Kommentar:Hohn für die Helfer

Den Kesselberg für Raserei zu missbrauchen, geht gar nicht. Und davon auch noch Videos ins Netz zu stellen, verspottet all jene, die sich uneigennützig engagieren

Von Veronika Ellecosta

Leicht hatten es die Kochler mit ihrem Kesselberg noch nie. Weil risikofreudige Motorradfahrer die Straße zwischen Kochel- und Walchensee gerne zu einer Rennstrecke umfunktionieren, hat es die Kesselbergstraße einst zur unfallträchtigsten Straße in Bayern gebracht. Ein Titel wie eine Herausforderung für Unbelehrbare. Und manche von ihnen finden in der digitalen Welt auch noch eine Plattform, auf der sie sich und ihren potenziell tödlichen Egoismus inszenieren. Unter dem Hashtag #grenzgänger und #bikerporno feiern Motorradfahrer sich und ihre waghalsigen Fahrten in den sozialen Medien. Durch Kameras auf den Helmen sind Zuschauer im Netz dem vermeintlichen Abenteuer gegen Zeit und Staatsgewalt ganz nah. Die Motorradfahrer kreieren ein Heldennarrativ, eine Rebellion gegen die vorherrschenden Sicherheitsdogmen: Fühle, dass du sterblich bist und verhöhne, wer dir dein Memento Mori streitig machen will.

Eine egoistische, rücksichtslose Fahrweise ist schlimm genug, weil sie immer auch auf Kosten anderer gehen kann. Sich dabei noch zu filmen und sich für solch zweifelhaftes Agieren feiern zu lassen, verspottet jedoch obendrein alle, die unter solch falsch verstandenem Heldentum leiden: Rettungskräfte, Pendler, Anrainer und Genussbiker, die die Strecke im Rahmen von Gesetz und Rücksicht nützen wollen.

Wenn solche Fahrer nun öffentlich zur Schau stellen können, wie sie sich und andere gefährden, hat Freiheit eine neue Dimension erreicht. Wer dafür allerdings ein "like" vergibt, hat den Sinn und Wert von Freiheit nicht verstanden.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: