Kommunalwahl in Schäftlarn:Volle Kraft voraus

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Für die 28-jährige Schäftlarnerin Miriam Fröhlich ist die Kandidatur ein Neustart - in der Politik wie auch im persönlichen Leben

Von Nora Schumann, Schäftlarn

Miriam, genannt Mimi, Fröhlich serviert Fair-Trade-Kaffee mit Bio-Sojamilch zum Gespräch in ihrer Wohnung. Die 28-Jährige ist in Schäftlarn geboren, hat für drei Jahre in München gelebt und will heuer bei der Kommunalwahl für die Grünen in der Gemeinde kandidieren, "gerne auch auf Platz eins", sagt sie ganz ohne Ironie. Was ambitioniert für jemanden klingt, der Politikneuling ist, erklärt sich durch den Eindruck, den Fröhlich im Gespräch erweckt: Hat sie sich einmal etwas vorgenommen, will sie das auch zu 100 Prozent durchziehen. Und das, obwohl die junge Schäftlarnerin bereits eine bewegte Lebensgeschichte hinter sich hat.

Nach dem Abitur absolvierte Fröhlich eine Ausbildung zur Automobilkauffrau. "Ich hab' mir eingebildet, ich bin zu blöd zum Studieren", erklärt sie frei heraus. Sie habe unabhängig werden und viel Geld verdienen wollen, um Anerkennung zu erfahren, erzählt sie. Nach der Ausbildung wechselte sie in die Personalmanagerbranche, stieg innerhalb von drei Jahren von der Assistentin in Teilzeit zur Abteilungsleiterin auf, da war sie gerade 26 Jahre alt. Sie habe alles gehabt, was sie sich erhofft hatte, sagt sie: "Eine Wohnung, wie ich sie wollte, einen Man,n wie ich ihn mir erträumt hatte, und Geld ohne Ende". 100 Euro im Monat für Internet-Einkäufe sei das Minimum gewesen.

Und dann sei sie eines morgens nicht mehr aufgestanden. "Ich habe mir erlaubt, die Sinnfrage meines Tuns zu stellen - und das hat mir den Stecker gezogen", sagt Fröhlich. Der Hausarzt stellte fest: mittelschwerer Burnout. Es folgte eine Krankschreibung auf unbestimmte Zeit.

Wenn Fröhlich über diese Zeit spricht, wirkt sie, als habe sie sehr viel darüber nachgedacht, und trotzdem klingt ihre Stimme belegt, als sie sagt: "Diese Depression hüllt dich ein wie ein schwarzes Loch". Sie habe sich für das Leben entschieden und in der Therapie die Erkenntnis gewonnen: "Das macht mich krank, was ich mache". Fröhlich konnte es nicht mehr mit sich vereinbaren, "für 3500 Euro im Monat Menschen wie Ware zu verticken".

Was folgte war eine zweijährige Therapie und eine berufliche Umorientierung. Fröhlich bewarb sich an der LMU für das Studium der Logopädie und wird im Oktober mit dem dritten Semester beginnen. Mit ihrem Partner ist sie zurück nach Schäftlarn gezogen. Sie habe die Vorteile eines Stadtlebens eigentlich nie wirklich genutzt, dafür Natur und Ruhe vermisst, erklärt sie. "Soziale Gerechtigkeit und Naturliebe sind mir extrem wichtig". Sie habe schon vor langem begonnen, das System zu hinterfragen und sei immer wieder an dessen Grenzen gestoßen - etwa bei Gesprächen mit der Krankenkasse, oder als ihr ehemaliger Arbeitgeber ihr nach einigen Wochen Krankschreibung kündigte.

Mit dem Anspruch, dieses System zu verändern, erschien der Schritt in die Politik da ganz logisch: "Es braucht mehr Jugend, weil wir einfach kürzer in diesem Hamsterrrad drin sind als die älteren Generationen", sagt Fröhlich. Ihr Fazit: Junge Menschen haben bei einer notwendigen Wandlung des Systems noch nicht so viel zu verlieren.

Mit Studium, Werkstudentenjob und Gemeinderatsarbeit im Hinterkopf taucht aber auch schnell die Frage nach einer erneuten Überlastung auf. "Das ist für mich ganz präsent", sagt sie und meint damit, auch auf sich selbst achtzugeben. "Wenn ich gewählt werden sollte, bin ich bereit, das über alles zu stellen, weil wir vorankommen müssen", ergänzt sie. "Ich kann mir meinen Job jetzt aufbauen und in zehn Jahren muss ich darum kämpfen, dass ich überhaupt noch Strom kriege."

Fröhlich will parteilos zur Wahl antreten, sich aber auf die Liste der Grünen setzen lassen. Warum die Grünen? "Weil ich überzeugt bin, dass sich was ändern muss, dass sich was weiterentwickeln muss und die hatten das so ausgeschrieben", erklärt sie. Es sei eine Entscheidung aus dem Bauch heraus gewesen, weil sie grundlegend die gleichen Werte wie die Partei vertrete. Die anderen Parteien zeigen sich in Fröhlichs Augen zu wenig umweltbewusst.

Dennoch hofft die Neueinsteigerin auf eine fruchtbare Zusammenarbeit mit den Gemeinderäten aller politischer Lager. "Mir wäre es wichtig, dass die Leute wissen, dass ich jemand bin, der mit Respekt und Akzeptanz auf die Leute zu geht", erklärt sie.

Es ist der 28-Jährigen anzumerken, dass sie einer Generation angehört, die mit der Globalisierung aufgewachsen ist und erkennt, dass lokale Politik nicht mehr abgekoppelt von globalen Zusammenhängen betrieben werden kann. "Meine Utopie ist, eine sozial-ökologische Welt zu schaffen", erklärt sie. Das ließe sich nicht von null auf hundert erreichen. "Ich möchte mich in der Gemeinde so engagieren, dass ich meinem utopischen Ziel treu bleibe und schaue, wie wir die Gemeinde Schäftlarn gemeinsam hin zu einem nachhaltigen Dorf entwickeln können", sagt Fröhlich. Ein möglicher Ansatz sei beispielsweise das Ziel, dass Schäftlarn zur Fair-Trade-Town werde, sich also zum Prinzip des fairen Handels auch im praktischen Alltag bekenne. Ein anderes ihrer Anliegen ist die Einsetzung eines Umweltreferenten. Derzeit sei der Bereich Umwelt nur ein Teil neben Bau- und Planungsausschuss. Das Thema sei zu groß, als dass es sich in einen Ausschuss mit zwei weiteren Themen pressen lasse. "Ich würde auch gerne offene Gesprächsstunden etablieren", überlegt sie laut. "Einfach mal nur zuhören, das tut so gut".

Global denken - lokal handeln, unter diesem Motto wird sich Fröhlich im März wohl zur Wahl stellen - möglicherweise sogar ganz vorne auf dem Listenplatz.

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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