Süddeutsche Zeitung

Königsdorf:Dem Discounter zum Trotz

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Bei der Stollenprüfung in Geretsried geben Bäcker eine Kostprobe ihres Könnens. Konrad Stelmaszek in Königsdorf gehört zu den wenigen Handwerksbetrieben, die das Weihnachtsgebäck noch selbst herstellen

Von Benjamin Engel, Königsdorf

Noch sind sie außen ganz warm. Erst am Morgen hat Konrad Stelmaszek die Stollen frisch gebacken. Gegen 10 Uhr liegen sie zum Auskühlen auf Blechen in der Königsdorfer Backstube. Der Vorsitzende der Bäckerinnung Miesbach-Bad Tölz-Wolfratshausen greift zu einem langen gezackten Messer und schneidet einen der Stollen an. Sofort riecht es leicht nach Kirschen und Schokolade. Die Idee zu dieser Füllung ist neu, Stelmaszek probiert sie in diesem Jahr erstmals aus. Um zu wissen, wie es schmeckt, muss er allerdings noch vier bis fünf Tage warten. Solange muss der Stollen ruhen. Erst danach entfaltet er sein ganzes Aroma.

Viele Bäcker im Landkreis scheuen diesen Aufwand. Sie backen Stollen gar nicht mehr. Stelmaszek erklärt das mit dem hohen Druck durch die Discounter. Die könnten ihre Stollen viel billiger anbieten, sagt er. Die Handwerksbäcker könnten mit solchen Preisen nicht konkurrieren. Es sei für sie unrentabel, so Stelmaszek.

Um so wichtiger sind für ihn die jährlichen Stollenprüfungen der Bäckerinnungen - in der Region Miesbach und Bad Tölz-Wolfratshausen finden sie heuer am 5. und 6. November in der Geretsrieder Sparkasse an der Egerlandstraße statt. Mit ihnen könnten die Bäcker sich in der Öffentlichkeit präsentieren, etwa 15 der noch rund 40 Innungsbäcker in seinem Gebiet machten mit, sagt Stelmaszek. Jeder Kunde kann zur Stollenprüfung kommen, probieren und Fragen stellen. Ein Prüfer benotet die Stollen nach Kriterien wie Form und Aussehen, Oberflächen, Krusteneigenschaften, Struktur, Elastizität und Geschmack. Entscheidender als eine Auszeichnung für besondere Qualität ist Stelmaszek zufolge aber etwas anderes: zu zeigen, dass die Bäcker nichts zu verbergen haben und ehrliche Handwerkskunst abliefern. Er rät den Bäckern, auf besondere Produkte und Qualität zu setzen. Nur damit könnten sie ihre höheren Preise rechtfertigen, meint er. Der Innungsvorsitzende verwendet für seine Stollen beispielsweise nur hochwertige australische Rosinen. Die kosten zwar mehr. Dafür seien sie aber saftiger und geschmacksintensiver, sagt er.

Trotzdem glaubt Stelmaszek, dass es in zehn Jahren nur noch um die 20 Bäcker in seinem Innungsgebiet geben wird. Er erzählt, dass schon jetzt jährlich ein oder zwei Kollegen aufgeben. Und das werde wahrscheinlich so weitergehen. Oft finde sich kein Nachfolger. Zudem gebe es große Konkurrenz, neben Discountern gehörten dazu etwa auch Backshops in Tankstellen. Vom Bäckerschwund würden die Kunden allerdings kaum etwas merken, so Stelmaszek. Die übrig gebliebenen Bäcker betrieben dann mehrere Filialen.

Der klassische Butterstollen besteht aus schwerem Hefeteig. Mehl, viel Butter und Zucker, Milch, Hefe, Salz, Gewürze wie Macisblüte, Zimt und Muskat, Rosinen, Orangeat und Zitronat kommen hinein. Laut Stelmaszek soll der weiß gezuckerte Stollen an das in Leinen gewickelte Jesus-Kind erinnern. Andere Theorien besagen, dass dieser den "Riegel des Glaubens" symbolisiere oder im Mittelalter als Wegzehrung für Soldaten aufkam, da er lange haltbar sei. Stelmaszek backt neben dem Butterstollen noch mehr als zehn weitere Sorten.

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Quelle:
SZ vom 05.11.2015
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