Immer mehr Arbeitnehmer in der Region engagieren sich für gesetzliche Mitbestimmungsrechte. So haben sich erst kürzlich beim Königsdorfer Unternehmen Stöger Automation sowie bei der Eizo Technologies GmbH mit Standort in Geretsried Betriebsräte gebildet. Der Einschnitt der Pandemie und der sich verstärkende Fachkräftemangel könnten die Angestellten in diesem Schritt bestärkt haben. Karl Musiol jedenfalls kann durchaus einen Trend erkennen. In seinem ersten halben Jahr als stellvertretender Geschäftsstellenleiter der Industriegewerkschaft (IG) Metall in Weilheim habe er sechs Initiativen begleitet, einen Betriebsrat zu installieren, berichtet er bei einem Treffen im Restaurant am Bibisee. "Das ist eine steile Kurve." Mit ihm am Tisch sitzen Mitglieder der neu gegründeten Betriebsratsgremien bei Stöger und Eizo.
Das Wort Eizo steht im Japanischen für Bild, denn die ostasiatische Unternehmens-Gruppe ist auf Technologien der Bildwiedergabe spezialisiert. Ihre High-End-Monitore setzen Kunden in der Medizin oder auch in der Flugsicherung ein. Betriebsratsmitglied Lorenz Haberl erklärt, dass es sich bei der Eizo Technologies GmbH mit ihrem Standort in Geretsried um eine Tochtergesellschaft handele. Das Team mit circa 75 Mitarbeitern entwickle maßgeschneiderte Display- und Monitorlösungen für die Kunden, insbesondere zur Flugsicherung in der Luftfahrt. "Die Corona-Krise hat uns getroffen", sagt er. "Es ist weniger geflogen worden und die Kunden haben weniger bestellt." Der Arbeitgeber habe daher Kurzarbeit eingeführt. Doch der Austausch mit der Geschäftsführungsebene habe gefehlt. "Wir wollten mehr Mitspracherechte haben", so Haberl.
Fünf ständige Mitarbeiter braucht es für einen Betriebsrat
Laut dem Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) können in Unternehmen mit mindestens fünf ständigen wahlberechtigten Arbeitnehmern Betriebsräte gewählt werden. Über diese werden gesetzlich geregelte Mitbestimmungsrechte garantiert. Die Gremien wirken beispielsweise dabei mit, die Arbeitszeit oder den Gesundheitsschutz zu gestalten, Entlohnungsgrundsätze aufzustellen und vieles mehr. Bei der Eizo Technologies GmbH besteht der Betriebsrat aus fünf Mitarbeitern, bei Stöger sind es sieben. Beide Unternehmen sind laut Musiol nicht tarifgebunden.
Stöger habe aktuell etwa 135 Mitarbeiter, berichtet der Leiter des Betriebsrats im auf Schraubautomaten spezialisierten Königsdorfer Unternehmen, Artur Kornelsen. Deren Zahl habe sich im vergangenen Jahrzehnt praktisch verdreifacht. Dadurch sei auf das Team eine ganze Flut neuer Aufgaben zugekommen. In der Firma habe es zwar schon einen informellen Mitarbeiterrat gegeben. Doch der habe eigentlich nur aus Michael Skuban bestanden, der nun Stellvertreter im neu installierten Betriebsrat ist. Eine Person alleine könne gar jedoch nicht alle anstehenden Fragen zwischen Unternehmensführung und Mitarbeiterteam bewältigen, sagt Kornelsen.
Dienstreisen und Arbeitszeiten sollen einheitlich geregelt werden
Von einem "typischen Muster" spricht Gewerkschaftsfunktionär Musiol: Wenn kleine, inhabergeführte Unternehmen stark wüchsen, wachse auch der Wunsch nach gesetzlich bestimmten Mitwirkungsmöglichkeiten, die zu den Strukturen passen. Und die brauche es dann auch, sagt Musiol - zumindest aus seiner Gewerkschaftssicht.
Den Anstoß zur Gründung eines eigenen Betriebsrats mag bei der Eizo Technologies GmbH auch die Tatsache gegeben haben, dass der Mutterkonzern laut Haberl bereits ein solches Gremium hatte. Haberl ist seit Juli 2010 im Unternehmen und dort als Prüfer tätig. Er kontrolliere Geräte, Platinen und Schaltungen auf Fehler, erklärt er: "So, dass alles funktioniert." Das will auch der Betriebsrat, in Bezug auf die Arbeitsbedingungen. Man wolle sich erst einmal dafür einsetzen, dass es einheitliche Regelungen für Dienstreisen und Arbeitszeitmodelle gebe, sagt Haberl.
Der Gründungsprozess sei spannend gewesen. Sogar an einem Brückentag, an dem das Werk geschlossen war, sei er vor das Tor gefahren, weil eine Wahlfrist im Gründungsprozess an diesem Datum auslief, berichtet Haberl. Schließlich hätte jemand kommen können, um seine Wahlunterlagen abzugeben. "Sonst hätte die Wahl angefochten werden können", ergänzt Musiol von der IG Metall. Er hat den Prozess, die beiden Betriebsräte im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen zu gründen, begleitet. Ein solches Gremium ist aus seiner Sicht auch "ein Aushängeschild" für Unternehmen, um in Zeiten des Fachkräftemangels um Mitarbeiter zu werben.
"Mitbestimmung hat in Deutschland einen hohen Stellenwert."
Die Betriebsräte zu gründen, wäre aus Sicht der Mitarbeiter niemals möglich gewesen, ohne die Unterstützung der IG Metall. Für die neuen Mitglieder hat Musiol etwa auch Schulungen organisiert. Die Arbeitgeber hätten jedoch keine Schwierigkeiten gemacht, um eine Betriebsratsgründung zu verhindern, erklären alle unisono. Erfreulich war für die Mitarbeitervertreter, dass sich für beide Gremien viele Bewerber zur Wahl gestellt haben. Auch die Wahlbeteiligung sei mit mehr als 90 Prozent in beiden Fällen sehr hoch gewesen. "Üblicherweise liegt die bei 20 bis 60 Prozent", so Musiol.
Unter Arbeitnehmern zeige sich ein neues Bewusstsein, ein Unternehmen nicht einfach zu verlassen, wenn sie unzufrieden seien, sondern für Verbesserungen zu kämpfen, sagt der Gewerkschafter. "Ich glaube, alle akzeptieren, dass die Mitbestimmung in Deutschland einen hohen Wert hat." Das Instrument habe aus seiner Sicht beigetragen, dass in der Krise nicht so viele Arbeitsplätze abgebaut worden seien wie in anderen Ländern. Das habe sich wirtschaftlich positiv im Aufschwung ausgewirkt.