Kommunalwahlen in Bad Tölz-Wolfratshausen:Mehr mit der Wirtschaft und den Bürgern reden

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Die Freien Wähler Geretsried skizzieren ihr Programm. Zu den Schwerpunkten gehört eine Großtagespflege. Aus dem Wachstum der Stadt soll der Druck genommen werden

Von Felicitas Amler, Geretsried

Das Tempo der Stadtentwicklung ein wenig drosseln, den Dialog mit der Wirtschaft wieder beleben, die Kinderbetreuung flexibler gestalten und die Bürgerbeteiligung intensivieren: Das sind die wesentlichen Ziele, mit denen die Freien Wähler Geretsried in die Kommunalwahl gehen. Die von Ann-Kathrin Güner geführte Gruppierung stellt derzeit sieben von 30 Stadträten; Dominik Irmer leitet die Fraktion. In einer Pressekonferenz präsentierten die beiden zusammen mit dem von der CSU übergetretenen Kandidaten Wolfgang Möckel und Landrat Josef Niedermaier (FW) am Freitag die wesentlichen Züge ihres Programms.

Die Freien Wähler haben in den vergangenen sechs Jahren vieles mitgetragen, was die CSU und der von ihr gestellte Bürgermeister Michael Müller initiiert hatten. Daraus macht Irmer keinen Hehl. Er betont: "Dem Bürgermeister kann man nicht vorwerfen, dass er nicht anpackt", kritisiert aber, dass "alles zu schnell" gehe. Irmer gibt zu bedenken, dass die Politik nicht nach der besten Lösung suchen könne, wenn ein Zeitdruck bestehe. Als Beispiel nennt er die Verkehrssituation im Kreuzungsbereich B 11/Blumenstraße/Elbestraße.

Von 300 auf mehr als 700 Wohnungen

Zudem, so erklären auch Güner und Möckel, seien Projekte wie der urbane Ausbau des Stadtzentrums oder das vorgesehene Großwohnmodells an der Banater Straße während der Planung erheblich angewachsen: Am Karl-Lederer-Platz sei das von der Krämmel-Gruppe gebaute Wohn- und Geschäftshaus anfangs keineswegs siebenstöckig und schon gar nicht bis auf den Platz hinausgreifend entworfen gewesen; an der Banater Straße habe man mit 300 Wohnungen begonnen und sei inzwischen bei mehr als 700. Mit der Formel 36/36, die das für die Stadt vorausgesagte Wachstum von derzeit 26 000 auf 36 000 Einwohner bis zum Jahr 2036 benennt, haben die Freien Wähler Probleme. "Es ist nicht so, dass wir das nicht wollen. Allein durch Nachverdichtung werden wir ja wachsen", sagt Irmer. Aber es sei zu schnell. "Wir kommen mit unseren infrastrukturellen Gegebenheiten nicht hinterher."

Dies bezieht sich auf den Verkehr, aber auch auf Schulen und die Kinderbetreuung, in der jetzt bereits nach allgemeiner Einschätzung ein deutlicher Mangel herrscht. "Viele hoffen und bangen und zittern", sagt Güner über die Eltern. Die Freien Wähler forderten daher auch eine Großtagespflege für Geretsried - eine, wie der Landrat sagt, flexiblere Einrichtung mit Tagesmüttern und individuell wählbaren Betreuungszeiten. Und dies, so Güner, "nicht nur für Krippenkinder, sondern auch für Hortkinder".

Niedermaier hat Müllers Stadtentwicklungspolitik stets mit Wohlwollen und Zuspruch begleitet. Dazu steht er noch. Er räumt aber ein, dass seine Geretsrieder Parteifreunde Recht hätten: "Das Tempo kann man durchaus diskutieren." Geretsried sei, was die Wirtschaftskraft betreffe, "das Herz des Landkreises", sagt der Landrat. Er schätze das Selbstverständnis, das in der jungen Stadt inzwischen gewachsen sei. Den Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen sieht er in einem Spektrum aus "zwei tausendjährigen Städten und in der Mitte diejenigen, die 'einfach anders' drüber schreiben".

"Die Leute mitnehmen"

Eben weil Geretsried ein starker Wirtschaftsstandort sei, so Irmer, müsse der Dialog mit den Unternehmen gepflegt werden. Unter Müllers Vorgängerin - Dominik Irmers Mutter Cornelia Irmer - sei dies "ein sehr konstruktives Miteinander" gewesen, sagt er. Die Bemerkung, Geretsried habe aber doch eine eigene Wirtschaftsförderin, sagt der FW-Fraktionschef: "Die Unternehmen unterscheiden, ob allein die Wirtschaftsförderin kommt oder auch das politische Oberhaupt."

Selbstkritisch stellt Möckel fest, auch der Dialog mit den Bürgern müsse in Geretsried verbessert werden. "Da ist aufgrund der Dynamik in Geretsried einiges liegen geblieben." Beim Stadtzentrum etwa hätte man frühzeitig Planvarianten und Modelle zeigen müssen: "Da musst du Stück für Stück die Leute mitnehmen." Die Freien Wähler wollen Bürgerversammlungen zu bestimmten Fragen forcieren, etwa zum Verkehr. Aber auch Internetportale seien denkbar: "Bei manchen Themen müssen wir eine ganz andere Öffentlichkeitsarbeit machen", sagt Irmer.

Möckel fordert, CSU und SPD müssten sich dazu erklären, ob sie "wieder eine große Koalition" im Stadtrat wollten. Diese habe es faktisch in den vergangenen sechs Jahren gegeben. Die Freien Wähler, die keinen eigenen Bürgermeisterkandidaten haben, sehen sich als "einzige Alternative zu CSU und SPD", so Güner. In der Gruppierung seien Menschen aus allen Bereichen mit teils auch unterschiedlichen Ansichten. Möckel, der den unmittelbaren Vergleich hat, sagt: "Bei den Freien Wählern werden andere Meinungen zugelassen. Das ist in der Bürgermeisterpartei anders."

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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