Süddeutsche Zeitung

Kommentar:Demokratie to go

Das Beispiel Bürgervereinigung Wolfratshausen zeigt: Kandidaten-Nominierungen sind heute meist so vorbereitet, dass kaum noch diskutiert wird.

Von Felicitas Amler

Die Nominierung des Bürgermeisterkandidaten der Bürgervereinigung Wolfratshausen (BVW) ist ein Paradebeispiel dafür, wie Politik heutzutage funktioniert: Immer hübsch stromlinienförmig, nur ja keine öffentliche Diskussion über Personalien. Dabei sind gerade Öffentlichkeit und Diskussion die wesentlichen Elemente der Demokratie. Ohne Transparenz und Austausch kann es keine vitale Demokratie geben, keine aktive Teilhabe aller und schon gar keine Entwicklung neuer, kreativer Ideen. Wie hilfreich wäre es, um beim konkreten Beispiel zu bleiben, für die Wahlentscheidung der Wolfratshauser gewesen, hätten sie erfahren, warum sich die Bürgervereinigung gegen Ludwig Gollwitzer und für Klaus Heilinglechner entschieden hat. Zumal - auch dies ein gravierendes Manko heutiger Kandidatenaufstellungen - Heilinglechner sich vor seiner Nominierung als Person vorstellte, aber nur vage als Politiker. Was er für Wolfratshausen erreichen will, vor allem: wie, welche konkreten Vorstellungen er hat, blieb eher offen. Und das in einer Stadt, die galoppierende Probleme mit der Verödung ihrer Innenstadt hat. Die offene Verkehrsfragen beantworten müsste. Und die sich ein wenig mehr Gedanken über eine zukunftsweisende Kulturpolitik machen sollte.

Doch, wie gesagt, die BVW ist ein Beispiel für viele. In fast allen Parteien - keineswegs nur in Wolfratshausen - versucht der Vorstand zu verhindern, dass sich zwei Personen um eine Kandidatur bewerben. Vom Kabarettisten Volker Pispers gibt es ein wunderbares Bonmot dazu, das sinngemäß so geht: Wenn sich zwei bewerben, schreit man entsetzt "Kampfkandidatur!" Wenn nur einer antritt, nennt man es eine Wahl.

Warum Ludwig Gollwitzer selbst nicht um eine Kandidatur gekämpft hat, bleibt sein Geheimnis. Es hat ihn auch in offener Versammlung niemand gefragt. Das zeigt nur, wie sehr sich die Basis von Parteien schon damit abgefunden hat, dass an einem Austausch kein Interesse besteht. Der Vorstand bereitet alles so vor, dass die Mitglieder eigentlich nur noch Ja zu sagen brauchen. Eine Art Instant-Demokratie.

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Quelle:
SZ vom 16.11.2013
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