Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl in Bad Tölz-Wolfratshausen:"Bei uns, da stimmt's"

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Zwölf Jahre war Hans Schneil Bürgermeister von Sachsenkam, 42 Jahre hat er sich für die Gemeinde engagiert. Nun verabschiedet sich der 73-Jährige aus der Lokalpolitik und zieht eine durch und durch positive Bilanz

Von Claudia Koestler, Sachsenkam

Der Tag der Arbeit ist für Hans Schneil in diesem Jahr das genaue Gegenteil geworden: "Der erste Tag, den ich nicht damit beginne, sofort nach dem Aufstehen nach den Nachrichten auf meinem Smartphone zu schauen und zu überlegen, was den Tag über alles zu tun ist." Ein ziemlicher Bruch gegenüber den vergangenen zwölf Jahren, in denen Schneil permanent verfügbar sein musste. Und es auch gerne und mit Herzblut war als Bürgermeister der rund 1350 Einwohner kleinen Gemeinde Sachsenkam.

Nun also ist eine Ära zu Ende gegangen. Aber Schneil hatte bei den Kommunalwahlen bewusst nicht mehr kandidiert, "mit 73 Jahren ist es Zeit, dass Jüngere das Zepter übernehmen", sagt er. Und dass der Wechsel ausgerechnet in der Corona-Krise stattfindet, nimmt Schneil gelassen hin. Statt über den leiser als geplanten Abgang zu jammern, streicht er sich lieber über das Haupthaar und entschuldigt sich für den verpassten Friseurtermin. "Meine Frau hatte es noch geschafft, ich wollte einen Tag später zum Bader, und das war just der Tag der Ausgangsbeschränkung." Das Haar ist also etwas länger als gewohnt, eine Strähne fällt keck in die Stirn, aber dennoch: Es ist ein gelassenes und zugleich stolzes Abschiedsinterview, das Schneil statt einer öffentlichen Verabschiedung gibt. Die, so versprachen ihm die Gemeinderäte und Amtskollegen, soll allerdings nachgeholt werden.

Es ist der Stolz einer tiefen Verbundenheit, die Schneil prägt: 42 Jahre lang war er für die Gemeinde Sachsenkam tätig, davon zwölf als Bürgermeister. Diesen Posten hatte er ehrenamtlich inne, bis vor drei Jahren führte er parallel sein Landmaschinentechnik-Geschäft im Ort. Bevor er Chef des Sachsenkamer Rathauses wurde, war er jahrzehntelang im Gemeinderat und zugleich seit 1976 noch Wasserwart der Kommune, der sich auch um den Kanal kümmerte.

Auf die Frage, ob er denn gebürtiger Sachsenkamer sei, grinst er ein bisschen. "Mei", sagt er, "die wenigsten werden im Ort selbst geboren, und bei mir steht im Ausweis auch Geburtsort Bad Tölz." Trotzdem fühlt er sich durch und durch dem Dorf verbunden, weil er dort eben aufgewachsen ist. Sein Vater kam aus Niederbayern. Der gelernte Schmied erhielt nach dem Krieg nicht den Familienbetrieb und sah sich nach einer anderen Wirkungsstätte um. So kam er 1946 nach Sachsenkam, ein Jahr darauf erblickte Hans Schneil das Licht der Welt. Am Kloster Reutberg ging er zur Schule und engagierte sich später in den Dorfvereinen.

Dass Schneil schließlich den Schritt in die Politik wagte, hat mit einer ziemlich persönlichen Erfahrung zu tun: "Ich hatte Schwierigkeiten beim Bauen", erzählt er. Und so rieten ihm Freunde: "Da gehst zur CSU." Und wie es so geht in einem Dorf, kam ihm der damalige Ortsvorsitzende zuvor und fragte ihn 1978, ob er nicht in die Partei eintreten wollte.

In Vieles, was sich in Sachsenkam seither tat, war Schneil involviert, und der jeweilige Gemeinderat stemmte eine Vielzahl großer Projekte. Darunter war die Sicherung der Wasserversorgung, der Tiefbrunnen, der Hochbehälter, die Kanalisation. Eigentlich taugte ihm die Arbeit als Gemeinderat, "größere Ambitionen hatte ich eigentlich nicht", sagt er rückblickend.

Wie es dann jedoch zur Bürgermeisterkandidatur kam, weiß Schneil heute noch genau: "Es war ein paar Tage vor Leonhardi 2006", da bestellten ihn der damalige Bürgermeister Max Gast und sein Stellvertreter ein. "Ich dachte mir nur, uh, was hab ich denn verbrochen?" Doch die beiden fragten ihn, ob er sich vorstellen könne, zu kandidieren. "Ich sei schließlich im Ort, ich hätte einen Meister in der Werkstatt, ich sollte es mir überlegen." Was Schneil denn auch tat - von November bis März. Im Frühjahr 2007 schließlich willigte Schneil ein, und sein Amtsvorgänger verkündete die Kandidatur.

Es war beileibe kein einfaches Jahr, in dem Schneil schließlich den Chefsessel im Rathaus übernahm. 2008 stand die Welt im Zeichen der Wirtschaftskrise, Sachsenkam hatte Schulden durch Projekte. Als erstes konzentrierte sich der Neue im Amt deshalb auf den Schuldenabbau - was erstaunlich schnell gelang. "Als Geschäftsmann sollte man sich schließlich mit Finanzen auskennen", sagt er.

In seiner Amtszeit stieß Schneil zusammen mit dem Gemeinderat - mit dem es stets ein gutes und kollegiales Miteinander gegeben habe, wie er lobt - viel an und setzte kaum weniger um. Den Geh- und Radweg zum Kloster Reutberg zum Beispiel. Oder die Verlegung eines Teils der Piesenkamer Straße, so dass der Verkehr vom und ins Gewerbegebiet nicht mehr das Dorf belastete. Oder der Notverbund mit der Wasserversorgung Holzkirchen. Unter Schneil entstanden auch Nahwärmenetze, so versorgte bereits seit 2008/2009 ein solches das Rathaus und die Kindergärten, vor einem Jahr kam eine weitere Anlage dazu. Mit am zeitaufwendigsten sei es allerdings gewesen, die vielen Erholungssuchenden im Zaum zu halten, die an den Kirchsee strömen, sagt er. Bei einem Projekt aber beginnen seine Augen zu leuchten, und er gerät regelrecht ins Schwärmen: der Ausbau der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder. "Der Bedarf wurde eben immer größer", rekapituliert er. Und so wurde erst die Kinderkrippe gebaut und schließlich das Haus der Kinder, ein beeindruckender Bau am Ortsende in Richtung Reutberg gleich neben dem Rathaus, modern, großzügig und doch warm und stilecht. "Da haben wir für die Zukunft gebaut", freut sich Schneil über das Vier-Millionen-Projekt. 75 Plätze gibt es dort, plus 25 Hortplätze, dazu 24 Plätze in der Krippe. "Und wir sind schon voll", sagt er. Aber - und darauf legt er Wert - es gebe keine Einheimischen auf der Warteliste, darauf werde besonders geachtet. Aber das Sachsenkamer Angebot sei eben auch bei Externen beliebt, sogar bis von Bad Wiessee fragten Eltern nach Plätzen in Sachsenkam.

Besonderen Wert auf ein gutes Miteinander hat Schneil auch auf anderer Ebene gelegt: bei der Zusammenarbeit in der Verwaltungsgemeinschaft mit Reichersbeuern und Greiling. Das habe sich auch bei einer weiteren Ausnahmesituation in seiner Amtszeit bewährt: in der Flüchtlingskrise 2015. "Wir waren die ersten, deren Turnhalle gesperrt wurde", erinnert sich Schneil. Zusammen mit seinen Amtskollegen aus Greiling und Reichersbeuern wurden die Asylsuchenden dann in Mobil Homes am Kranzer, außerhalb der Ortschaften, untergebracht. Was zunächst als Problem wahrgenommen wurde, entpuppte sich als gute Lösung. Durch den Helferkreis und extra eingeführte Buslinien waren die Flüchtlinge dennoch eingebunden, in den Mobilhäusern konnten ganze Familien zusammen bleiben. Inzwischen ist die Unterkunft aufgelöst, die Mobil Homes verkauft.

Als Schneil nun die Schlüssel des Rathauses weiterreichte, übergab er damit auch ein gut bestelltes Haus. "Die Infrastruktur ist da, wir haben viele Möglichkeiten für Kinder und Familien, und das Vereinsleben ist sehr lebendig. Bei uns, da stimmt's." Sein Nachfolger Andreas Rammler ist quasi die Wunschlösung, auch seine. "Wir haben zunächst im Gemeinderat gefragt, dort haben alle abgewunken. Also standen wir vor der Frage, wen sprechen wir noch an? Und da waren wir uns schnell einig." Schließlich genieße Rammler einen guten Ruf, weil er engagiert sei. Nicht zuletzt durch seine Arbeit im Fanklub des FC Bayern habe er bereits Führungserfahrungen, und seine Arbeit bei der Sparkasse lasse Zeit fürs politische Ehrenamt. Er unterstütze ihn selbstredend, werde sich aber hüten, Ratschläge zu geben, sagt Schneil. "Man muss auch loslassen können, und der Andi wird das gut machen."

Was er nun mit der neu gewonnenen Zeit anfangen will? Sich mehr um die Familie kümmern, um Frau, Tochter und Sohn, der nach einem Unfall im Rollstuhl sitzt. Radfahren will er, die Natur genießen, garteln, viel weniger aufs Smartphone schauen und ja, auch im Haushalt helfen, verrät er. Darin habe er schließlich schon Übung: "Ich gehe einkaufen, und manchmal sauge ich Staub. Da fällt mir kein Zacken aus der Krone", sagt er und lacht.

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Quelle:
SZ vom 06.05.2020
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