Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Sparen ist zu teuer

Der Landkreis war in der Flüchtlingshilfe bisher vorbildlich. Kürzungen wären kurzsichtig

Von Felicitas Amler

Es war einfach zu schön: Bisher konnte man das Engagement der hiesigen Politik für Asylbewerber anerkennen und loben. Nicht nur, dass sich in allen Gemeinden, in denen Flüchtlinge aufgenommen wurden, Politiker genauso wie Bürger um die Menschen kümmerten, für Respekt und Toleranz warben und Hilfe leisteten. Der Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen galt sogar überregional als vorbildlich, weil er den Betreuungsschlüssel deutlich besser angesetzt hatte als offiziell vorgeschrieben - 55:1 statt 100:1. Das ist einer der Gründe, warum bisher alles relativ gut lief. Die Flüchtlinge konnten darauf vertrauen, dass wenigstens einmal pro Woche ein hauptamtlicher Betreuer in ihre Unterkunft kommt, um nach dem Rechten zu sehen. Und die vielen ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer hatten stets fachkundige Ansprechpartner.

Die Einsatzfreude dieser Ehrenamtlichen in allen Gemeinden und Städten ist nach wie vor großartig. Zum Beispiel Wolfratshausen: Sage und schreibe 64 Menschen haben sich hier bereitgefunden, Asylbewerbern zur Seite zu stehen. Vom ersten freundlichen Kontakt über Hilfe mit Ärzten und Behörden bis zu regelmäßigen Deutschkursen reicht das Angebot. Man muss sich das vorstellen: In einer Gesellschaft, in der Vereinsvertreter seit langem massiv darüber klagen, wie schwer es ist, Menschen zu ehrenamtlicher Mitarbeit zu bewegen, gibt es ausgerechnet in der Flüchtlingshilfe eine derartige Einsatzbereitschaft. Ein gutes Zeichen für eine funktionierende, tolerante und aufgeschlossene Solidargemeinschaft. Sie zu bewahren und zu pflegen - das sollte das Ziel der Lokalpolitik bleiben. Denn wenn, wie alle Insider es voraussagen, noch sehr viel mehr Flüchtlinge unterzubringen sein werden, dann wird umso mehr Unterstützung nötig sein. Und die wird im ehrenamtlichen Bereich nur dann aufrecht zu halten sein, wenn die öffentliche Hand mit bestem Beispiel vorangeht.

Ja, das ist teuer. Und ja, das ist eine enorme finanzielle Herausforderung. Aber sie zu bewältigen, das würde weiterhin ein friedliches, nachbarschaftliches Klima sichern. Und das ist allemal mehr wert als jede Kürzung von Personalkosten in einem Kreis-Etat. Die Politik sollte derweil ihre Energie dafür einsetzen, von Land und Bund mehr materielle Unterstützung ihrer Asylarbeit einzufordern. Mindestens Landrat Josef Niedermaier als Vorsitzender des Planungsverbands Region Oberland und CSU-Kreisrat Martin Bachhuber als Landtagsabgeordneter sind den Schaltstellen nah genug.

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Quelle:
SZ vom 05.12.2014
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