Kommentar:Ein politisches Lehrstück

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Erst im zweiten Anlauf gelingt in Dietramszell die Distanzierung von alten NS-Ehrenbürgerschaften.

Von Petra Schneider

Die Dietramszeller Gemeinderäte haben mit der Revision ihres Beschlusses den einzig möglichen Weg beschritten, um eine weitere Rufschädigung ihrer Gemeinde zu verhindern. Die Erklärung der acht Gemeinderäte wirkte überzeugend, ihre Zerknirschung glaubhaft. Dass sich die Acht, mit Ausnahme von Barbara Regul, nicht öffentlich zu ihrem Votum bekannt haben, ist menschlich verständlich, politisch aber nicht korrekt. Denn Gemeinderäte, die sich in einer öffentlichen Sitzung äußern, tun dies als gewählte Repräsentanten von Bürgern. Diese haben das Recht, zu erfahren, wie ihre Vertreter in einer so hochsensiblen Frage abgestimmt haben. Zumal vor einer Kommunalwahl.

Eines hat diese unsägliche Geschichte deutlich gemacht: Wer sich für ein öffentliches Amt zur Verfügung stellt, muss sich seiner Verantwortung bewusst sein. Regelmäßige Anwesenheit bei Sitzungen und eine gründliche Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte ist Pflicht. Denn in jeder Gemeinde, und sei sie noch so klein, werden Entscheidungen gefällt, die das Land und das Zusammenleben prägen: Die Ausweisung neuer Wohn- und Gewerbegebiete, Umgehungsstraßen, Windkraftanlagen, die Unterbringung von Asylbewerbern - das alles sind Fragen, die nicht aus dem Bauch heraus entschieden werden dürfen. Ein Gemeinderat ist keine Stammtischrunde, in der jeder sagen kann, was ihm spontan in den Sinn kommt.

Und noch eines wurde in den vergangenen Tagen deutlich: wie wichtig es ist, dass Sitzungen öffentlich stattfinden. Denn dieser Beschluss wäre ohne die Beteiligung der Öffentlichkeit wahrscheinlich nicht korrigiert worden. Ein Aufschrei im Gemeinderat nach der Abstimmung war nicht zu vernehmen. Der Aufschrei kam von entsetzten Bürgern, die damit eine Diskussion über die Grenzen der Gemeinde hinaus angestoßen haben. Dass Dietramszell nicht länger mit dem Makel einer Hitler- und Hindenburg-Ehrenbürgerschaft leben muss, ist vor allem das Verdienst einer wachsamen Öffentlichkeit.

© SZ vom 19.12.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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