Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Umdenken in der Agrarpolitik nötig

Landwirte müssen sich ein nachhaltiges Wirtschaften leisten können

Von Katharina Schmid

Die Missernten in weiten Teilen Deutschlands führen bei einem Teil der Bevölkerung nur zu einem müden Schulterzucken. Solange die Semmel im Discounter weiterhin für 14 Cent zu haben ist und das Roggenmischbrot, 500 Gramm, schlappe 99 Cent kostet, wird sich daran nichts ändern. Bis zu 10 000 Betriebe sind bundesweit aufgrund der Ernteausfälle in ihrer Existenz bedroht, mehr als 2003, als der Bund zuletzt Hilfszahlungen leistete.

Der Landkreis hat Glück. Doch die Frage ist, ob die Landkreisbauern im nächsten trockenen Sommer genauso glimpflich davonkommen. Oder ob dann sie die Pechvögel sind. Der Klimawandel schreitet voran, extreme Wetterphänomene mehren sich. Heiße und trockene Sommer wird es immer häufiger geben, sagen Experten. Die Bauern sind Leidtragende und Mitverursacher zugleich.

Das Ausmaß der Probleme, die ein Sommer wie dieser den Landwirten bereitet, ist nicht allein dem Klimawandel geschuldet. Es ist auch die Folge einer jahrzehntelangen Fehlentwicklung in der Landwirtschaft. Die Spezialisierung lässt Höfe anfälliger werden. Wer sich auf die Produktion nur eines Erzeugnisses festlegt, für den steigt das Risiko, läuft mal etwas nicht nach Plan. In diesem Jahr sind es die Getreidebauern, die um ihre Existenz fürchten. Im nächsten Jahr vielleicht die Gemüsebauern. Gesunde Strukturen in der Landwirtschaft sind selten geworden. Ein Ausweichen auf andere Erzeugnisse ist den meisten Bauern heute nicht mehr möglich. In der kleinbäuerlichen Kultur von einst sah das anders aus. Wenn die Kartoffeln nichts wurden, dann warf vielleicht der Weizen einen guten Ertrag ab. Verluste auf der einen wurden durch Gewinne auf der anderen Seite aufgefangen. Jeder Unternehmer kennt dieses Prinzip der Risikominimierung. In der Landwirtschaft ist es verloren gegangen. Ein Zurück wird es nicht geben.

Verantwortung für diese Fehlentwicklung tragen aber nicht nur die Landwirte. Schuld daran ist auch eine Agrarpolitik, die zwar damit tönt, kleinbäuerliche Strukturen erhalten zu wollen, jedoch konträr handelt. Indem sie Groß und Klein über einen Kamm schert und Betrieben von geringer Größe das Überleben schwer macht. Soforthilfen sind zwar wichtig, um Existenzen kurzfristig zu sichern. Um bäuerliche Strukturen langfristig zu erhalten, braucht es aber ein Umdenken in der Agrarpolitik. Bauern müssen sich ein ressourcenschonendes, extensives und nachhaltiges Wirtschaften leisten können, dann sind sie für künftige Herausforderungen besser gewappnet. Möglich machen ihnen das nur Politik - und die Verbraucher.

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Quelle:
SZ vom 28.08.2018
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