Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Themenwellen vor der Wahl

Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen: Von Politikverdrossenheit keine Spur: Etwa 400 Zuhörer sind zur Podiumsdiskussion in den Lenggrieser Alpenfestsaal gekommen.

Von Politikverdrossenheit keine Spur: Etwa 400 Zuhörer sind zur Podiumsdiskussion in den Lenggrieser Alpenfestsaal gekommen.

(Foto: Harry Wolfsbauer)

Bei der Podiumsdiskussion der Lenggrieser Bürgermeisterkandidaten bleibt der Ton moderat, das Publikum indes kritisch

Von Petra Schneider, Lenggries

Wie groß das Interesse an der Kommunalwahl im März ist, hat sich auch am Dienstag in Lenggries gezeigt. Etwa 400 Zuhörer sind zur Podiumsdiskussion in den Alpenfestsaal gekommen, viele mussten stehen oder mangels Platz gleich wieder gehen. In Lenggries steht nach 24 Jahren mit Werner Weindl an der Rathausspitze eine Zäsur an, vier Bewerber um seine Nachfolge gibt es: Christine Rinner (CSU), Markus Landthaler (FW), Tobias Raphelt (SPD) und Wolfgang Morlang (BP). Der Ton der Diskussion, die von Veronika Ahn-Tauchnitz, der Redaktionsleiterin des Tölzer Kuriers moderiert wurde, blieb gemäßigt - es war eher ein Meinungsaustausch, denn ein Schlagabtausch. Einige Übereinstimmungen zeigten sich bei Rinner und Landthaler, die sich für eine maßvolle Entwicklung des Ortes einsetzen wollen. Als amtierende Gemeinderäte konnten sie mit Hintergrundwissen punkten. Morlang, seit 20 Jahren Mitglied der Bayernpartei, aber bisher ohne Mandat, präsentierte sich als eloquenter Redner, der sich gegen staatlichen Dirigismus und für eine neue Kommunikationskultur in Lenggries aussprach. Nur SPD-Kandidat Raphelt fuhr vereinzelte Attacken: Er kritisierte den jahrelangen Stillstand beim Kasernenareal und widersprach beizeiten Morlangs wirtschaftsliberaler Haltung. Das Kasernenareal, das seit dem Jahr 2003 leer steht, ist das Top-Thema in Lenggries. Nach dem Aus für die Pläne eines Camp Woodward Europe hatte die Gemeinde einen Großteil das weiträumigen Geländes vor fünf Jahren gekauft. Landthaler könnte sich vorstellen, den Bauhof und das Wasserwerk dorthin zu verlegen und die freiwerdende Bauhoffläche in Anger, rund 10 000 Quadratmeter, für Wohnbebauung zu nutzen. Rinner bekräftige die Idee einer staatlichen oder privaten Hochschule. Die vorhandenen Gebäude könnten als Studentenwohnheime genutzt werden. Mit Landthaler und Morlang war sie sich einig, dass es ein übergeordnetes Konzept brauche und Schnellschüsse vermieden werden müssten. "Nach 17 Jahren kann man nicht mehr von überstürzten Lösungen sprechen", schimpfte Raphelt. Die Idee einer Bildungseinrichtung sei gut, aber unrealistisch, weil die Verkehrsanbindung der Gemeinde schlecht sei. Gewerbe auf einem "der schönsten Plätze in Lenggries" scheide für ihn ebenfalls aus, weil die Zufahrt durch ein Wohngebiet führe. Sein Vorschlag: Bezahlbare Mietwohnungen in den Kasernengebäuden plus kleine Gewerbebetriebe. Man müsse die Sanierung der denkmalgeschützten Kasernengebäude in Angriff nehmen, weil die Bausubstanz nicht besser werde. "Einen privaten Investor werden wir dafür nicht finden", sagte Raphelt. Sollte man das Kasernenareal also als neuen Ortsteil entwickeln? Nach Ansicht von Landthaler nicht, weil man dadurch Zuzug generiere. Auch Rinner kann sich Wohnungen für etwa 1000 Menschen "nur sehr schlecht vorstellen." Den Umbau der denkmalgeschützten Gebäude in Mietwohnungen hält sie für unrealistisch. Eine Kostenschätzung aus dem Jahr 2015 habe für ein Gebäude 1,2 Millionen ergeben; die Häuser seien "betoniert bis unters Dach", da könne man nicht einfach Geschosswohnungen draufbauen. Morlang gab zu Bedenken, dass auch die Infrastruktur, etwa Schulen oder die Kläranlage, mitentwickelt werden müsste.

Kritik kam bei diesem Thema auch aus den Zuhörerreihen: Karl Probst, ehemaliger SPD-Gemeinderat, sagte, er sei gekommen, "um Konzepte zu hören." Diese lägen offensichtlich immer noch nicht vor. Womöglich erleide die Kaserne das gleiche Schicksal wie eine Sauna in der Isarwelle: "Sie taucht alle sechs Jahre vor der Wahl auf" - großer Applaus im Saal.

Als probates Mittel, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, sehen alle Kandidaten Einheimischenmodelle, wie sie die Gemeinde derzeit an der Wackersberger Straße ausweist. Diese müssten nach Ansicht von Landthaler aber in Richtung Geschosswohnungen gedacht werden. Erbpachtmodelle, für die Rinner warb, weil die Grundstücke im Eigentum der Gemeinde verbleiben und Spekulation vermieden werden könne, fanden Zustimmung. Ebenso ihre Forderung nach neuen Wohnformen, wie Mehrgenerationenwohnen in bestehenden Häusern.

Problematisch sehen alle vier Kandidaten die Parksituation im Ortskern. "Es wäre wünschenswert, wenn sich der Lenggrieser angewöhnen würde, dass er Strecken unter 100 Meter nicht mit dem Auto fährt", sagte Rinner. Tempo 30 im Zentrum lehnte sie ab, weil man dort erfahrungsgemäß ohnehin nicht schneller fahren könne.

Um die Sicherheit für Radfahrer und Fußgänger zu erhöhen, schlug sie einen Steg südlich der Isarbrücke vor. Die Idee aus dem Publikum, den Bereich zwischen Rathaus und Kirchplatz als Fußgängerzone auszuweisen, wurde von den Kandidaten verhalten aufgenommen. Dass Kunden in Lenggries mit dem Auto bis vor die Geschäfte fahren könnten, sei ein Vorteil gegenüber Bad Tölz, sagte Rinner. Landthaler warnte vor Ausweichverkehr in die Nebenstraßen, würde die Idee aber von einem Planer prüfen lassen. Raphelt schlug einen Ringverkehr um die Ortsmitte vor. "Ich bin ein bekennender Autofahrer", sagte Morlang. Lenggries sei eine Flächengemeinde, in Ortsteilen wie Fall oder Winkl sei ein Auto unverzichtbar.

Der Ausbau des ÖPNV sei wünschenswert, aber die Bürger müssten das Angebot auch nutzen. Die Isarverordnung wurde einhellig gelobt, hätte aber nach Ansicht aller vier Kandidaten noch strenger ausfallen können.

Der Tourismus sei für Lenggries ein wichtiges Standbein, der sich angesichts des Klimawandels verändern müsse, hieß es unisono.

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