrückenden weiblichen Überzahl aber bestens mit. Ein in jeder Hinsicht gelungenes und würdiges Jubiläums-Konzert, das mit großem Beifall bedacht wird. Und der Chor jubelt noch einmal extra - für Günther.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2017
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