Süddeutsche Zeitung

Kommunalwahl 2020:Ickinger Grüne peilen Mehrheit an

Der junge Ortsverein mit Bürgermeisterkandidatin Laura von Beckerath-Leismüller will die meisten Sitze im Gemeinderat erringen. Beim Wahlkampfauftakt wird die Partei fast überrannt

Von Susanne Hauck, Icking

Da herrschte schon eine Riesenstimmung bei den Ickinger Grünen: Freibier und Trauben von Menschen, die sich begeistert in die Arme fallen. Was beinahe so aussah wie Art vorgezogener Party nach einem Wahlsieg, war im Grunde genommen bloß ein Beschnuppern des jungen Ortsvereins, der am Donnerstag sein Wahlprogramm und seine Kandidaten vorstellte. Aber dazu quetschten sich 80 bis 90 Leute sich in den völlig überfüllten hinteren Teil des Gasthofs Rittergütl. Jeder freie Stuhl wurde hereingeschleppt, trotzdem hatten viele Teilnehmer nur einen Stehplätze, manche knieten sogar auf dem Boden. Das störte aber keinen.

Auch nicht Bürgermeister-Kandidatin Laura von Beckerath-Leismüller, die sich von den leicht chaotischen Zuständen nicht aus der Ruhe bringen ließ. Sie sei voller Ideen und Tatendrang, sagte sie. Deshalb habe sie ihre Kandidatur nicht auf die ferne Zukunft verschieben wollen, so die 42-jährige Betriebswirtin, die von sich ehrlicherweise sagt, dass sie zwar schon immer grün gewählt hat, das grüne Handeln aber erst nach und nach lernen musste. So habe sie das Auto zugunsten eines E-Bikes verkauft, züchte im eigenen Gewächshaus ihr Gemüse und verzichte neuerdings ganz auf Fleisch.

Lebensqualität, Nachhaltigkeit und Bürgerdialog: Auf diese drei Säulen stützen die Ickinger Grünen ihr selbstbewusst gestecktes Ziel. Sie wollen auf Anhieb die Mehrheit im Gemeinderat zu erringen, in dem momentan Gabriel Baumüller noch recht verloren als einzige Vertreter der Grünen sitzt. Wie sie sich das konkret vorstellen, fassten Leismüller und die weiteren vier Kandidaten der Spitzenplätze - Philipp Geiger, Sabrina Stör, Jörg Überla und Jovana von Beckerath - am Anfang kurz zusammen. So wollen sie unter anderem einen eigenen Klimaschutzbeauftragten installieren, um den Umstieg auf erneuerbare Energie voranzutreiben. Sie fordern ein vernünftiges Konzept zur Ortsentwicklung und Verkehrsplanung sowie mehr Begegnungsmöglichkeiten für alle Generationen. Den größten Nachholbedarf sehen sie aber in der Kommunikation zwischen Rathaus und Bürgern. "Wie Icking tickt", das will Jovana von Beckerath in neuen Formaten wie Online-Befragungen herausfinden. Leismüller pochte auf die Modernisierung der Gemeinde-Website und will die Bürgerversammlung häufiger veranstalten. Vor allem fordert sie, die Gemeindepolitik offener und transparenter zu gestalten. Als Negativbeispiel nannte sie die Pläne zur Neubebauung der Reithalle, welche die Gemeinde in einem städtebaulichen Vertrag zusammen mit einem Investor angehen will. "Mit uns Grünen wäre das nicht so gelaufen", meinte sie angriffslustig.

Wie sie es anstellen wollen, die Bürger mehr mitzunehmen, bemühten sich die Spitzenkandidaten gleich in der Auftaktversammlung unter Beweis zu stellen. Sie wolle Gelegenheit zur Diskussion geben, anstatt ein fertig formuliertes Wahlprogramm vorzusetzen, sagte Leismüller. "Es gibt viele Ickinger mit Ideen, den Ort nachhaltiger zu gestalten." Dies sah dann so aus, dass sich die Teilnehmer an mehreren Runden Tischen zu Themen wie Energie, Verkehr, Soziales und Ortsgestaltung Gedanken machen durften und dabei tapfer gegen den gewaltigen Geräuschpegel im Raum ankämpften. Dass sie diese Aufgabe mit gebotenem Ernst wahrnahmen, zeigte am Schluss die Tafel, die mit einer beeindruckenden Menge an Ideen gespickt war. Mehrfach geäußert wurde der Wunsch nach einem "Treffpunkt für alle", in welcher Form auch immer. Ein "Tiny House" am Beachvolleyballplatz für die Jugend wurde ebenso gefordert wie thematische Angebote für Senioren, E-Ladestationen am Bahnhof, ein Blockheizkraftwerk, Entschärfung von Verkehrs-Brennpunkten, Ausbau von Radwegen, Carpooling für häufig gefahrene Strecken, mehr bezahlbaren Wohnraum, ein Führer für lokales Einkaufen am Ort, ein jährliches Dorffest, sowie ausführliche Sitzungsprotokolle der Gemeinderatssitzungen im Internet. Sogar von einem eigenen Bus zur U-Bahn wegen der störanfälligen S-Bahn war die Rede. Leismüller will dafür sorgen, dass all diese Vorschläge nicht untergehen. "Ich nehme sie ins Rathaus mit", versprach sie. Ob ins Bürgermeisteramt oder in den Gemeinderat, das werde sich zeigen.

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Quelle:
SZ vom 18.01.2020
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