Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:Kriegen sie's gebacken?

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Die Parteien und Wählergruppen im Landkreis wollten bei der Kommunalwahl 2020 mit möglichst vielen Frauen antreten. Die Kandidatenlisten sind aber nach wie vor stark männlich dominiert. Woran das liegt - eine Analyse.

Von Konstantin Kaip, Klaus Schieder und Florian Zick

Wie untypisch ist das bitte? In Icking gibt es bislang drei Bürgermeisterkandidaten - oder besser gesagt: Bürgermeisterkandidatinnen. Denn mit Beatrice Wagner (SPD), Laura von Beckerath-Leismüller (Grüne) und Verena Reithmann von der Unabhängigen Bürgerliste haben sich bis jetzt ausschließlich Frauen für den Chefsessel im Rathaus beworben. Repräsentativ ist das allerdings nicht.

Zwar beschwören die Parteien inzwischen fast unisono die Gleichberechtigung. Auf den Listen für die Kommunalwahl nächstes Frühjahr hat sich das jedoch noch nicht so richtig durchgeschlagen. Die Kandidatenlisten sind immer noch stark männlich dominiert. Warum das so ist - eine Bestandsaufnahme:

Landkreis

Für Filiz Cetin, die Landratskandidatin der SPD, ist Gleichberechtigung eines der großen Themen. Gute Meinungsbildung könne nur funktionieren, wenn in den politischen Gremien alle gesellschaftlichen Gruppierungen vertreten seien, sagt sie. "Die Parlamente müssen die Bevölkerung widerspiegeln", so die 43-Jährige. Insofern habe es sie durchaus überrascht, wie wenige Frauen bislang für die Stadt- und Gemeinderäte im Landkreis aufgestellt worden seien. Die SPD habe in vorderster Reihe einige junge Frauen mit dabei, konstatiert Cetin. Vor allem CSU und Freie Wähler seien ihrer Beobachtung nach da aber noch sehr schlecht aufgestellt.

Ob die SPD es schaffen wird, die 60 Plätze für die Kreistagswahl komplett im Reißverschlussverfahren zu füllen, da ist sich indes auch Cetin unsicher. Immer abwechselnd ein Mann und eine Frau, das sei zwar das Idealziel. Aber wenn sich nicht genügend Frauen für einen Listenplatz interessieren, "das liegt dann nicht in unserer Hand", sagt Cetin.

Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen: Beim internationalen Frauentag diesen März gab es in Wolfratshausen sogar Brezen in Form des Venussymbols. Auf politischer Ebene hat sich im Landkreis die Gleichberechtigung jedoch noch nicht so richtig durchgesetzt. Für die Stadt- und Gemeinderäte kandidieren immer noch überwiegend Männer.

Beim internationalen Frauentag diesen März gab es in Wolfratshausen sogar Brezen in Form des Venussymbols. Auf politischer Ebene hat sich im Landkreis die Gleichberechtigung jedoch noch nicht so richtig durchgesetzt. Für die Stadt- und Gemeinderäte kandidieren immer noch überwiegend Männer.

(Foto: Hartmut Pöstges)

Auch Thomas Holz, der Vorsitzende der Kreis-CSU, sagt: "Junge Frauen gehören in die Politik." Ganz dem Credo von Parteichef Markus Söder folgend wolle man auch hier im Landkreis weiblicher und jünger werden. Man könne aber halt nicht immer einen guten Listenplatz versprechen. Denn bei der Listenaufstellung gebe es so viele Faktoren zu berücksichtigen: Man müsse schauen, dass die Städte und das flache Land gleichmäßig vertreten seien, dass aus dem Norden des Landkreises genauso viele Kandidaten zum Zug kämen wie aus dem Süden - und natürlich: auch das Mann-Frau-Verhältnis müsse passen. Aber das alles hinzukriegen, sei eben auch nicht so einfach.

Die Kreis-CSU wird heuer deshalb eine Art modifiziertes Reißverschlussverfahren anwenden. Soll heißen: Entweder vorne werden sich die Geschlechter abwechseln oder hinten raus. Das ist noch nicht so ganz klar. Der Listenplatz selbst sei aber gar nicht mehr so entscheidend, sagt Holz. Bei der vergangenen Kommunalwahl habe der damalige JU-Vorsitzende Benedikt Hundegger auf Platz 3 gestanden - und habe trotzdem den Einzug in den Kreistag verpasst. Franz Wirtensohn dagegen habe es von Platz 60 weit nach vorne gespült. Die Wähler würden eben nicht mehr einfach stur ihr Kreuzchen bei einer Parteiliste machen, sagt Holz. Die Leute würden inzwischen sehr stark nach Personen auswählen. Das Reißverschluss sorge deshalb nicht automatisch für ein ausgeglichenes Geschlechterverhältnis.

Wolfratshausen

Ein Missverhältnis herrscht auch im Wolfratshauser Stadtrat. Dort werden nur sieben der 25 Sitze von Frauen besetzt, weniger als ein Drittel. Die Politikerinnen aller Parteien und Gruppierungen wollen das jedoch ändern. Am kommenden Montag wollen die Grünen ihre Kandidatinnen und Kandidaten wählen. In der Partei ist die Parität vorgeschrieben, jeder ungerade Listenplatz muss mit einer Frau besetzt sein. Annette Heinloth, Grünen-Stadträtin und die einzige Frau, die für das Bürgermeisteramt kandidiert, will der Aufstellungsversammlung zwar nicht vorgreifen. Sie ist aber zuversichtlich, dass das klappt. "Wir nehmen die Parität sehr ernst", sagt sie. Eine Abweichung von der Vorgabe sei nur mit Mehrheitsbeschluss möglich, bei dem die Frauen ein Vetorecht hätten. Im Stadtrat erlebe sie Frauen tendenziell als "deutlich sachorientierter", sagt Heinloth. Sie interessierten sich "weniger für Streitereien und Machtgefüge". Schon deswegen brauche es mehr Frauen. Generell brauche es eine "deutlich bessere Repräsentativität der Gesellschaft" in den kommunalpolitischen Gremien, mit verschiedenen Altersgruppen und sozialen Schichten.

Auch in der SPD sei die Parität vorgegeben, sagt Ingrid Schnaller, stellvertretende Vorsitzende des Wolfratshauser Ortsvereins. Es sei jedoch nicht immer ganz einfach, genug Frauen zu finden. Schnaller sieht das einerseits der Tatsache geschuldet, dass sie nach wie vor in der Familie mehr eingebunden seien als Männer. Andererseits gebe es auch eine gewisse "Scheu", sagt sie: "weil man nicht genau weiß, was da auf einen zukommt". Sie führe derzeit viele Gespräche mit möglichen Kandidatinnen, sagt Schnaller - und versuche, diese Scheu abzubauen. Denn: "Für Frauen sollten auch Frauen Politik machen." Ob sie selbst kandidiert, wird sich auf der Aufstellungsversammlung der SPD im November zeigen.

Auch bei der CSU ist man noch nicht endgültig sortiert. "Wir sind in der Listenfindung", erklärt die Ortsvorsitzende Susanne Thomas. Mehr möchte sie noch nicht sagen. Die CSU stellt ihre Liste am 23. November auf. Thomas hofft, dass es dann mehr Kandidatinnen für den Stadtrat gibt als in der Nachbarstadt Geretsried, wo auf 30 Plätzen gerade einmal sechs weibliche Namen zu finden sind. "Die Frauen, die ich angesprochen habe, waren jedenfalls top dabei", sagt Thomas. Allerdings mache auch sie die Erfahrung, dass ihre Geschlechtsgenossinnen mitunter zu deutlich mehr Selbstzweifeln neigten als Männer.

In der Bürgervereinigung Wolfratshausen (BVW) werde man bei der Aufstellung am 31. Oktober zwar vielleicht nicht ganz die Hälfte der Listenplätze weiblich besetzen können, aber "doch einen sehr hohen Frauenanteil" bekommen, ist Stadträtin Ulrike Krischke zuversichtlich. "Wir haben schon immer aktive Frauen in der BVW gehabt", sagt sie. Jedoch beobachte sie auch, dass die weibliche Aktivität oft im Hintergrund stattfinde. "In den Diskussionen überwiegen allgemein die Redeanteile von Männern", sagt Krischke. Das liege auch an der Besetzung der Ämter: Alle drei Bürgermeister und sämtliche Fraktionssprecher in Wolfratshausen seien Männer. "Die Männer werden dann auch öfter in der Presse zitiert", sagt Krischke. "Das ist ein Kreislauf, der sich selber füttert - und den wir aktiv durchbrechen müssen."

Bad Tölz

In Bad Tölz hat sich Franz Mayer-Schwendner eine Spitze gegen die CSU nicht verkneifen können. Als er von den Grünen zu ihrem Bürgermeisterkandidaten gewählt wurde, merkte er süffisant an, dass die Frauenquote der Christsozialen nicht schließe: Der Quoten-Reißverschluss sei defekt. Für seinen CSU-Kontrahenten Ingo Mehner ist es hingegen ein Erfolg, dass die Stadtratsliste bis hinten auf Platz 14 mal mit einem Bewerber, mal mit einer Bewerberin besetzt ist. Immerhin ist die CSU bislang die einzige Fraktion im Stadtrat, die ausschließlich mit Männern besetzt ist. Als er mögliche Kandidatinnen ansprach, sich aufstellen zu lassen, erfuhr Mehner vor allem dies: "Es liegt nicht am Interesse, sondern an der Zeit." Vielen Frauen obliege es noch immer, sich um die Kinder zu kümmern. Das bestätigt auch der CSU-Ortsvorsitzende und Stadtrat Karsten Bauer: "Aufgrund ihrer häuslichen Aufgaben ist es schwer, Frauen zu gewinnen." Aber man habe "gute, junge und engagierte Frauen" auf der Liste stehen. Nur sei es wichtig, dass sie dann auch vom Bürger gewählt werden: "Wichtig für uns, aber auch für den ganzen Stadtrat."

Den Reißverschluss wird die Freie Wähler-Gemeinschaft (FWG), die über ihre Stadtratsliste am 24. Oktober abstimmt, vermutlich nicht ganz hinbekommen. "Ziel ist es, dass es gleich viele Männer und Frauen gibt, aber wir werden es, wie es aussieht, um eine Frau nicht schaffen", sagt Bürgermeister-Kandidat Michael Lindmair. Auch er hat die Erfahrung gemacht, dass es für manche Interessentinnen schwierig sei, Beruf, Haushalt und auch noch Lokalpolitik zu organisieren. "Gerade bei den jüngeren Frauen, die kleine Kinder haben", erzählt Lindmair. Aber er gibt sich optimistisch: "Wir brauchen mehr Frauen, wir kriegen sie auch."

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