Jugendschutz:Grenzen der Prävention

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Zur Vorbeugung gegen sexuellen Missbrauch sollen Ehrenamtliche in der Jugendarbeit Führungszeugnisse vorlegen. Gilt die Unschuldsvemutung nicht mehr?

Felicitas Amler

Wo ereignen sich die meisten Fälle sexuellen Missbrauchs? Im sogenannten Nahbereich der Kinder und Jugendlichen. In den Familien. Wie ließen sich also die schrecklichen Taten, die einen Menschen fürs ganze Leben traumatisieren, verhindern? Nach der Logik des Sozialgesetzbuchs VIII mit Führungszeugnissen, die man Vätern und Onkeln, Opas und Brüdern abverlangte. Wer bereits "einschlägig vorbestraft" ist, fliegt raus. Darf keinen Kontakt mehr zu Kindern und Jugendlichen haben. Und alles ist gut.

So bizarr dies klingt, so abenteuerlich ist das, was das Sozialgesetzbuch den Jugendämtern tatsächlich abverlangt. Präventiv sollen mit den Trägern der freien Jugendhilfe Vereinbarungen geschlossen werden, die helfen, all jene auszusondern, die wegen sexuellen Missbrauchs und ähnlicher Delikte aktenkundig sind. Wie sich das konkret umsetzen lässt, darüber zerbrechen sich Fachleute landauf, landab seit einem Jahr die Köpfe. So lange gilt das Gesetz bereits. Dass es immer noch an Ausführungsrichtlinien fehlt, zeigt, wie heikel die Aufgabe ist.

Man muss das einmal vor dem inneren Auge durchspielen: Vereinsvorsitzender X dankt dem ehrenamtlichen Mitglied Y von Herzen, dass es sich zusammen mit einer Handvoll Kinder in ein Zeltlager-Wochenende begibt. Und sagt dann: Übrigens brauche ich vorher ein erweitertes Führungszeugnis von dir, ich will doch mal sehen, ob du nicht schon mal ein Kind missbraucht hast. Landrat Josef Niedermaier hat völlig Recht: Das ist schier unvorstellbar. Und die Kontrolle dieser Kontrolle dem Kreisjugendring aufzubürden, wie es wohl geplant ist, scheint auch eher eine Überforderung einer Institution als eine Lösung zu sein.

Das Problem kann nicht auf Kreisebene gelöst werden. Ob im Jugendamt, im Jugendring oder in Jugendvereinen - hier arbeiten und engagieren sich all jene, die nun irgendwie mit den irrwitzigen Vorgaben von oben umgehen müssen. Diese freilich hebeln eine der Grundlagen deutscher Verfassung aus: Im Rechtsstaat gilt erst einmal die Unschuldsvermutung. Ämter, Organisationen, Vereine, Ehrenamtliche sollten es sich nicht gefallen lassen, unter Generalverdacht gestellt zu werden. Auch hierzu hat der Landrat das Nötige gesagt: So schockierend die Fälle sind, man kann doch nicht in absolutem Regulierwahn jede Straftat verhindern. Oder möchte jemand Väter-, Onkel- und Opa-Zeugnisse einführen?

© SZ vom 07.03.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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