Kommentar:Gewitzte Klimapolitik

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Auf Bürgermeister und Gemeinderäte kommen schwierige Zeiten zu. Sie haben die Energiewende wirklich herbeizuführen - und nicht länger Lippenbekenntnisse abzugeben. Ein Beispiel, wie Klimapolitik funktionieren kann, zeigt Bad Tölz.

Von Klaus Schieder, Bad Tölz

Es ist schon erstaunlich, was die Stadt Bad Tölz an klimafreundlichen Projekten in den vergangenen Jahren umgesetzt hat: mehr als 100 Blühwiesen mit Blumen und Sträuchern, ein großer Solarpark am nördlichen Stadtrand, eine Eisspeicherheizung ohne fossile Brennstoffe fürs Rathaus, überall E-Ladestationen und E-Busse im Stadtverkehr, eine Reihe von Heizwerken mit Biomasse und Hackschnitzeln, ein Nahwärmenetz, an dem fleißig geknüpft wird ... Und all dies, ohne dass - wie andernorts - sofort Klagen eingereicht, Unterschriften gesammelt, Bürgerinitiativen gegründet wurden. Diese wohltuende Gelassenheit und Ruhe auf dem Weg zur Klimaneutralität ist den Bürgermeistern Ingo Mehner und vor allem seinem Vorgänger Josef Janker, amtierenden und ehemaligen Stadträten, den Mitarbeitern der Stadtwerke und nicht zuletzt der Tölzer Bevölkerung zu verdanken. Das ist vorbildhaft - Punkt.

Allerdings hatte man in Tölz bislang auch ein wenig Glück. Da gab es eben nicht eine kleine Zahl an Anwohnern, die wie in Manhartshofen bei Dietramszell partout eine PV-Freiflächenanlage verhindern müssen, weil sie die, ach herrje, nicht schön finden. Da gab es auch keine Regierung von Oberbayern, die ein Wasserkraftwerk auf der Loisach bei Wolfratshausen ablehnt, weil sie Proteste von Umweltschützern fürchtet. Und da schritt auch kein Bund Naturschutz ein, der seinerzeit gegen ein Pumpspeicherwerk auf dem Jochberg erfolgreich zu Felde zog.

Die Zeiten haben sich seit dem Ukraine-Krieg jedoch geändert. Fossile Rohstoffe müssen aus diesem Grund und wegen des Klimawandels bald passé sein, auf Bürgermeister und Gemeinderäte kommen deshalb schwierige Zeiten zu. Sie haben die Energiewende jetzt wirklich herbeizuführen - und nicht inhaltsleere Bekenntnisse abzugeben wie so viele Politiker bislang, vom Bundestag bis hinab in den kleinsten Gemeinderat. Dazu müssen sie ja nicht mit brachialen Methoden vorgehen. Mut, Resilienz und die Hilfe des Gesetzgebers gegen Prozesshanseln, die wegen Egoismen bis zu Bundesgerichten ziehen können, sind allerdings schon vonnöten. Und die Gewitztheit, wie man sie in Bad Tölz in puncto Klimapolitik gezeigt hat. Ein Beispiel: Die alte Hausmülldeponie in Farchet durfte wegen Altlasten nicht bebaut werden. Was also tun? Ganz einfach: Sie wird ein Solarpark. Oder auch dies: Die neue Klärschlammtrocknungs-Anlage spart 1400 Tonnen im Jahr ein, nur 600 Tonnen müssen jetzt noch in andere Bundesländer abtransportiert werden. Das spart Geld und CO₂-Emissionen.

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