Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Ein Zauberer für Bad Tölz

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Die Stadt hat mit ihrem Gedenkjahr bewiesen, dass auch anspruchsvollste Kultur auf große Resonanz stößt

Von Felicitas Amler

Christof Botzenhart sei Dank: Wäre der Dritte Bürgermeister nicht aktiv geworden - Bad Tölz hätte sich wohl nicht so bald des historisch-literarischen Schatzes besonnen, dessen es sich schon seit einem ganzen Jahrhundert rühmen durfte. Thomas Mann, der vielen als größter deutscher Schriftsteller der neueren Zeit gilt, hat hier an einigen seiner bedeutendsten Werke geschrieben: an der Novelle "Tod in Venedig" etwa und den Anfängen des Romans "Zauberberg". Neun Jahre lang verbrachten er und seine Frau Katia mit den Kindern Erika und Klaus, später auch Golo und Monika ihre Sommerfrische in Bad Tölz. Dass heutige Besucher die einstige Villa der Familie nicht betreten können, weil sie in Privatbesitz ist, muss kein Hindernis dafür sein, der Manns in der Kurstadt zu gedenken. Man kann sie dennoch aufspüren, das hat das Jahr erwiesen, das Bad Tölz dem Nobelpreisträger und seiner Familie heuer endlich gewidmet hat.

Mag auch der Aufhänger etwas bizarr gewesen sein - man gedachte ausgerechnet des Jahres, in dem die Manns Tölz wieder verließen -, so hat sich die Idee doch in jeder Hinsicht gelohnt. Kurdirektorin Brita Hohenreiter hat dies gerade mit ihrem Bericht im Stadtrat unterstrichen. Nichts als Erfolgsmeldungen: Die Lübecker Thomas-Mann-Gesellschaft hat in Bad Tölz getagt. Die Stadt hat einen Rundweg mit Broschüre "Auf den Spuren von Thomas Mann" geschaffen. Das Stadtmuseum hat eine von Elisabeth Hinterstocker mit Liebe und Esprit gestaltete Ausstellung gezeigt. Albert von Schirnding hat der Stadt Teile seiner Erstausgaben überlassen. Das Capitol-Kino hat verfilmte Bestseller Thomas Manns gezeigt. Ein ganzes Jahr lang wurde vorgetragen und berichtet, präsentiert und gefeiert - bis hin zu einem Thomas-Mann-Menü und einem eigens unter seinem Namen gebrauten Bier. Und siehe da: Das Interesse war weit überregional, die Besucher strömten an die Isar.

Ob der Kurdirektorin nach diesem großen Wurf ihre eigenen Worte in den Ohren klingen? "Thomas Mann ist ein sehr spezielles Thema, das einen begrenzten Interessentenkreis anspricht", so hatte Brita Hohenreiter vor sechs Jahren auf die Frage geantwortet, warum die Stadt das Erbe nicht besser pflege. Sei's drum. Inzwischen hat Bad Tölz bewiesen, dass es mehr ist als die Stadt des "Bullen". Und dass Kultur hier auch in ihrer anspruchsvollsten Ausprägung einen Platz hat.

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SZ vom 02.12.2017
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